Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e.V.

Die "Scriptores rerum Lusaticarum"

Eine der ersten mehrbändig angelegten Reihen, die die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften herausgegeben hat, war die Neue Folge der "Scriptores rerum Lusaticarum". Sie stellte sich bewusst in die Nachfolge des bereits 1719 von Christian Gottfried Hoffmann im Auftrag des Zittauer Bürgermeisters Philipp Stoll und dem dortigen Bibliothekar Christian Altmann begründeten gleichnamigen Scriptores-Werkes, das primär Schriften der Zittauer Ratsbibliothek beinhaltete. Die "Neue Folge" hatte dagegen zum Ziel, bislang ungedruckte erzählende Werke der ober- und der niederlausitzischen (!) Geschichtsschreiber zu veröffentlichen.

Geprägt vom damaligen Zeitgeist beantragten am 2. September 1835 die Herren Thorer und Köhler sowie der Sekretär der Gesellschaft, Joachim Leopold Haupt, die Herausgabe der "Scriptores rerum Lusaticarum". Ursprünglich war geplant, die Urkundenabschriften aus der von Gesellschaftsmitgliedern angelegten mehrbändigen Urkundensammlung, wovon 1799 und 1824 ein zweibändiges Verzeichnis erschienen war, mit herauszugeben. Dieser Gedanke wurde jedoch wieder fallen gelassen, da es zum Einen die Kräfte der Gesellschaftsmitglieder überfordert hätte, zum Anderen auch die Finanzmittel nicht ausreichen würden. Außerdem wurden die Urkundenabschriften damals noch ständig ergänzt, und ihre Bearbeitung war somit noch längst nicht in einem druckfertigen Zustand. Eine Drucklegung gelang erst 1851 unter dem Titel "Codex diplomaticus Lusatiae superioris".

Von Beginn an war beabsichtigt, das Werk wenigstes eines niederlausitzischen Geschichtsschreibers aufzunehmen; jedoch konnte trotz vielfacher Anfragen an Archive und Bibliotheken in der Niederlausitz kein geeignetes Werk ausfindig gemacht werden, was man damals sehr bedauerte. Daher konzentrierte sich Joachim Leopold Haupt 1838 zunächst auf die Herausgabe von Werken oberlausitzischer Geschichtsschreiber, nicht ohne den Hinweis am Schluss seiner Vorrede, dass weitere Bände folgen werden.

Der erste Band nahm die Jahrbücher des Johann von Guben auf und kam einschließlich Beilagen und umfangreichen Erläuterungen auf 471 Seiten, ferner die Görlitzer Annalen des Johannes Bereith von Jüterbog einschließlich Erläuterungen, das Kalendarium Necrologicum Fratrum Minorum Conventus Gorlicensis mit Erläuterungen, Martin von Bolkenhains Aufzeichnungen zu den Hussitenkriegen in Schlesien und der Lausitz, die "Aeltesten Statuten Goerlitz", Auszüge aus dem Görlitzer Rechtsbuch sowie ein Orts- und Personenregister. Auch war es ein optisches Novum, den Erläuterungstext auf ausdrücklichen Wunsch von L. Haupt ohne Großbuchstaben beginnen zu lassen, was dann auch in den Folgebänden durchgehalten wurde.

Nur wenige Jahre später, 1841, erfüllte sich der Wunsch Haupts nach der Herausgabe eines weiteren Teils der Scriptores rerum Lusaticarum. Bestärkt durch die vielen positiven Reaktionen und Rezensionen des ersten Bandes ließ Haupt die Görlitzer Ratsannalen von 1487 bis 1496, die zu damaliger Zeit von Bernhard Melzer, Ratsmitglied und späterem Bürgermeister, geschrieben worden waren, für den Druck vorbereiten. Diese Chronik hatte er selbst kopiert bzw. unter seiner Aufsicht abschreiben lassen, während die Herren Herrgesell und Jancke die Korrekturlesung übernommen hatten. Das genaue und vollständige Register hat Theodor Neumann erstellt. Das 1841 erschienene Werk umfasst 520 Seiten, wovon die ersten 390 Seiten die Transkription beinhalten und die weiteren 62 Seiten die Erläuterungen dazu. Danach folgt gleichsam als "Zugabe" das Görlitzer Lehnrecht.

Auch dieser zweite Band fand durchweg ein positives Echo, so dass es für die Gesellschaft weiterer Ansporn war, die Reihe fortzusetzen. Auf der Hauptversammlung am 6. November 1845 wurde der entsprechende Beschluss gefasst und einige Wochen später eine Kommission ins Leben gerufen, die die Vorarbeiten übernehmen wollte. Die Kommission entschied sich dafür, zunächst den Codex diplomaticus Dobirlucensis in das erste Heft aufzunehmen. Doch der begonnene Druck der Urkunden geriet schon beim zweiten Bogen ins Stocken, so dass die Mitglieder der Kommission (Köhler, Haupt, Jancke und Neumann) am 20. Dezember 1849 gemeinschaftlich die Ansicht vertraten, dem ursprünglichen Ansinnen treu zu bleiben und bisher ungedruckte Quellen zu publizieren. Es lag nahe, mit dem 3. und 4. Band der Görlitzer Ratsannalen fortzufahren, die aus der Zeit des Stadtschreibers Johann Hass stammten und im ersten Teilband die Jahre 1509 bis 1516 umfassen sollten. Dieser zweite Scriptores-Band wurde wegen der Fülle des darin genannten geschichtlichen Materials mit einer ausführlicheren Kommentierung versehen als seine Vorgänger. Die in der Vorrede angekündigten Erläuterungen waren zwar geplant, sind aber nie zum Abdruck gelangt. Der vierte Band der Reihe umfasste auf 391 Seiten den dritten Band der Görlitzer Ratsannalen; vorangestellt ist eine ausführliche Einführung von Ernst Struve, datiert vom 5. Mai 1870, in welcher er bio- und bibliographische Daten von und zum Autor der eigentlichen Chronik, Johann Hass, mitteilt.

Mit dem vierten Band, der nur durch die maßgebliche Unterstützung der Kommunalstände der preußischen Oberlausitz erscheinen konnte, endete noch im 19. Jahrhundert die Neue Folge der "Scriptores rerum Lusaticarum".

Nach einer großen Zeitspanne nimmt die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften im Jahr 2011 abermals den Faden auf und belebt die Reihe „Scriptores rerum Lusaticarum“. Eingedenk dieser Tradition wird unter Einschluss des Bandes von 1719 auch die alte Zählung fortgeführt. Folgerichtig wird auf den Zusatz „Neue Folge“ verzichtet. Auch wird die Selbstbeschränkung auf Oberlausitzer und Niederlausitzer Schriftsteller fallen gelassen, denn obwohl in erster Linie die reichen handschriftlichen Schätze einheimischer Bibliotheken und Archive erschlossen werden sollen, wird die Reihe künftig Zeugnissen aus den ehemaligen böhmischen Kronländern offenstehen, da deren Geschichte eng mit der Oberlausitz verwoben ist. Ziel der Reihe „Scriptores rerum Lusaticarum“ ist es, erzählende Quellen, gleich ob Bistums-, Kloster-, Landes- oder Adels- bzw. Familienchroniken, ob Stadtchroniken oder auch entsprechende Annalen, den Geschichtswissenschaften wie auch dem interessierten Heimatforscher zur Verfügung zu stellen und damit an ihre alte Tradition anzuknüpfen.