Tagungen
Jedes Jahr im April (möglichst nahe am Gründungsdatum 21. April) kommen die Mitglieder der Gesellschaft zur Frühjahrstagung und zur Mitgliederversammlung zusammen. Im Herbst jeden Jahres (meist Anfang November) veranstalten wir eine wissenschaftliche Tagung zu einem Thema über die Oberlausitz.
ab 2020
Bericht zur Frühjahrstagung am 29./30. April 2022 in Görlitz
von Ivonne Makowski, Kai Wenzel
Nach einem pandemiebedingten zweijährigen Aussetzen fand endlich wieder die traditionelle Frühjahrstagung im ausgefüllten Johannes-Wüsten-Saal des Stammhauses in der Neißstraße statt.
Auftakt der Tagung waren am Freitagabend zwei Programmpunkte. Zunächst stellten Frau Prof. Dr. Lenka Bobková (Prag) und Herr Mgr. Tomaš Velička (Aussig/Ústí nad Labem) das Buch „Johann von Görlitz. Der dritte Sohn Kaiser Karls IV.“ vor. Es ist die erste wissenschaftliche Monografie über Johann und sein Herzogtum Görlitz. Das Buch erschien zunächst 2016 in tschechischer Sprache. Die Herausgabe der deutschen Fassung organisierte die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften in Kooperation mit dem Institut für tschechische Landesgeschichte der Karlsuniversität Prag. Sie wurde finanziell vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds sowie von der Stiftung der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien unterstützt und erschien 2020 als Band 22 der Beihefte des Neuen Lausitzischen Magazins im Verlag Gunter Oettel. Da die Corona-Pandemie bisher eine Präsentation des Buches verhindert hatte, wurde diese nun nachgeholt.
Im zweiten Teil des Abendprogramms sprach Prof. Dr. Christian Andree (Kiel) über die Rezeptionsgeschichte der Werke Theodor Fontanes. Als einer der besten Kenner der Schriften des bekannten Berliner Autors gab Andree einen profunden und gleichsam unterhaltsamen Überblick über die Wahrnehmung Fontanes zu Lebzeiten und darüber hinaus. Im Anschluss berichtete Andree auch über seinen eigenen Lebensweg, vor allem über seine Kindheit und Jugend in Niesky. Dort besuchte er in den 1950er Jahren die Erweiterte Oberschule, auf der er auch erstmals mit den Werken Fontanes in Berührung kam.
Zu Beginn des Tagungssonnabends betonte der Vizepräsident der OLGdW, Dr. Lars-Arne Dannenberg, in Vertretung für den erkrankten Präsidenten Dr. Steffen Menzel in seinen einleitenden Grußworten vor allem die Freude über das nun endlich wieder gemeinsam mögliche Tagen und Diskutieren. Mit der Laudatio auf den nunmehr 10. Träger des Hermann-Knothe-Preises, Jan Michael Goldberg, leitete der Vizepräsident zum Festvortrag des Preisträgers über.
Aus mehreren eingereichten Arbeiten überzeugte die demografische Studie auf Mikroebene mit dem Vortragstitel „Der lange Schatten des Prager Friedens. Konfession und Bevölkerungswachstum in der oberlausitzischen-böhmischen Grenzregion von 1600 bis 1900“. Es handelt sich um das Promotionsthema am Lehrstuhl für empirische Makroökonomik an der Universität Halle-Wittenberg und nicht etwa im geschichtswissenschaftlichen Bereich, was verständlich wird, wenn man sich die Quellenbasis Goldbergs vergegenwärtigt. Goldberg untersucht die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung aller Familien namens Goldberg in der Gemeinde Großschönau in der Oberlausitz und der benachbarten Stadt Varnsdorf (Warnsdorf) auf böhmischer Seite. In sehr unterhaltsamer Weise präsentierte er nicht nur die Zahlen zum vergleichsweise doppelten Bevölkerungswachstum in Varnsdorf gegenüber Großschönau über mehrere Jahrhunderte für insgesamt dreizehn untersuchte Familienzweige, sondern trug darüber hinaus amüsant und anregend seine Thesen zu diesem signifikanten Unterschied vor. Zusammenfassend kommt Goldberg zu dem vorläufigen Ergebnis, dass vor allem die konfessionellen Unterschiede in den beiden Ortschaften wohl eine Hauptursache für die demografischen Entwicklungen darstellt. So resümierte er, dass die um 1652 einsetzende Rekatholisierung im Grenzgebiet um Warnsdorf für eine höhere Geburtenrate sorgte im Vergleich zum protestantischen Großschönau. Diese Hypothese über eine konfessionsabhängige Fertilität stieß auf rege Diskussion im Plenum und auch die Frage, welche Entwicklung diesbezüglich die Oberlausitz genommen hätte, sofern sie nicht Kursachsen als Pfandlehen zugeschlagen worden wäre, ließ den langen Schatten des Prager Friedens sichtbar werden.
Lucia Henke (Herrnhut) widmete sich im nächsten Vortrag der Frage „Geschichte neu schreiben? Das Bild mittelalterlicher Herrscher in Handbüchern der DDR-Geschichtswissenschaft am Beispiel von Otto I. und Friedrich I.“ Aufgrund persönlicher Erfahrungen mit einem wahrgenommenen Vermittlungsbruch im Geschichtsunterricht zur Zeit der politischen Wende in Deutschland 1989/1990 untersuchte sie, inwiefern der 1955 von der SED beschlossene Traditionsbruch und die restlose Überwindung des „Alten“ in der DDR-Zeit gelungen ist. Dabei verglich Henke die Geschichtsbilder der römisch-deutschen Kaiser Otto I. (912-973) und Friedrich I. (1122-1190) in den DDR-Handbüchern deutscher Geschichte mit denen im „Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte“ in der damaligen BRD. Der anfangs vermutete Gedanke, das deutsche Mittelalter hätte in der DDR eine Nische für die freie Wissenschaft mangels staatspolitischen Interesses sein können, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen konnte Henke eindrücklich zeigen, dass die in den Jahren 1963/1964 neu gefassten Geschichtsbilder dieser beiden Herrscher lediglich auf den vorangetriebenen Feudalisierungsprozess fokussiert waren und sich kaum objektiv mit deren Persönlichkeiten im historischen Kontext auseinandersetzten. So war die offizielle Interpretation des Mittelalters ebenfalls Teil einer radikalen Nationalgeschichte innerhalb des Klassenkampfes. Eine vollständig neue Geschichtsschreibung fand trotz alledem nicht statt; vielmehr entstanden alternative Geschichtsbilder.
Siegfried Hoche (Görlitz) beschloss sodann die erste Sektion mit der Vorstellung seiner Forschungen über die Görlitzer Hallenhäuser und deren baulicher Entwicklung vor allem unter dem Aspekt ihrer Nutzungsgeschichte vom 14./15. Jahrhundert bis heute. Der Ratsarchivar von Görlitz hat hierfür intensive Quellenrecherchen und Auswertung betrieben, so dass unter anderem die Besitzergeschichten dieser Häuser mit ihren biografischen Daten bis in das 14. Jahrhundert hinein nahezu lückenlos angegeben werden können. Nach dem Credo „Raum ist Geld“ begründet Hoche die charakteristische Bauweise der Görlitzer Hallenhäuser, die bereits ab dem 13. Jahrhundert als multifunktionale, mehrstöckige Gebäude mit Lagerräumen für Handelswaren, Tiefkeller für das Brauereiwesen, repräsentative Schankhallen sowie Dachböden für das Getreide errichtet wurden. Nachfolgende Zäsuren überstand diese einzigartige Architektur glücklicherweise ohne nennenswerte Substanzverluste. Vielmehr wurden die Räumlichkeiten an die jeweiligen Bedürfnisse kontinuierlich bis in die Gegenwart im Inneren entsprechend angepasst. Einer früh einsetzenden Erkenntnis zum Schutz der Hallenhäuser im Sinne baulicher Denkmale zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgte die großflächige Sanierung nach der politischen Wende bis zum wiederaufgenommenen Welterbeantrag für die Stadt Görlitz, indem die Hallenhäuser einen zentralen Platz einnehmen. Die Veröffentlichung des ersten Bandes zur Geschichte der Görlitzer Hallenhäuser und seinen früheren Besitzern befindet sich in unmittelbarer Vorbereitung.
Nach einer kurzen Pause eröffnete Dr. Markus Bitterlich (Dresden) den zweiten Teil der Frühjahrstagung an diesem Tag. In seinem Vortrag „Die Garnisonskirche auf dem Königstein – Ein bemerkenswertes Baudenkmal mit Verknüpfungen zur Oberlausitzer Geschichte“ lenkte er den Fokus auf die mittelalterlichen Fragmente der Kirche, die auf dem Tafelberg bis heute von einer Zeit zeugen, als der Königstein und die Oberlausitz von dem böhmischen König Wenzel I. (um 1205-1253) beherrscht wurden. So richtete Bitterlich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Reste der Chormalereien aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, deren Ikonografie weitestgehend noch ungeklärt ist. Bitterlich, der sich als dortiger Museologe intensiv mit der Geschichte des Königsteins im Mittelalter beschäftigt, stellte hierzu seine These vor, dass es sich bei den figürlichen Darstellungen um Szenen aus der Vita des Heiligen Aegidius handeln könnte. Aegidius wurde als Schutzpatron der Kolonisation, der Adligen und Fürsten verehrt und sowohl in Sachsen als auch in Nordböhmen gab es viele Patrozinien dieses Heiligen. Die Ausführung des Motivs sowie die Verwendung kostbaren Ultramarinblaus für die Wandmalereien bieten dabei erste Anhaltspunkte.
Dr. Sven Brajer (Berlin) schwenkte sodann um in die Neuzeit bzw. Gegenwart und machte in seinem Vortrag über die Konzeption eines neuen Spreequellmuseums in Ebersbach-Neugersdorf und zur Schließung der Humboldtbaude (1912-2019) auf ein dringendes Desiderat im Bereich des heimatkundlichen Museumswesens aufmerksam. Die für die lokale Geschichte wertvollen Exponate hauptsächlich aus den Bereichen Zoologie, Botanik, Ur- und Frühgeschichte sowie Volkskunde wurden seit den letzten 160 Jahren mit Gründung des Humboldtvereins Ebersbach 1861 von ambitionierten Laienforschern wie August Weise (1835-1910) zusammengetragen. Letztgenannter trug eine beachtliche Molluskensammlung mit circa 12.500 Exponaten aus Sachsen und Böhmen zusammen. Brajer hat mit Partnern zwischen 2016 und 2019 an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet, um diese Bestände, eingebunden in einem übergeordneten Museumskonzept unter dem Titel „Menschen machen Geschichte“, einem breiten Publikum in der eigens dafür 1912 errichteten, mittlerweile sanierungsbedürftigen Humboldtbaude wieder zugänglich zu machen. Das Gebäude ist inzwischen beräumt, die darin befindlichen Sammlungen in verschiedenen Depots eingelagert, jedoch die Zukunft ist ungewiss. Vor allem für den Sammlungsbestand des ehemaligen Ebersbacher Humboldtvereins steht eine sachgerechte Katalogisierung und Zustandsbewertung aus und sollte dringend nachgeholt werden, so Brajer. Dr. Gabriele Lang, Vorsitzende des Lusatia-Verbands e. V., schaltete sich hier sogleich ein, um erste Unterstützung bei der Suche nach einer Lösung für diese wichtige Aufgabe anzubieten.
Den letzten Vortrag vor der Mittagspause und der internen Mitgliederversammlung am Nachmittag trug Dr. Jens Buhlisch in Vertretung für Prof. Dr. Anton Sterbling (Rothenburg/O.L.) vor, welcher leider an diesem Tag erkrankt war. In dem Vortrag über die „Deportationen der Deutschen aus dem Banat“ berichtet Sterbling, selbst aus dem Banat als Teil der ehemaligen rumänischen Volksrepublik stammend, über die Arbeit zu seinen publizierten Erzählbänden, in denen Zeitzeugen ihre Deportation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die Sowjetunion sowie ihr Leben in den dortigen Arbeitslagern aus ihren Kindheitserinnerungen heraus beschreiben. Circa 33.000 Banater Schwaben wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit verschleppt, die Kinder älter als ein Jahr hatten. Für die damaligen Kinder waren es traumatische Erfahrungen, die sich in ihren Erzählungen widerspiegeln. So resümiert Sterbling in eindringlicher Weise, dass sich die dunklen Schatten des sowjetischen Lagersystems bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinziehen und dass die transgenerationalen Folgen keinesfalls unterschätzt werden dürfen. Diese bittere Erkenntnis mahnt – besonders vor dem Hintergrund der aktuellen kriegerischen Ereignisse in der Ukraine – den unschätzbaren Wert von Frieden nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
2010-2019
Oberlausitzer Bibliotheken und ihre Sammlungen
Herbsttagung der OLGdW am 1. und 2. November 2019 in Görlitz (in Kooperation mit den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur)
Die vielfältige Bibliothekslandschaft in der Oberlausitz bildete in diesem Jahr den Rahmen zu der im Johannes-Wüsten-Saal in Barockhaus Neißstraße 30 stattfindenden Herbsttagung unserer Gesellschaft. Die siebzehn im Programm angezeigten Vorträge ließen bereits Rückschlüsse auf das breit gefächerte Spektrum der vorzustellenden Büchersammlungen zu. Und in der Tat spannte sich der zeitliche Bogen von der mittelalterlichen Handschrift bis zur Online-Präsentation, wurden aktuelle Aufgabenstellungen wie Provenienzforschung, Bestandsbearbeitung und Digitalisierung thematisiert sowie Überblicke zur Geschichte und Gegenwart einiger Bibliotheken und ihrer Spezialbestände gegeben. Und schließlich wurde auch auf das enge Beziehungsgeflecht zu den „benachbarten“ Wissenschaften von Museologie und Archivwesen eingegangen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die fast 60 Teilnehmer erlebten eine abwechslungsreiche Tagung und zeigten sich mit dem gut strukturierten Programm sehr zufrieden.
Nach der Eröffnung durch den Präsidenten führte der erste Vortrag „Die Bibliothek in Bildern, oder: die Geburt des Museums“ von Prof. Dr. Volkhard Huth in die Frühgeschichte des modernen Museumsbegriffs ein. In einer heute leider nicht mehr vorhandenen Villa am Comer See trug der italienische Arzt, Geschichtsschreiber und katholische Bischof Paolo Giovio (1483-1552) eine Porträtsammlung zeitgenössischer Persönlichkeiten zusammen, bei der höchster Wert auf Authentizität der Abgebildeten gelegt wurde. Sein 1546 gedruckter Sammlungskatalog „Musaei Joviani Descriptio“ greift erstmals den aus der Antike überlieferten Begriff des Museums auf und führt diesen als Bezeichnung für unterschiedliche Sammlungen ein. Kai Wenzel knüpfte mit der Vorstellung der Kunst- und Raritätensammlung der Milichschen Bibliothek zu Görlitz an die enge Verbindung von Museum und Bibliothek an, die erst im ausgehenden 19. Jahrhundert aufgebrochen wurde. Auch die Sammlung des Schweidnitzer Juristen Johann Gottlieb Milich (1678–1726) vereinte wie selbstverständlich Bücher sowie Arteficalia und Naturalia, als sie 1727 der Stadt Görlitz testamentarisch übereignet wurde. Leider ist die Sammlungsgeschichte bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet. Wenngleich auch Verluste in den Beständen zu bedauern sind, so geben doch die nahezu lückenlos erhaltenen Kataloge umfassend Auskunft über Zu- und Abgänge dieser Kollektion. Ebenfalls noch nicht lückenlos nachvollziehbar ist das Schicksal der Stollberg-Roßlaschen Familienbibliothek. Dr. Lupold v. Lehsten stellte die im frühen 18. Jahrhundert gegründete und infolge von Besitzteilungen an unterschiedliche Linien gelangten Bibliothek vor und benannte einige der wichtigsten durch Exlibris ermittelte Glieder der Familie, die zur Mehrung der Sammlung betrugen. 1945 wurde der Bestand enteignet und gelangte zu großen Teilen an die Universitätsbibliothek Halle. Nach Ermittlung der Provenienz wurden die Bücher an die Familie restituiert. Zum Abschluss des ersten Vortragsblockes „Bibliotheken und Museen“ stellte die Leiterin der Städtischen Sammlungen Kamenz, Dr. Sylke Kaufmann, die Fortschritte des Lessing-Museums bei der Rekonstruktion der Büchersammlung Gotthold Ephraim Lessings vor. Ziel ist es, die 264 Bände zählende Privatbibliothek des Kamenzer Aufklärers durch Ankauf zeitgenössischer Buchausgaben zu rekonstruieren und dadurch einen sehr persönlichen Blick auf Lessings Interessen werfen zu können. Unter den bislang 109 Bände angeschafften Bänden sind u.a. Werke von Johann Gottfried Herder und Johann Joachim Winckelmann. Nach der Kaffeepause stellte Thomas Binder den Anwesenden anhand der Quellen im Stadtarchiv die wechselvolle Geschichte der Kamenzer Ratsbibliothek vor. Im Jahr 1666 als Bibliothek der Ratslateinschule angelegt, entgingen die Bücher 1707 einem verheerenden Stadtbrand, erhielten jedoch erst ab 1732 als besonders wertvolle Sammlung in enger Verflechtung mit der Schule wieder die entsprechende öffentliche Beachtung. 1819/20 fanden die Bücher dann in der Kapelle des Klostergartens eine eigene Aufstellung. Allerdings schwand im letzten Viertel des 19. Jh. erneut das Interesse an den überlieferten Bänden und erst mit der Schaffung neuer Räumlichkeiten im Jahr 1986 endete die Odyssee der in feuchte Kellerräume verbannten Bestände. Anlässlich ihres 350-jährigen Bestehens erschien 2016 eine Festschrift, die ausführlich Auskunft über die Wechselfälle dieser städtischen Büchersammlung gibt. Eine dagegen recht junge Bibliothek stellte Dr. Constanze Herrmann in ihrem Vortrag zur „Tauchritzer Volksbibliothek“ vor. Erst vor wenigen Jahren wurde diese im Pfarrhaus „wiederentdeckt“ und bearbeitet. Neben der dem dienstlichen Gebrauch dienenden Pfarrbibliothek entstand sie im ausgehenden 19. Jahrhundert als eine für jedermann zugängliche Leihbibliothek. Die Oberlausitzer Landstände unterstützten die Anschaffung von Büchern und reichten dazu aller zwei Jahre Mittel für die Gemeinden aus. Bei Anja Moschke, Archivarin des Staatsfilialarchivs in Bautzen, bildete ebenfalls eine „Wiederentdeckung“ den Anlass ihres Vortrages. Sie referierte über die auf einem Dachboden der Stadtbibliothek gefundenen Bestände der Staatlichen Fachstelle für Büchereiwesen des Regierungsbezirkes Dresden-Bautzen. Die Akten gestatten detailreiche, oft ortsbezogene Einblicke in die Organisation des Bibliothekswesens in den 1920er Jahren bis nach 1945. Besonders gut ist die enge Zusammenarbeit der Fachstelle mit NS-Organisationen belegbar. In den Jahren 2015–2019 erfolgte die Bestandsbildung und -bearbeitung, so dass die Aktenbestände nun für die Forschung zur Verfügung stehen. Dr. Steffen Menzel erhoffte sich mit seinem Überblick über die Nachlässe in der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz ebenso weitere Impulse für die Forschung. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert nahm die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften wissenschaftliche Nachlässe ihrer Mitglieder auf oder fügte Brief- und Manuskriptsammlungen verstorbener Oberlausitzer Persönlichkeiten ihren Sammlungen bei. Nach 1945 gelangten weitere Konvolute in die das Erbe bewahrende OLB. Bis heute ist jedoch nur ein Teil davon erschlossen. Selbst das gewaltige Handschriften- und Briefkonvolut der beiden Gründer der OLGdW Adolf Traugott v. Gersdorf und Karl Gottlob v. Anton ist bisher noch nicht vollständig bearbeitet. Ausnahmen bilden etwa das schriftstellerische und kompositorische Werk Leopold Schefers oder die Manuskriptsammlung zu Ehrenfried Walther v. Tschirnhaus.
Am zweiten Tag startete Martin Munke, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) mit einem Überblick zu Oberlausitzer Quellen in der SLUB. Dabei legte er das Schwergewicht auf moderne Recherchemöglichkeiten im Internet und führte einige digitale Verzeichnisse vor, wie die Sächsische Bibliografie, Firmenbriefkataloge, das Kartenforum, Sachsen Digital oder die umfangreiche Sammlung der Fotothek. In der SLUB wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Bestände thematisch und quantitativ zu erweitern und dabei den freien Zugang zu garantieren. Dr. Robert Langer referierte anschließend über in ein sehr erfolgreiches Projekt der Provenienzforschung an der Stadtbibliothek Bautzen. Von 2014 bis 2018 suchte er im Altbestand/Regionalkunde nach NS-Raubgut. Durch etwas mehr als 10.000 Autopsien konnte er 2.914 unterschiedliche Provenienzen ermitteln, unter denen sich 10 NS-Raubgutfälle befanden. Zu den dabei gemachten spektakulären Entdeckungen gehören Teile der verloren geglaubten Büchersammlung von Edith und Georg Tietz, Mitgliedern der jüdischen Berliner Kaufhausdynastie. Die Bücher sind inzwischen im OPAC der Stadtbibliothek mit den entsprechenden Markierungen transparent verzeichnet. Ein anderes, nicht weniger interessantes Projekt zur Provenienzforschung am Herder-Instituts trug Dr. Cornelia Briel vor, indem sie die Wege der Bibliothek der Publikationsstelle Berlin-Dahlem in der Zeit des Zweiten Weltkrieges nachzeichnete. 1931 war diese Stelle zur Förderung der deutschen Ostforschung als Abteilung des Preußischen Staatsarchivs gegründet worden, nahm aber in der Zeit des Dritten Reiches schließlich nur noch propagandistische Aufgaben der NS-Ideologie wahr und sammelte geraubte Buchbestände aus den im Krieg besetzten Gebieten. Infolge zunehmender Bedrohung wurden 1943 die Bestände nach Lehn bei Bautzen, Sornßig und in andere oberlausitzer Dörfer verlagert und gelangten schließlich nach Coburg. Dort fielen Teile einer sowjetischen Throphäenkommission in die Hände, andere Teile wurden 1950 dem gerade gegründeten Herder-Institut in Marburg übergeben. Das Projekt zur Ermittlung der Herkunft der Bücher lief zwischen 2016 und 2019.
Nach einer kurzen Pause eröffnete Schwester Thaddäa Selnack OCist. mit der Vorstellung von Bibliothek und Archiv des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern die Vortragsreihe zu Kloster- und Kirchenbibliotheken. In ihrem schwungvollen Vortrag gab sie zunächst kurze Einblicke in die Geschichte des Klosters sowie in das klösterliche Leben und leitete daraus die inhaltlichen Schwerpunkte der Bibliothek ab. So bestimmen religiöse Handschriften und Drucke vom Spätmittelalter bis heute im Wesentlichen den Kern der Büchersammlung. Darunter befinden sich allerdings auch sehr wertvolle Bände. Verluste traten leider ein, als die an des Kloster Osseg/Osek abgegebenen Bestände nach 1945 durch die Tschechische Regierung beschlagnahmt wurden. 1985 erfolgte auch ein Verkauf von Büchern an die SLUB. Das Archiv enthält sehr viele Akten zum Klosterbesitz, bedürfe jedoch einer zeitgemäßen Erschließung. Diese Ausführungen wurden durch Dr. Jan Zdichynec um Informationen zu den Bibliotheken in St. Marienthal und der ehemaligen Oybiner Büchersammlung ergänzt. Trotz der einmaligen Kontinuität der beiden Frauenklöster seit dem 13. Jahrhundert bis heute liegen nur wenige Kenntnisse zur Geschichte der Bibliotheken vor. Kataloge sind erst für das 19. Jahrhundert überliefert und Besitzvermerke bislang noch nicht genügend erforscht. Aus Oybin und Osseg sei bekannt, dass auch antike Autoren und Weltliteratur in den Klosterbibliotheken vorhanden waren. In den Frauenklöstern hingegen überwiegen Werke zu Gebet, Kontemplation und Liturgie. Dr. Christoph Mackert, Leiter des Handschriftenzentrums am Universitätsarchiv Leipzig, berichtete danach in seinem Vortrag von Untersuchungsergebnissen an Handschriften aus Klöstern und Kirchen der Oberlausitz. So wurden in den Jahren 2002–2005 aus der Domstiftsbibliothek Bautzen 292 Handschriften erfasst, die zwischen dem 12. und dem 20. Jahrhundert entstanden sind. Darunter befinden sich wertvolle Texte, wie etwa der als Unikat zu behandelnde „liber rosarius“ von 1460/80, der wohl als Kompilation von Bibel und Kirchenvätern zu lesen ist. Der Gesamtbestand ist inzwischen publiziert. Zu den bislang völlig unbekannten Bücherschätzen gehörten die 107 Handschriften aus der Pfarrbibliothek in Jauernick. In den Jahren 2010–2015 wurde die bis an den Beginn des 15. Jahrhunderts datierten Manuskripte bearbeitet. Als kleine Sensation stellte sich dabei ein aus dem Dominikaner-Kloster Lukau stammender Band aus dem Jahr 1510 heraus, der in einer Randnotiz den ältesten sorbischer Sprachbeleg enthält. Die mittelalterlichen Handschriften und Fragmente des Klosters Marienthal werden seit 2016 untersucht. Als Besonderheit gelten ein Graduale von ca. 1430-50 sowie ein Psalter aus dem 1. Drittel des 13. Jahrhunderts. Eine Handschrift stammt vermutlich aus dem Kloster Pforta und ist um 1174/75 zu datieren.
Nach der Mittagspause stellte Dr. Konstantin Hermann (SLUB) das laufende Projekt zur Digitalisierung der kriegsbedingt verlagerten Bestände Görlitzer Provenienz vor. Nach konstruktiven Verhandlungen des Freistaates Sachsen mit der Republik Polen ist es gelungen, die in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Breslau befindlichen Handschriften und Drucke aus ehemaligem Görlitz Bibliotheks- und Archivbesitz schrittweise zu digitalisieren und auf Sachsen-Digital online zu stellen. Im Jahr 2018 waren das ca. 90.000 Images, bis 2020 werden jährlich weitere 80.000 Images hinzukommen. Eine gemeinsam zwischen der SLUB und der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz erarbeitete Prioritätenliste dient dazu als Arbeitsgrundlage. Je nach Höhe der Bewilligung im Haushalt des Freistaates kann das Projekt im Jahr 2021 weitergeführt werden. Zum Abschluss der Tagung stellte die Leiterin des Archivverbundes Bautzen, Frau Grit Richter-Laugwitz, aktuelle Recherchemöglichkeiten von Akten- und Urkundenbeständen des Stadt- und Staatsfilialarchivs vor. Im Gegensatz zu den Bibliotheken gäbe es ein dem Landesdigitalisierungsprogramm entsprechendes Förderinstrument für die sächsischen Archive leider nicht. Daher nutze der Bautzener Archivverbund zu Publizierung seiner Bestände vorhandene Archivportale wie Archivportal-d.de bzw. Findbuch.net sowie für den Urkundenbestand des Stadtarchivs die Plattform Monasterium. Voraussetzung sei dafür die wissenschaftliche Erschließung der Bestände, wofür in den zurückliegenden Jahren sehr viel getan wurde. Der angekündigte Vortrag zur Online-Präsentation der Gelegenheitsschriften Christian Weises aus dem Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek Zittau entfiel krankheitsbedingt. In seinen Schlussworten dankte der Präsident den Referenten für ihre Wortbeiträge zu dieser gelungenen Tagung und bat um die Einreichung der Vorträge als Aufsätze für das Neue Lausitzische Magazin.
Dr. Steffen Menzel
Zäsuren der Oberlausitzer Landesgeschichte 1018 – 1268 – 2008 – 2018
Tagung der OLGdW gemeinsam mit dem Archivverbund Bautzen sowie dem Steinhaus e.V. im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres-Projekts 1000 Jahre Friede von Bautzen vom 1.11.-3.11.2018
Die diesjährige Herbststagung der OLGdW war in das Verbundprojekt „1000 Jahre Friede von Bautzen“ im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 eingebettet. Traditionell findet die Herbsttagung der OLGdW am ersten Novemberwochenende statt, wobei wir in diesem Jahr den Rhythmus insoweit durchbrochen haben, dass wir die Tagung bereits Donnerstag, den 01. November 2018 am späten Nachmittag mit einer Führung zu den historischen Orten Bautzens sowie dem einführenden Festvortrag beginnen ließen. Kai wenzel nahm uns dabei auf interessante Weise zu den einschlägigen, bis heute im Stadtbild vorhandenen hochmittelalterlichen Zeugnissen mit. Nach den Eröffnungs- und Grußworten des Präsidenten der Gesellschaft Dr. steffen menzel und des Oberbürgermeisters der Stadt Bautzen, Alexander ahrens, hielt Vizepräsident Dr. lars-arne dannenberg seinen abendlichen Festvortrag. In seinen Ausführungen ging er auf den scheinbaren Zwang ein, Jubiläen zu feiern und die damit verbundenen Zäsuren zu würdigen. Wichtiger sei es jedoch, die damit angestoßenen Prozesse und nicht die fixen Daten in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen. Dies gelte auch für die im Tagungstitel genannten Jahreszahlen.
Den Auftakt der Vorträge am Freitag bildete der Bericht von Frau Dr. Friederike Koch-Heinrichs, Leiterin des Museums der Westlausitz in Kamenz, über die Ergebnisse der jüngsten Grabungsaktivitäten an der Burg Kopschin. Diese Doppelwallanlage in unmittelbarer Nähe eines nur wenige Anwesen zählenden Dorfes bei Crostwitz offenbarte ihren Gesamtcharakter erst nach einer geomagnetischen Messung im Jahr 2017. Dabei konnte ein durch einen Graben gesichertes Suburbium lokalisiert werden, dessen Nachweis im Boden partiell gelang. Die relativ aufwändigen Grabungen erbrachten allerdings nur wenige archäologische Funde. Die in Füllschichten gefundenen mehr als 2000 Keramikfragmente entstammen größtenteils der spätslawischen Epoche des 10. bis 12. Jahrhunderts. 28 Münzen, darunter auch solche Kölner und Tübinger Prägung sowie Schlüssel datieren sogar erst in das 13. bis 14. Jahrhundert oder sind noch jünger.
Dr. Thomas Westphalen, Leiter der Abteilung Archäologische Denkmalpflege am Landesamt für Archäologie in Sachsen, stellte den umfangreichen slawischen Burgenkomplex der Oberlausitz vor, der jedoch in den Schriftquellen kaum Widerhall findet. Das Wissen über die tatsächliche Nutzung dieser Anlagen ist noch immer gering, da Grabungen nur im Vorfeld von Baumaßnahmen möglich sind und systematische Grabungen bislang fehlen. Dies gilt auch im Besonderen für den Zentralort der Oberlausitz, die Bautzener Ortenburg. Immerhin konnte in der Kernburg eine bis in das 12. Jahrhundert reichende dichte Bebauung mit Holzhäusern und Bohlenwegen nachgewiesen werden, die in ihrer Ausführung mit den Grabungsergebnissen auf dem Meißner Burgberg vergleichbar ist. Bis zum Entstehen der eigentlichen Stadt im Zuge der Hochkolonisation erschöpfte sich der Siedlungsbestand Bautzens offenbar auf dieses Gelände.
Dr. Wolfgang Ender, Referatsleiter Tagebauarchäologie Oberlausitz am Landesamt für Archäologie, gab Einblicke in die seit Jahren laufenden Untersuchungen an und in den Tagebauen Reichwalde und Nochten. In dramatischen Bildern wurde nicht nur die Zerstörung der Landschaft gezeigt, sondern auch die Arbeit der Archäologen gewürdigt, die Zeugnisse der Besiedelung vor der Zerstörung bergen und so für die Nachwelt bewahren. Anhand ausgewählter Objekte, wie den Eisenhämmern in Viereichen und Mochholz oder dem Chinesischen Turm des Fürsten Pückler, führte er die Vielschichtigkeit der Fundkomplexe anschaulich vor Augen.
Dr. Jens Bulisch, Kaplan in Crostwitz, entführte dann direkt in die Zeit des Bautzener Friedens im Jahr 1018 und widmete sich insbesondere der noch immer in Teilen umstrittenen Schenkungsurkunde König Heinrichs II. für die Bischöfe von Meißen aus dem Jahr 1006/7 mit der umstrittenen Lokalisierung der Burgwarde Godobi, Ostrusna und Trebista. Die Schwierigkeiten bei der Analyse der Urkunde beginnen bereits bei der Datierung und auch bei dem gemeinhin als sicher identifizierten Göda sei mit guten Gründen durchaus Skepsis angebracht.
Dr. Jens Beutmann, Ausstellungskurator am Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz, präsentierte u.a. einen Animationsfilm zum Frieden von Bautzen 1018, der eigens für die Dauerausstellung des Museums als thematische Einführung produziert wurde.
Am Nachmittag führte eine Busexkursion in das Bautzener Umland, um Stationen des Landesausbaus und der Besiedlung in situ vorzustellen. Ein erster Halt galt der erst vor wenigen Jahren identifizierten mittelalterlichen Turmhügelburg in Bolbritz, die mit ihren mächtigen Mauern eine gute Vorstellung vom Aussehen solcher Anlagen bot. Das auf einer sanften Erhebung unweit von Schmochtitz gelegene Milleniumsdenkmal für die Slawenapostel Cyrill und Methodius war das nächste Ziel. Die danach besuchten Herrschaftsanlagen in Gröditz zeigten anschaulich die Aufeinanderfolge der Siedlungsvorgänge von einer slawischen Burg über ein festes Haus des 16. Jahrhunderts bis zu einer barocken Gutsanlage. Die Fahrt nach Weißenberg bildete den Abschluss der Exkursion. Hier ließ sich exemplarisch das Muster einer Stadtgründung mit Anlage eines durch Verkehrsachsen tangierten Marktes, der geradlinigen Absteckung von Siedlungsarealen und des genormten Kirchenbaues in der Zeit des Landesausbaues erklären.
Den Abschluss des zweiten Tages bildete die Vorstellung des Landkreises Bautzen durch Landrat Michael Harig. Anhand einer wahren Zahlen-, Daten- und Bilderflut ließ der Landrat die vergangenen zehn Jahre seit der Kreisgebietsreform 2008 Revue passieren. Ein jüngst produzierter Imagefilm stellte zahlreiche Facetten des Landkreises vor.
War der Freitag vor allem von archäologischen Referaten geprägt, konnte Jan Bergmann-Ahlswede am Sonnabendvormittag die von Dr. Ender tags zuvor erläutere archäologische Untersuchung im Gelände des heutigen Tagebaus Reichwalde aus der Perspektive des Historikers ergänzen und erweitern, wenngleich zu diesem Landstrich eine relative Quellenarmut herrscht. Dass daraus keineswegs auf eine erst später einsetzende Besiedlung und einen herrschaftlichen Ausgriff geschlossen werden darf, zeigte sich anhand der vorgestellten siedelführenden Geschlechter, die sich hier ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert einen Wettlauf im Ringen um den Landesausbau lieferten. Die Anlage des späteren Marktflecken Daubitz deutete der Referent als steckengebliebenen Stadtgründungsversuch.
Dr. Jasper von Richthofen, Leiter der Görlitzer Sammlungen, synthetisierte im Anschluss die siedlungskundliche Forschung der letzten einhundert Jahre und hinterfragte zahlreiche festgefügte Grundsätze. So sei die bis heute vorherrschende Ansicht, dass Rundlinge auf slawische Weiler zurückzuführen seien, wohl nicht haltbar, da sich in den Dörfern keine slawischen Funde zeigten. Lediglich in der Feldmark ließe sich entsprechendes archäologisches Material finden, was eher Streusiedlungen nahelege. In einem zweiten Abschnitt seines Vortrages skizzierte er die Entwicklungsstufen von Görlitz zwischen 900 und 1250 und schlug den Bogen von der villa Goreliz zur civitas Görlitz.
Kai Wenzel, Kurator am Kulturhistorischen Museum Görlitz, warf die Fragen auf, welche Entwicklungsstufen der städtische Ausbau durchlief und welche Motivation sich dahinter verbarg. In vergleichender Perspektive zeigte er anhand zahlreicher Beispiele die aus den jeweiligen topographischen Situationen ablesbaren Siedlungsetappen seit der Gründung Oberlausitzer Städte im Hochmittelalter. Als wesentlichen Antrieb für deren Anlage bezeichnete er die Schaffung von Warenumschlagplätzen entlang der Hohen Straße, die damit den jeweiligen Stadtherren an den vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen partizipieren ließ.
Jan Tomášek, einst Student bei Prof. Josef Žemlička und heute als Lehrer an einem Prager Gymnasium tätig, stellte überblicksartig den Wandel der landesherrlichen Ordnung Bautzens und der Oberlausitz im Verlauf des Mittelalters dar, wie er sich aus den einschlägigen chronikalischen Überlieferungen präsentiert.
Lars-Gunter Schier erweiterte anhand recht unscheinbarer Objekte, wie kleiner frühhochmittelalterlicher Denare, den numismatischen Horizont der Tagungsteilnehmer und ging auf die Wirtschaftswelten an der Nahtstelle deutscher und slawischer Kultur- und Herrschaftsräume ein. Ausgehend von der Münzreform unter Karl dem Großen, ließ er die monetäre Entwicklung bis zu den Eigenprägungen der Städte Bautzen, Görlitz und Zittau sehr anschaulich Revue passieren. Zum Schluss seines Vortrages stellte er das bis heute anhaltende polnische Erinnerungsgedenken an Boleslaw Chrobry im Münz- und Medaillenbild vor.
Die Herbsttagung 2018 versammelte eine erfreuliche Anzahl von Fachkollegen und interessierten Gästen. Die abwechslungsreiche thematische Mischung der Vorträge sowie die beiden Exkursionen boten einen komprimierten Einblick in eines der zentralen Themen der Oberlausitzer Landesgeschichtsforschung. Der Austausch neuer Forschungsergebnisse sowie das Aufzeigen von Desideraten und Forschungsperspektiven machte die Zusammenkunft zu einer ertragreichen und gleichsam anregenden Konferenz.
Bericht zur Herbsttagung vom 3. bis 4. November 2017 in Ebersbach-Neugersdorf
Bericht zur Frühjahrstagung am 22. April 2017 in Görlitz
von Jan Bergmann-Ahlswede
Für ihre traditionelle Frühjahrstagung hatte sich die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften in diesem Jahr mit der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat zusammengetan. Der Mitteldeutsche Kulturrat wurde 1955 als Verein (seit 1976 Stiftung) in Westdeutschland gegründet, um in länderübergreifender Zusammenarbeit „die mitteldeutschen Beiträge zur deutschen Kultur“ zu pflegen, wie es in der Satzung der Stiftung heißt. Seit der Deutschen Wiedervereinigung veranstaltet der Kulturrat Tagungen und Vorträge in den Neuen Bundesländern und gibt darüber hinaus auch das „Mitteldeutsche Jahrbuch für Kultur und Geschichte“ heraus. Die Moderation hatte in gewohnter pointierter Form der Vizepräsident der OLGdW, Dr. Lars-Arne Dannenberg, übernommen, wodurch der Vortragsmarathon kurzweilig verlief.
Nach einleitenden Grußworten des Präsidenten der OLGdW, des Präsidenten des Mitteldeutschen Kulturrates und Vertretern der Stadt Görlitz hielt Präsident Dr. Steffen Menzel die Laudatio auf den diesjährigen Träger des Hermann-Knothe-Preises, Christoph Hanzig. Hanzig hatte eine Arbeit zur Geschichte des Euthanasieprogrammes für Kinder und Jugendliche in Großschweidnitz zur Zeit des nationalsozialistischen Dritten Reiches als Preisschrift eingereicht und gewonnen. Der Autor setzte sich in seiner Darstellung und ebenso in seinem Festvortrag eindrücklich mit der fatalen Situation der als „nicht arbeitsfähig“ bezeichneten Heimbewohner in den Oberlausitzer Heimen von Großhennersdorf und Großschweidnitz auseinander. Nach der Schließung der Großhennersdorfer Einrichtung im September 1940 wurden die Kinder und Jugendlichen nach Großschweidnitz zur weiteren Unterbringung oder aber direkt nach Pirna-Sonnenstein verbracht, wo sie durch Vergasung ermordet wurden. Aber auch in Großschweidnitz fanden Tötungen statt. Mit Hilfe von Medikamenten sollten die Kinder ruhiggestellt werden, was fürderhin zur gesundheitlichen Beeinträchtigung und schließlich auch zum frühzeitigen Versterben führte. Aber auch eine menschenunwürdige Unterbringung in Kälte und bei sehr schlechter Nahrungsversorgung führte zum Tod vieler Heimbewohner. Nach der Schließung der Kinderabteilung in Leipzig-Dösen und der Verlegung nach Großschweidnitz stieg die Zahl der vorgeblich an Lungenentzündung verstorbenen Kinder und Jugendlichen gegen Ende 1943 rapide an. Den Höhepunkt erreichten die Tötungen im Februar 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Ziel der Heimleitung und der verantwortlichen Ärzte war es vermutlich, das Heim zu leeren, da das Ende des Krieges abzusehen war. Der verantwortliche Arzt Dr. Mittag, gegen den nach Kriegsende Ermittlungen eingeleitet worden waren, beging Suizid.
Nach dem Festvortrag des Hermann-Knothe-Preisträgers folgte nun schon zum dritten Mal auch die Verleihung des Jacob-Böhme-Preises der Internationalen Jacob-Böhme-Gesellschaft e. V. Die Bewerber waren dieses Mal aufgefordert, eine Arbeit zum Thema „Jacob Böhmes ‚Reformation der Reformation‘ und sein Verhältnis zu Martin Luther“ einzureichen. Den Preis erhielt Martin Renghart für eine sprachwissenschaftliche Arbeit, in der er Böhmes Rezeption von sprachlichen Bildern Martin Luthers untersuchte.
Im Anschluss an diese beiden Preisverleihungen folgten verschiedene Buchvorstellungen. Der Mitteldeutsche Kulturrat stellte seine bereits traditionsreiche Publikationsreihe „Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte“ vor. Besonders hervorgehoben wurde der Band 24 (2017) mit dem Reformationszeitalter und der Kulturlandschaft Oberlausitz als Themenschwerpunkten. Tino Fröde stellte mit dem „Biographischen Lexikon der Mitglieder der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. 1779–1945“ das 528-seitige Ergebnis seiner mehrjährigen akribischen und verdienstvollen Recherchearbeit zu nicht weniger als 2.040 Persönlichkeiten vor. Das Lexikon kann schon jetzt als Standardwerk für die Geschichte der Wissenschaftslandschaft Oberlausitz angesehen werden. Dr. Steffen Menzel präsentierte im Anschluss das von ihm und dem Namenforscher Prof. Dr. Walter Wenzel verfasste Buch „Sorbische Personennamen der östlichen Oberlausitz“, das eine lange bestehende namenkundliche Lücke schließt. Im Rahmen der Forschungen zu diesem Werk waren für den Zeitraum von 1305 bis 1750 allein 455 Personennamen ermittelt worden, die der Forschung bis dato unbekannt waren. Herkunftsnamen von Personen geben darüber hinaus Auskunft über die frühe Geschichte zahlreicher Ortschaften in der Region. So konnten auch zahlreiche Ortsersterwähnungen deutlich vordatiert werden. Dr. Constanze Herrmann stellte ihr Buch „Das Physikalische Kabinett zu Görlitz“ vor. Dabei handelt es sich um einen Abdruck ihrer Dissertationsschrift. Der mit ca. 500 Abbildungen reich illustrierte Band enthält auch einen umfassenden Katalog der ca. 300 noch vorhandenen Elektrisiermaschinen und anderen Versuchsgeräten aus der Sammlung des Privatgelehrten Adolf Traugott von Gersdorff (1744–1807), die einst ca. 650 Objekte umfasste.
Nach einer kurzen Kaffeepause folgte der Vortragsblock. Den Aufschlag machte Dr. Rudolf Bentzinger mit seinem Beitrag „Jakob Böhme im Gang der Geschichte der deutschen Sprache und der Sprachphilosophie“. Böhme sah die menschliche Einfalt als wesentliche Voraussetzung für das Christuserleben an. Und da, der Lutherischen Tradition folgend, die Muttersprache als die Sprache der Einfältigen galt, verstand Böhme das Deutsche als heilige Sprache. Dr. Michael Ludscheidt schloss an diesen Vortrag mit seiner Darstellung der Biografie des schlesischen Juristen und Literaten Georg Schöbel von Rosenfeld (1640–1680) an. Schöbel hatte zahlreiche Studienreisen durch Südeuropa unternommen, war 1640 mit dem Namen „Der Himmlischgesinnte“ Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft geworden und gilt als spiritus rector der schlesischen Literatur seiner Zeit. In seiner Heimatstadt Breslau hatte er darüber hinaus verschiedene öffentliche Ämter inne, u. a. unterstanden ihm die Bibliotheken der Stadt. Der 1670 in den Adelsstand erhobene Gelehrte musste schließlich jedoch Schlesien verlassen und lebte zuletzt in Magdeburg. Über den Güterbesitz des berühmten kursächsischen und königlich polnischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl (1700–1763) in Kursachsen und vor allem in der Oberlausitz berichtete die Kunsthistorikerin Ivonne Makowski und wies damit auf ein augenfälliges Desiderat in der Landesgeschichtsforschung hin. Brühl besaß in der Region umfangreichen Grundbesitz. Das verzerrte Bild von Brühl, das die Geschichtswissenschaft nur mühsam zu überwinden vermag, hatte aber auch Einfluss auf seine Sichtweise als Rittergutsbesitzer. Wie erste sondierende Forschungen der vergangenen Jahre zeigten, bedarf diese aber zukünftig einer Neubewertung. Anja Moschke, Leiterin des Staatsfilialarchives Bautzen, stellte im Anschluss die Geschichte des Landständischen Lehrerseminars in der Oberlausitz vor, das vor 200 Jahren auf dem Bautzener Burglehn eröffnet wurde und zu dem sich einschlägige Bestände im Bautzener Archiv erhalten haben. Das Lehrerseminar hatte eine lange Vorgeschichte. Nachdem das Oberlausitzer Schulwesen nach dem Siebenjährigen Krieg brach gelegen hatte, entspann sich auf den Bautzener Landtagen eine langwierige Debatte zwischen Städten und Landständen um die Finanzierung und Organisation einer solchen Anstalt. Letztlich schieden die Städte, die einst die Debatte angestoßen hatten, aus dem Vorhaben aus und die Schulstiftung wurde auf die Landsteuerkasse übertragen. 1817 konnte endlich die Einrichtung eröffnet werden. Einen Ein- und Überblick in ihre Forschungen gab auch Barbara Mazurek. Sie referierte über Dorfschullehrer in Kursachsen und der Oberlausitz vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen stand u.a. die Einbettung des Dorfschulwesens in die lokalen Kirchgemeinde- und grundherrlichen Strukturen. Der Vergleich mit den kursächsischen Verhältnissen zeigt, dass die Dorfschullehrer in der Oberlausitz einem größeren sozialen Druck ausgesetzt waren. Das letzte Referat des Tages hielt Katarzyna Zinnow über die Provenienzforschung zur NS-Raubkunst in den Görlitzer Sammlungen. Da man im Zweiten Weltkrieg einen Großteil der Sammlung des Museums auf Schlösser und Herrenhäuser im Görlitzer Vorland östlich der Neiße auslagerte, um das Kulturgut eigentlich vor Luftangriffen auf die Stadt zu schützen, gingen ca. 80 Prozent der Bestände als Kriegsverluste verloren. Heute gelten nach aktuellem Stand der Untersuchungen zehn Exponate in den Görlitzer Sammlung als im Verdacht stehend, NS-Raubkunst zu sein. Sie stehen im Zusammenhang mit Erwerbungen von einer Anzahl Kunsthändlern, die z. T. in Raubkunstgeschäfte während der NS-Zeit involviert waren. Jedoch wird auch von einer Dunkelziffer unbekannter Große ausgegangen, da viele Sammlungsstücke im Tausch erworben worden waren und somit ihre Provenienz heute nur noch schwer zu ermitteln ist. Zum Abschluss der Herkunftsrecherchen, die seit 2016 laufen, sollen die Ergebnisse in die Internetdatenbank Lost Art eingepflegt werden.
Bericht zur Herbsttagung vom 3. bis 5. November 2016 in Görlitz
von Ivonne Makowski, Jan Bergmann und Arnold Klaffenböck
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften richtete ihre diesjährige Herbsttagung im traditionsreichen Görlitzer Barockhaus in der Neißstraße aus, und erfreulich viele Interessierte waren der Einladung gefolgt. Diesmal stand mit Carl Adolph Gottlob von Schachmann (1725–1789) einer der Gründer der OLGdW im Fokus, der sicherlich zu den faszinierendsten und vielfältigsten Persönlichkeiten des Oberlausitzer Adels gehörte. Sein Leben, Schaffen und Wirken im Spannungsfeld von Aufklärung, Pietismus und Adelskultur auszuloten, bemühten sich die thematisch breit gefächerten Fachvorträge in Görlitz bzw. in Königshain. Vor dem Symposion wurde vom Präsidium der OLGdW der schon lange ersehnte Band zur äußerst erfolgreichen Herbsttagung von 2011 in Hoyerswerda präsentiert. Die Publikation mit dem Titel „Zwischen mächtigen Fürsten. Der Adel der Oberlausitz in vergleichender Perspektive (16.–19. Jahrhundert)“ erlaubt nun, die meisten der damaligen Vorträge nachzulesen und schließt eine wichtige Lücke in der heimischen Forschungsliteratur. Prof. Volkhard Huth, der Leiter des mitveranstaltenden Instituts für Personengeschichte Bensheim, skizzierte einleitend in seinen „Annäherungen an Schachmann“ die vielschichtige Persönlichkeit, die sich einer angemessenen Beschreibung zu entziehen scheint, sowie zugleich den Forschungsrahmen, den eine künftige Biografik betreten müsste, ehe in der Sektion 1 „Herrnhutische Religiosität & Netzwerke“ die Grundlagen bereitet wurden. Prof. Frank Lüdke (Marburg) stellte dabei das Verhältnis von Pietismus und Aufklärung dar, stellte anhand einer Typologie Überschneidungen als Divergenzen fest, die gleichwohl eher der retrospektiven wissenschaftlichen Analyse entstammen, als dass sie von den Zeitgenossen selbst als Typenbezeichnung wahrgenommen worden wäre. Prof. Alexander Schunka (Berlin) verortete die „Oberlausitz zwischen Pietismus und internationalem Protestantismus“ und konnte zeigen, dass das Markgraftum trotz der vermeintlichen Randlage durchaus in die damals aktuellen Bewegungen und Ideen eingebunden war. Dr. Julia Schmidt-Funke (Jena) stellte unter dem Titel „Bräute Christi. Frauen und Männer im Pietismus“ Frauen aus dem Umfeld Schachmanns vor, wobei es sich um einen Topos aus Zinzendorfs Religionsverständnis handelt. Dr. Peter Vogt (Herrnhut) schließlich gab zum Verständnis von Schachmanns Wirken eine Einführung zur „Herrnhuter Brüdergemeine“, deren Entwicklung wie deren Religionsverständnis.
Am Freitag setzten sich mehrere Mitarbeiter des Kulturhistorischen Museums Görlitz mit „Schachmann als Wissenschaftler, Künstler und Sammler“ auseinander. Zunächst stellte Matthias Franke Schachmann als Zeichner vor. Das Erlernen der Zeichenkunst war ein fester Bestandteil adliger Ausbildung im 18. Jahrhundert, es diente sowohl der Geschmacksbildung als auch dem natur- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. So befindet sich in den Sammlungen des Kulturhistorischen Museums Görlitz eine Reihe von Handzeichnungen Schachmanns, die seine mannigfaltigen künstlerischen Interessen anschaulich belegen. Ein besonderes Augenmerk legte Franke auf Schachmanns zeichnerische Auseinandersetzung mit archäologischen Stätten und seine eigenständige fantastische Vervollständigung antiker Tempel. Darüber hinaus trat Schachmann als Bauzeichner für sein neu zu errichtendes Schloss in Königshain sowie als Dokumentarist der geologischen Formationen der Königshainer Berge in der Umgebung seines Rittergutes in Erscheinung. Darüber hinaus beschäftigte sich Schachmann aber auch mit den aufgeklärten, geistigen Strömungen seiner Zeit, was seine Beschäftigung mit dem französischen Philosophen Voltaire verdeutlicht. Eine tiefe Freundschaft verband Schachmann mit dem Maler Adrian Zingg, der seit 1764 an der Dresdener Kunstakademie tätig war. Letzterer unterstützte Schachmann in seinem künstlerischen Schaffen, indem er ihn mit Arbeitsmaterial versorgte oder Korrekturen an seinen eigenständig angefertigten Radierungen vornahm. Franke machte in diesem Zusammenhang deutlich, welche Hochachtung Schachmann mit seinen dilettantischen Zeichnungen und Radierungen in Künstlerkreisen genoss, was in dem Wunsch des damaligen Akademiedirektors Christian Ludwig von Hagedorn mündete, ihn als seinen Nachfolger zu sehen. Im nächsten Vortrag rekonstruierte Kai Wenzel die ehemals beeindruckende druckgrafische Sammlung Schachmanns anhand überkommener Grafiken und Kataloge im Görlitzer Museumsbestand. Das Sammeln von Druckgrafik war ebenso wie das Erlernen der Zeichenkunst im 18. Jahrhundert in adligen wie bürgerlichen Kreisen weit verbreitet. Allerdings ordnete Wenzel Schachmanns Motivation hierfür, gemäß einer Nennung verschiedener Sammlertypen in dem „Raisonnirenden Verzeichniß der vornehmsten Kupferstecher und ihrer Werke“ von Johann Caspar Füssli, über das bloße Repräsentationsbedürfnis hinaus dem Streben nach Erkenntnis und Geschmacksbildung durch das Studieren druckgrafischer Werke zu. So genoss die mit ca. 700 Blatt eher kleine, aber qualitativ hochkarätige Sammlung Schachmanns, die sich auf französische und englische Revolutionsgrafik konzentrierte, bereits zu Lebzeiten des Adligen öffentliche Bekanntheit. Unmittelbar nach Schachmanns Tod gelangte nur ein Teil der Blätter in den Besitz der OLGdW. Der im Königshainer Schloss verbliebene Rest wurde, zusammen mit der dortigen Bibliothek, erst 1941 von der Stadt Görlitz erworben. Deren Inventarisierung und wissenschaftliche Erschließung hält bis heute an und fördert vor allem bei den Genredarstellungen Darstellungen zutage, die K. Wenzel durch kunsthistorische Vergleiche als Raritäten auf dem damaligen Kunstmarkt identifizieren konnte, wodurch Schachmanns exzellente Kennerschaft und sein hoher Anspruch bei der Auswahl der Blätter einmal mehr deutlich wird. Anschließend referierte Dr. des. Constanze Herrmann über den Naturwissenschaftler Schachmann und ging ausführlich auf seine Überlegungen zu dem damals sensiblen Thema des Blitzschutzes ein. So besaß er nicht nur einen ausgewählten Fachbuchbestand hierzu, sondern publizierte 1782 seine eigenen Beobachtungen während eines sogenannten „Wetterschlages“ in Königshain einschließlich Konstruktionszeichnungen über einen bestmöglichen Blitzableiterstandort auf seinem Rittergut. In zweiten Teil des Vortrags ging C. Herrmann auf andere fortschrittlich gesinnte, miteinander in Kontakt stehende Männer ein, darunter der Augustinerabt Johann Ignaz von Felbiger und Adolf Traugott von Gersdorff, die bereits zwischen 1770 und 1772 Blitzableiter jeweils auf dem Turm der Stifts- und Pfarrkirche im schlesischen Sagan bzw. auf dem Rittergutsbesitz in der Oberlausitz errichten ließen. Als Fazit bleibt daher festzuhalten, dass Schachmann als ökonomisch Denkender und in seinem Streben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Erzielen praktischen Nutzens für die Menschheit ein typisches Kind seiner Zeit war. Nach der Kaffeepause berichtete Lars-Gunter Schier (Seifhennersdorf) über die numismatische Sammeltätigkeit Schachmanns und ging dabei auf seine antiken Münzen sowie deren Verkauf an das Historische Münzkabinett auf Schloss Friedenstein in Gotha ein. Anhand eines von Schachmann eigens für seine Münzsammlung angelegten Kataloges bestätigte der Vortragende auch hier das Bild eines leidenschaftlichen Sammlers, der weder Kosten noch Mühen gescheut hätte, um eine anspruchsvolle Auswahl zusammenzutragen. Inspiriert von römischen Münzen entwarf Schachmann die Huldigungsmünze der Oberlausitzer Stände für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. im Jahr 1769. Ein an der Sandsteinpalme im Schlosspark von Schmochtitz angebrachtes, geringfügig abgewandeltes Medaillon dieser Münze erinnert bis heute an jenes Ereignis. Die Sektion beendete Dr. Jasper von Richthofen, Leiter des Görlitzer Museums, mit seinem Bericht über Schachmann als Sammler von „Altertümern“. Bei Letzteren handelt es sich weniger um „Altertümer“ im engeren Sinn, sondern überwiegend um Alltags- oder Kultgegenstände indigener Völker. Anhand schriftlicher Überlieferungen Schachmanns hierzu konnte er einmal mehr als ein Mensch umrissen werden, der sich auch bei fremdartigen Gegenständen über die bloße Beschreibung hinaus Gedanken zu deren Sinn und Zweck machte. In Schachmanns Bemühen, sich das Leben der Altvorderen zu vergegenwärtigen, schloss er jedoch auch bei lokalen Funden allzu oft auf deren römischen Ursprung, selbst wenn es sich tatsächlich um keltische Gegenstände handelte. Nachmittags knüpfte Ines Haaser (Kulturhistorisches Museum Görlitz) mit ihren Überlegungen zu Schachmann und seinem Rittergut Königshain an die Referate des Vormittags an. Eine aussagekräftige Rekonstruktion des gutsherrschaftlichen Betriebs fällt schwer, da es für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts keine quellenkundlichen Überlieferungen von Wirtschaftsakten gibt. Auch in Schachmanns Bibliotheksbestand ist kein einziges Buch zur Landwirtschaftsgeschichte nachweisbar, weshalb die Frage offen bleibt, inwiefern er sich in das Führen seines Gutsbetriebs einbrachte. Ein interessanter Hinweis zu Schachmanns ökonomisch fortschrittlichem Denken findet sich allerdings in Akten zur Merinoschafzucht in Kursachsen, die dem Land zur wirtschaftlichen Gesundung nach dem Siebenjährigen Krieg dienen sollte. So gehörte der Königshainer Gutsherr zu einer Gruppe von 20 Auserwählten, die 1765 erste Merinoschafböcke erhielten, um eine eigene veredelte Zucht aufzubauen. Im Anschluss daran hinterfragte Dr. Lars-Arne Dannenberg (Zentrum für Kultur//Geschichte), Vizepräsident der OLGDW, Schachmanns Motive zu der mit ihm in Verbindung gebrachten sog. „Bauernbefreiung“. Dabei sprach er dem Königshainer Gutsherrn ein primär altruistisches Denken gegenüber seinen Untertanen ab und verwies darauf, dass Schachmann vor allem nach dem für Kursachsen verheerenden Siebenjährigen Krieg die wirtschaftliche Belebung seiner Güter im Blick gehabt hätte, als er seinen Untertanen anbot, sich gegen ein entsprechendes jährliches Dienstgeld von einem Teil ihrer Frondienste freizukaufen. Da dies im ausgehenden 18. Jahrhundert trotz alledem eine außergewöhnliche Neuerung darstellte, betonte L.-A. Dannenberg auch bei dieser Facette Schachmanns hohe experimentelle Aufgeschlossenheit, wodurch er zu einem Wegbereiter der späteren Bauernablösungen im 19. Jahrhundert wurde. Nachfolgend wurde hauptsächlich die Frage diskutiert, wie sich der Ausgleich für die auf dem Königshainer Gut zu erbringenden Arbeiten gestaltete und inwiefern nunmehr zu entlohnende Tagelöhner für den Gutsbesitzer teurer war als bäuerliche Frondienste. Schließlich beleuchtete Dr. Rüdiger Kröger (Hannover) Schachmanns Bildungsweg und seine Reisen, die für vieles, was bislang im Rahmen der Tagung über seine vielfältigen Interessen vorgestellt worden war, die Grundlagen bildeten. Der Referent beschrieb die spannende Zeit während Schachmanns Kavalierstour in den 1740er Jahren durch zahlreiche europäische Länder, wo er sich durch Streit mit seinem Vater vor allem auf der Flucht vor diesem befand. In der symptomatischen Reaktion Schachmanns, in persönlichen Krisen fluchtartig zu verreisen, zeichnete R. Kröger ein Verhaltensmuster nach, das sich offenbar durch das Leben des Adligen zog. Abgerundet wurde der intensive Tagungsfreitag von zwei Führungen durch die Sammlungen im Barockhaus. Matthias Wenzel wies die Teilnehmer des Symposions durch die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, wo im Lesesaal eine Auswahl an gut erhaltenen sowie dringend restaurierungsbedürftigen Büchern aus der ehemals Schachmannschen Bibliothek bereitlag. Kai Wenzel leitete fachkundig durch die Räume des Kulturhistorischen Museums, in denen sich u. a. von Schachmann gesammelte Exponate befinden. Den Höhepunkt bildete eine Kabinettausstellung grafischer Blätter, die Schachmann entweder selbst gefertigt hatte oder von ihm für seine einstige private Sammlung erworben worden waren. Der Abendvortrag lag in den Händen von Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard (Berlin/Alsbach-Hähnlein) Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees für das UNESCO-Programm „Weltdokumentenerbe“. Unter dem Titel „‚Königshainer Elysium‘ – Auf dem Weg zum Kulturerbe – Chancen und Risiken“ machte der Redner deutlich, wie facettenreich die bereits unter Schutz gestellten Kulturgüter sind und welche Aktualität die Unterschutzstellung weiterer Objekte weltweit besitzt. In Bezug auf eine mögliche Kandidatur der Stadt Görlitz um den Weltkulturerbetitel motivierte J.-F. Leonhard zum neuerlichen Nachdenken über das städtebauliche Besondere der Stadt. Im Anschluss lud der Präsident der OLGdW, Dr. Steffen Menzel, die Anwesenden zum Empfang. Tags darauf besuchten die Teilnehmer des Symposions die Lebens-, Arbeits- und Wirkungsstätten Schachmanns in Herrnhut und Königshain. Vorerst steuerte der Bus Schloss Berthelsdorf an, das Anfang der 1720er Jahre für Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und Pottendorf auf seinem Rittergut errichtet wurde. Bei einer Besichtigung des Gebäudes, das nach jahrelangem Verfall durch aufwändige Sanierung vor der Vernichtung gerettet werden konnte, beeindruckte besonders die Türe zum ehem. Arbeitszimmer Zinzendorfs, auf der die ältesten erhaltenen Herrnhuter Losungen bei der Restaurierung sichtbar geworden waren. Das schlichte Bauwerk verkörpert einen Prototyp des Herrnhuter Barock und gab zusammen mit den benachbarten ehem. Wohnhäusern der Unitätsdirektoren einen Vorgeschmack auf Herrnhut. Vom Altan des Hutbergs warfen die Exkursionsteilnehmer einen Blick auf die planmäßig angelegte Exulantenstadt, um über den streng geometrischen Gottesacker zu den Gräbern Schachmanns bzw. denen seiner beiden Ehefrauen zu gelangen. Weitere Stationen des Rundgangs bildeten das frühere Wohnhaus Schachmanns in Herrnhut, jetzt Heimatmuseum, der Vogtshof mit dem Sitzungssaal der Herrnhuter Brüdergemeine sowie dem Gemeinsaal. Nach dem Mittagessen im früheren Herrschaftshaus Zinzendorfs ging die Fahrt weiter nach Königshain. Hier hatte Schachmann nach dem Siebenjährigen Krieg in Erweiterung seines Guts das Neue Schloss samt Park anlegen lassen. Im Gartensaal der von Schachmann selbst entworfenen Anlage erläuterte Dr. Matthias Donath (Zentrum für Kultur//Geschichte) anhand von Entwurfszeichnungen sowie Referenzbauten den Besuchern die Planungs- und Baugeschichte des Schlosses, das zu den wichtigsten Beispielen Oberlausitzer Schlossarchitektur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zählt. Dabei machte er deutlich, dass sich hier Einflüsse aus dem französischen Barockklassizismus bzw. dem sächsischen Rokoko im Gefolge der Dresdener Architekten Johann Christoph Knöffel und Friedrich August Krubsacius widerspiegeln. Nach der Kaffeepause, die sinnigerweise im früheren Küchenpavillon des Schlosses genossen wurde, zeichneten Kirsten Krepelin und Thomas Thränert (Berlin) die Entstehung und Ausformung der reich gegliederten Parklandschaft von Königshain nach, die sich heute teils im französischen, teils im englischen Stil präsentiert. Abschließend wurde der Garten einschließlich des Denkmals für Schachmann erkundet, ehe die einsetzende Dunkelheit und der Regen zur Rückkehr nach Görlitz drängten. Es war eine intensive Tagung, die nicht nur viele Facetten Schachmanns freigelegt hat, sondern eben auch den Blick auf das zeitgenössische Umfeld freigab und geradezu zu einer Weiterbeschäftigung auffordert.
Bericht zur Frühjahrstagung vom 22. und 23. April 2016 in Görlitz
Jan Bergmann, Dresden
Traditionell bildet die liebevoll restaurierte historische Altstadt von Görlitz die ehrwürdige Kulisse für die alljährliche Frühjahrstagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften e.V. Hier, am Untermarkt, befindet sich das 1804 von ihrem maßgeblichen Mitgründer Karl Gottlob von Anton (1751–1818) unserer Wissenschaftsgesellschaft zur Verfügung gestellte Stammhaus: das Barockhaus Neißstraße 30. Im Johannes-Wüsten-Saal des Hauses fanden sich auch in diesem Jahr wieder etwa sechzig Mitglieder und Gäste zusammen, um am 22. und 23. April die Beiträge der Tagung zu hören und sich an der Diskussion zu beteiligen.
Am frühen Freitagabend eröffnete der Präsident der OlGdW, Dr. Steffen Menzel, die Konferenz mit Grußworten an die Teilnehmer. Den gelungenen Auftakt zum Tagungsprogramm bot wieder der traditionelle Abendvortrag. In diesem Jahr stellte Prof. Dr. Anton Sterbling von der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/O.L. "Ausgewählte Aspekte der subjektiven Sicherheit im Landkreis Görlitz" vor. Grundlage seiner Ausführungen bildeten empirische Untersuchungen in der Region, die in den Jahren zwischen 1998 und 2014 in den Städten Hoyerswerda und Görlitz sowie im Landkreis Görlitz stattgefunden haben. Durch die in seinen Kernfragen identischen Fragebögen ließen sich nicht nur direkte Vergleiche in den urbanen Zentren der Oberlausitz erstellen, sondern auch Unterschiede und Analogien zum ländlichen Raum herausarbeiten. Dabei spielten allgemeine Fragen zur Zufriedenheit mit Verkehrsanbindungen, mit sozialer und kultureller Infrastruktur oder den Wohnverhältnissen eine ebenso wichtige Rolle, wie das persönliche Empfinden der öffentlichen Sicherheit, der Kriminalitätsfurcht oder mögliche Opfererfahrungen. Mit der nunmehr siebenten Erhebung im Jahr 2014 lassen sich inzwischen klare Entwicklungstendenzen im zeitlichen Verlauf erkennen, aus denen Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheitslage ableitbar werden.
Der Tagungssamstag begann für die Teilnehmer um neun Uhr am Vormittag mit der Eröffnung durch den Präsidenten, der das Programm des Tages vorstellte. Im Anschluss richtete unser Mitglied Dr. Jasper von Richthofen, Direktor des Kulturhistorischen Museums, als Vertreter der Stadt Görlitz einige Grußworte an das Publikum und leitete zur anschließenden Verleihung des Hermann-Knothe-Preises des Jahres 2015 über. Er betonte dabei die Rolle des Wissenschaftspreises der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften als deutlichen Beweis für Vorhandensein einer lebendigen Forschungslandschaft Oberlausitz.
Mit seiner Laudatio würdigte Präsident Dr. Menzel im Anschluss die eingereichte Abhandlung der diesjährigen Preisträgerin Frau Dr. Lubina Mahling. Die aus Bautzen stammende und heute in Spitzkunnersdorf lebende Historikerin und Theologin hatte einen Aufsatz verfasst, in dem sie einen wichtigen Forschungsaspekt ihrer Dissertation über Friedrich Caspar Graf von Gersdorf (1699–1751) und die Sorben vertiefte. "Pietistische Bildung in der Lausitz – Das Hallesche Waisenhaus als Vorbild von Lausitzer Schulanstalten und Waisenhäusern" lautete der Titel der ausgezeichneten Preisschrift. In ihrem Vortrag, der an die Preisverleihung anschloss, stellte Frau Dr. Mahling wesentliche Eckpunkte ihrer Arbeit vor. Ausgehend von der Darstellung der Schulstruktur der Franckeschen Stiftung in Halle erläuterte sie die Entstehungsgeschichte der pietistischen Schulen und Waisenhäuser in der Ober- und der Niederlausitz, die, angefangen 1699 in Bautzen, innerhalb eines halben Jahrhunderts hier errichtet worden waren. Die Dichte der Anstalten in der Region war mit nicht weniger als zwölf Häusern einmalig. Als maßgeblicher Initiator der Einrichtungen tat sich in der Lausitz vor allem der Adel hervor. Insbesondere der genannte Graf von Gersdorf, Amtshauptmann der Oberlausitz und Herr auf Uhyst/Spree und Klix, wurde von der Preisträgerin für ihre Untersuchung in den Blick genommen. Im Jahr 1737 hatte er das Klixer Seminar gegründet, das in erster Linie als pietistische Schulungsstätte für junge Theologen diente, die auf ein Pfarramt in den sorbischsprachigen Dörfern der Lausitz vorbereitet werden sollten. Aber auch Lehrer für Dorfschulen wurden hier ausgebildet. Ein besonderes Merkmal der zahlreichen kleinen Anstalten war die Herausgabe von pietistischen Publikationen, die über ein gemeinsames Netzwerk schnell verbreitet werden konnten.
1743 verlegte man die Klixer Anstalt nach Uhyst/Spree und änderte ihre Schulstruktur ab. Nun wurden Jungen und Mädchen, darunter auch wenige Adlige, aus der Region in einer Art Internat untergebracht und ausgebildet. Ein eigens errichteter, herrschaftlicher Schulbau, der heute als sanierungsbedürftige und weitgehend leerstehende Hülle einer besseren Zukunft harrt, beherbergte einst ca. 170 Schüler und das zugehörige Personal. 1756 wurde das Haus wieder geschlossen. Es war die Gemeinde, die sich aber 1784 dazu entschloss, die Schule wieder zu eröffnen. Einer ihrer bekanntesten Schüler war der spätere Standesherr, berühmte Gartengestalter und Schriftsteller Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871).
Als Grund für die Häufung der pietistischen Anstalten in der Lausitz nach Halleschem Vorbild identifizierte die Preisträgerin die, aufgrund ihrer besonderen Verfassung vergleichsweise liberale Religionspolitik in den Markgraftümern. Sie gestattete es den Grundherren – dies waren in der Mehrzahl die adligen Rittergutsbesitzer –, selbst über konfessionelle Fragen in ihrem Einflussbereich zu befinden. Hinzu kam aber auch die besondere Grenzlage der Lausitzen als Faktor. Zahlreiche Religionsflüchtlinge aus Schlesien und Böhmen fanden hier eine neue Heimat und die Möglichkeit, ihren protestantischen Glauben auszuüben. Nicht wenige von ihnen fassten in den Dörfern und Kleinstädten pietistischer Grundherren Fuß. Der Pietismus hält letztlich einen großen Anteil am Entstehen der heutigen Bildungslandschaft Lausitz.
Nach der Verleihung des Hermann-Knothe-Preises und dem Referat der Preisträgerin stellte der Leiter der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz (OLB) und Sekretär unserer Gesellschaft, Matthias Wenzel, ein wichtiges aktuelles Erschließungsprojekt seines Hauses vor. "Gersdorf und Anton im Netz – Sächsisches Landesdigitalisierungsprogramm ermöglicht Online-Zugang zu 1.200 Büchern und Handschriften der OLB" lautete der Titel seines Vortrages. Mit ihrer Teilnahme am Landesdigitalisierungsprogramm betrat die Görlitzer Bibliothek Neuland, denn bis 2015 hatte die OLB aus technischen, personellen und auch infrastrukturellen Gründen keine eigenen Digitalisierungsprojekte betreiben können. Die Initiatoren des Landesdigitalisierungsprogrammes wollten die „Digitalisierung in die Fläche bringen“. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies die Bereitstellung finanzieller Mittel für die kleineren Bibliotheken des Freistaats, die nun unter Anleitung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) eigene Digitalisierungsprojekte umsetzen können. Die OLB ging diesen Schritt im Oktober des abgelaufenen Jahres 2015. Ziel ist es, die bisher noch nicht durch andere Initiativen (wie etwa durch das Unternehmen Google in Verbindung mit der Bayerischen Staatsbibliothek) andernorts digitalisierten, urheberrechtsfreien Lusatica zu scannen, digital aufzubereiten und schließlich im Internet zugänglich zu machen. Bereits in den wenigen Monaten bis Ablauf des Jahres 2015 konnten schon ca. 1.100 Bande digitalisiert werden. Da aber noch Kapazitäten frei waren, konnte das Projekt um einige Monate verlängert werden und so ein besonderes Schrifterbe auf gleichem Wege zugänglich gemacht werden: die Reisetagebücher und der Briefwechsel der Gründer unserer Gesellschaft Adolf Traugott von Gersdorff (1744–1807) und Karl Gottlob (von) Anton (1751–1818). Ab Mai 2016 sollen die Digitalisate der OLB über die „Digitalen Sammlungen“ der SLUB freigeschaltet werden.
Im Anschluss an den Vortrag von Matthias Wenzel erhielt der Numismatiker Lars-Gunter Schier aus Seifhennersdorf das Wort. Er erinnerte mit seinen Ausführungen zum heute verschollenen Wasserschlebenschen Münzkabinett zu Görlitz an die bemerkenswerten Wurzeln der numismatischen Forschungstradition in der Oberlausitz vor dem Zweiten Weltkrieg. 1908 hatte der Berliner Numismatiker mit familiären Wurzeln in Görlitz Ernst von Wasserschleben (1862–1908) letztwillentlich verfügt, dass die Neißestadt als seine Universalerbin auch seine herausragende Münzsammlung erhalten solle. Die Wasserschlebensche Sammlung zählte zu den größten ihrer Art in ganz Deutschland und enthielt zum Teil ausgesprochen wertvolle und seltene Stücke. Untergebracht war die Münzkollektion in der 1898 bis 1902 errichteten Oberlausitzer Gedenkhalle bzw. in dem dort eingerichteten Kaiser-Friedrich-Museum im östlich der Neiße gelegenen Stadtteil von Görlitz. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Fluss zur neuen Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen. Auch die Oberlausitzer Gedenkhalle, heute Kulturhaus der Stadt Zgorzelec, fiel damit an Polen. Noch während des Krieges hatten Museumsmitarbeiter die Wasserschlebensche Münzsammlung zusammen mit anderen Gegenständen unter der Haupttreppe des Gebäudes eingemauert. Jedoch wurde das Depot bald nach Kriegsende gefunden. Seit dem gilt die Sammlung als verschollen, wenngleich die Fachwelt dennoch die Hoffnung hegt, die heutigen Verwahrorte von Teilen der Sammlung mit der Zeit ermitteln zu können.
Ganz ohne Münzen war die an den Vortrag von Herrn Schier anschließende Kaffeepause zu bestreiten. In bewährter Weise hatten die Organisatoren der Tagung wieder für Erfrischungen und Gebäck gesorgt.
Etwa um elf Uhr begann der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Heyo E. Hamer über Adolf zur Lippe (1812–1888), einen Pionier der Homöopathie. Da Prof. Hamer leider verhindert war, wurde sein Vortrag dankenswerterweise von unserem Präsidiumsmitglied Kai Wenzel verlesen. Adolf Graf und Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld wurde in See bei Niesky als ältester Sohn des dortigen Rittergutsbesitzers Ludwig Graf und Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld (1781–1860) und seiner Frau Eleonore Auguste, geb. Gräfin von Hohenthal (1795–1856), geboren. Seine pietistischen Eltern, zu denen sein Verhältnis von Kindheit an äußerst schwierig war, ließen ihn in einem Pädagogium der Herrnhuter erziehen. Als junger Erwachsener ging er nach Berlin, um ein Jurastudium zu beginnen. Dieses brach er jedoch ab, um ein Medizinstudium zu beginnen. Sein Lebenswandel und die eigenmächtige Änderung seines Ausbildungswegs ließen den Konflikt zwischen Vater und Sohn immer wieder offen ausbrechen. Adolf zur Lippe verstand es, zu provozieren. Sein tiefgläubiger Vater hatte ihn einst vom Militärdienst befreien lassen. 1830/31 bezog Adolf jedoch aus eigenem Antrieb die Dresdner Militärakademie.Doch auch diese Ausbildung brach er wieder ab. Zwischen 1831 und 1836 befand er sich auf steter Flucht vor seinen Gläubigern und den Wachdiensten. 14. Mal soll er in dieser Zeit im Gefängnis gesessen haben. 1836 kehrte er mittellos und ohne abgeschlossene Ausbildung in das Elternhaus zurück. Sein Vater, der ihn enterbt hatte, begegnete ihm wiederholt mit Gewalt. Und so reifte in Adolf zur Lippe der Wille auszuwandern. Mit Hilfe seiner Herrnhuter Freunde gelang ihm das auch. Er erhielt eine Stelle als Schiffsarzt und setzte so nach Amerika über. In den USA wurde er auch von Herrnhutern aufgenommen. Nachdem er die Idee zur Gründung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes namens „New See“ wieder fallengelassen hatte, begann er eine Ausbildung zum Homöopathen und durchlief nun eine beeindruckende Karriere. 1865 berief man ihn bereits zum Fakultätspräsidenten. Prof. Dr. med. Adolf zur Lippe eröffnete schließlich in Philadelphia eine eigene homöopathische Praxis. Adolf zur Lippe und sein Vater waren beide als Herrnhuter erzogen worden. Diese Erziehung brachte aber bei beiden sehr unterschiedliche Charaktereigenschaften hervor, die sie voneinander entfremdeten und ihr Verhältnis zueinander zerstörten. Während der Vater eine gefühlskalte Selbstdisziplin zu seiner Lebensmaxime erklärt hatte, hatte der Sohn den neugierigen Drang in die Welt verinnerlicht.
Dr. Carsten Krautz, der für seinen entschuldigten Kollegen Dr. Mathias Ullmann kurzfristig eingesprungen war, schloss mit seinem Bericht über die Arbeit der 2003 gegründeten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus-Gesellschaft an den Vortrag über Adolf zur Lippe an. Der Referent gab einen weiten Überblick über die zahlreichen Projekte und Erfolge der Tschirnhaus-Gesellschaft, aber auch über Rückschläge, die zwar einige Vorhaben, nicht aber den Willen ihrer Mitglieder ausbremsten. Am Schluss konnte Herr Dr. Krautz jedoch ein positives Fazit ziehen, indem er auf zahlreiche Ideen und Projekte mit Zukunftspotential verwies.
Bevor es in die wohlverdiente Mittagspause ging, folgte noch das inzwischen traditionsreiche Junge Forum, dass die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften anlässlich jeder Frühjahrstagung anbietet, im Tagungsprogramm. In diesem Jahr stellte Dipl.-Ing. Arch. Andrzej Bruno Kutiak sein Dissertationsprojekt zur Architekturgeschichte frühneuzeitlicher Herrenhäuser in der Ostoberlausitz, das der junge Forscher aus Polen zurzeit in München betreibt, vor. Die Herrenhäuser und Schlösser in der Ostoberlausitz gehören zu den bisher wohl am stärksten in der Forschung vernachlässigten Anlagen ihrer Art in diesem Teil Europas. Der Referent betritt mit seiner Untersuchung hier weitgehend Neuland, profitiert aber bereits von der Vorarbeit, die zwei unserer Mitglieder vor wenigen Jahren geleistet haben: Dr. Lars-Arne Dannenberg und Dr. Matthias Donath hatten bereits 2011 mit dem Band „Schlösser in der polnischen Oberlausitz“ ein erstes umfassendes Überblickswerk zur einstigen herrschaftlichen Wohnkultur im polnisch gewordenen Teil der Oberlausitz vorgelegt.
Damit war der Vortragsteil der diesjährigen Frühjahrstagung nach einem erkenntnisreichen Freitagabend und Sonnabendvormittag abgeschlossen. Nach der Mittagspause, die alle Tagungsteilnehmer individuell nutzen konnten, eröffnete unser Präsident Dr. Steffen Menzel am Nachmittag um 14 Uhr die obligatorische, nichtöffentliche Mitgliederversammlung. Und um 16 Uhr bot sich schließlich für die noch Anwesenden die Gelegenheit einer Ausstellungsbesichtigung im Schlesischen Museum am Görlitzer Untermarkt. Die Ausstellungsmacherin Frau Dr. Martina Pietsch führte die Gäste persönlich durch die Sonderschau "Die große Not. Erinnerungen an Kriegsende und Nachkriegszeit" – einer Objektpräsentation, die mit dem großen Engagement zahlreicher privater und institutioneller Leihgeber aus Görlitz und Umgebung zusammengestellt werden konnte und noch bis zum 24. Juli 2016 im Schlesischen Museum zu sehen ist.
Bericht zur Herbststagung vom 20. und 22. November 2015 in Schloss Krobnitz
Jan Bergmann, Dresden
Die Herbsttagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften im Jahr 2015 fand in Kooperation mit dem Verein für sächsische Landesgeschichte vom 20. bis 22. November auf Schloss Krobnitz bei Reichenbach statt. Das diesjährige Tagungsthema war durch ein Jubiläumsereignis bestimmt, dass für ganz Sachsen, insbesondere aber auch für die Oberlausitz von großer historischer Bedeutung ist. Vor zwei Jahrhunderten, im Jahr 1815, teilten in Wien die Großmächte Österreich, Russland, Preußen, Vereinigtes Königreich und Frankreich das postnapoleonische Europa neu auf. Da der erste Sächsische König Friedrich August I. (1750–1827) zuvor lange Zeit ein Anhänger und Günstling Napoleons gewesen war, wurde Sachsen als Verlierer der Napoleonischen bzw. Koalitionskriege behandelt.
Preußen hegte schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Ambitionen zur Einverleibung Sachsens und wollte nun die Gelegenheit des Wiener Kongresses nutzen, um dieses alte Vorhaben in die Tat umzusetzen. Dies löste langwierige Verhandlungen mit den anderen europäischen Mächten aus. Allen voran Österreich, das bereits 1742 Schlesien an Preußen verloren hatte, hatte ein großes Interesse am Fortbestehen zumindest eines sächsischen Reststaates. Nur so konnte eine direkte Grenzlinie zwischen dem habsburgischen Böhmen und Preußen entlang des Erzgebirgskammes vermieden werden. Auch etwa das Vereinigte Königreich befürchtete mit der vollständigen Annexion Sachsens durch Preußen einen zu großen Machtzuwachs für die Hohenzollernmonarchie und damit ein Ungleichgewicht der europäischen Kräfte.
Im Ergebnis der Wiener Verhandlungen verständigte man sich schließlich u. a. auf erhebliche Gebietsabtretungen Sachsens an Preußen bei Beibehaltung eines Königreichs Sachsen in entsprechend verringerter Größe. Die Folge war die Teilung des sächsischen Staatsgebiets. Auch quer durch die Oberlausitz wurde eine neue Grenze, weitgehend ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Strukturen, gezogen. Der gesamte nordöstliche Teil wurde Preußen angegliedert, während der südwestliche Landesteil bei Sachsen verblieb.
Die für die Oberlausitz so folgenreiche und noch bis in die Gegenwart mancherorts spürbare Teilung hatte große Auswirkungen auf Politik, Verwaltung und Kultur. An einem Ort wie Krobnitz, nur wenige Kilometer von der ehemaligen sächsisch-preußischen Grenze entfernt, wird dies in architektonischer Form sichtbar. Das Schloss, das in seinem Kern noch auf ein barockes Herrenhaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zurückgeht, wurde 1873 durch den ehemaligen preußischen Kriegs- und Marineminister und kurzzeitigen preußischen Ministerpräsidenten Graf Albrecht von Roon (1803–1879) im neoklassizistischen Stil als Altersruhesitz ausgebaut. Als optisches Vorbild gilt das Preußische Kriegsministerium in Berlin – die einstige Wirkungsstätte Roons. Heute dient die vor wenigen Jahren umfassend restaurierte Anlage – Schloss, Alte Schmiede und Park – als Museum und Veranstaltungsort.
Dieses herrschaftliche Ambiente bildete nun den Rahmen für die diesjährige Herbsttagung mit dem Titel „Sachsen und der Wiener Kongress 1815 – Grenzziehungen und Identitäten.“ Als Tagungsraum diente das bereits vielfach bei solchen Anlässen bewehrte Dachgeschoss der sogenannten Alten Schmiede.
Am Freitagabend eröffnete Dr. Matthias Donath die Reihe der Fachvorträge mit einer umfangreichen Vorstellung der neuesten Forschungsergebnisse zu der Fragestellung, unter welchen Kriterien die Aufteilung Sachsens im Jahr 1815 vorgenommen worden war. Es wurde aufgezeigt, dass nicht ausschließlich militärstrategische Bemühungen Preußens ausschlaggebend waren, sondern den Gebietsverschiebungen vielmehr demografische und fiskalische Berechnungen zugrunde lagen. Zudem waren diese Zuordnungen das Ergebnis langwieriger Aushandlungsprozesse, bei denen mehrere Varianten diskutiert wurden. Die unterschiedlich verhandelten Gebiete wurden nun erstmals in moderner kartografischer Form sichtbar gemacht und von Donath präsentiert. Im Anschluss an den Vortrag lud der Präsident Dr. Steffen Menzel die 25 anwesenden Tagungsteilnehmer des Abends zu einem kleinen Empfang.
Der Tagungssamstag, der von gut fünfzig Gästen besucht worden war, begann am Morgen mit einem ausführlichen Einführungsvortrag von Prof. Dr. Winfried Müller über die ereignisreichen Stationen sächsisch-preußischer Geschichte, von der Reformationszeit bis zum Vorband des Wiener Kongresses. Er zeigte dabei das wechselnde Kräfteverhältnis der beiden Kurfürstentümer und späteren Königreiche auf, das die Vorbedingungen für die Ereignisse des Jahres 1815 schuf.
Im Anschluss gab Sven Brajer einen atmosphärischen Einblick in das öffentliche Leben in Görlitz während und nach der Preußischwerdung. Es wurde in der Stadt preußischen Garnison eingerichtet und es kam zu einem Umbau der städtischen Verwaltung, verbunden mit der Verschiebung ehemals sächsischer Beamter in andere Kommunen und der Einsetzung preußischer Beamter, was letztlich auch eine Ablösung der frühneuzeitlichen Stadtverfassung bewirkte. Anhand des ersten Oberbürgermeisters Gottlob Ludwig Demiani (1786–1846) zeigte Brajer aber auch auf, wie es zunehmend zu einem guten Zusammenwirken städtischer und staatlicher Eliten und der Integration der ehemals sächsischen Bevölkerung in den preußischen Staat sowie zu wesentlichen Weichenstellungen in der Frühindustrialisierung kam.
Nach einer kurzen Kaffeepause sprach Dr. Konstantin Hermann über die Loyalitätskonflikte innerhalb der sächsischen Bevölkerung vor dem Hintergrund einer heraufziehenden Annexion sächsischer Gebiete durch Preußen im Jahr 1815. Demnach war eine Aufspaltung der Gesellschaft in Preußenfreunde, mithin Befürworter, und Preußengegner durch alle sozialen Schichten zu beobachten. Der preußische Staat untersuchte die Einstellung der sächsischen Bevölkerung genau. Die Lausitzen, so konstatierte Hermann, müssen für den fraglichen Zeitraum mehrheitlich als sachsenfreundlich und auch königstreu eingestuft werden. Die Gründe dafür lagen vermutlich in der relativen Sicherheit der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Lausitzer Markgraftümer unter sächsischer Hoheit. Doch auch hier gab es Befürworter eines Anschlusses an Preußen, so z.B. unter den Vertretern von Handel und Gewerbe. Es wurde aber auch deutlich, dass die Oberlausitz für Preußen wohl nie explizit, sondern nur als Teil Sachsens interessant war.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen bot der als Präsident der OlGdW aber auch als Geschäftsführer des Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbundes zweifache Gastgeber Dr. Steffen Menzel eine Führung durch das Schloss Krobnitz an. Gezeigt wird hier unter anderem eine Ausstellung zum Leben und Wirken des einstigen Hausherrn Graf Albrecht von Roon. Ein gemeinsamer Spaziergang in den Schlosspark von Krobnitz führte die Tagungsteilnehmer anschließend zur Familiengruft der Roons.
Die Vortragssektion des Nachmittags eröffnete Dr. Jens Bulisch mit einem anschaulichen Einblick in das Verhältnis des langjährigen französischen Außenministers Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754–1838) zur sogenannten Sächsischen Frage. Großes Augenmerk legte der Referent dabei auf die biografischen Stationen des berühmten Diplomaten der Sattelzeit. Auch seine Spuren in der Oberlausitz wurden dabei aufgedeckt. So stand er beispielsweise in engem Kontakt zur Gräfin Auguste Charlotte von Kielsmannsegg (1777–1863), die u. a. auf dem Rittergut Schmochtitz bei Bautzen ihren Wohnsitz hatte und als glühende Anhängerin Napoleons galt. Auch Talleyrand nahm auf dem Wiener Kongress Einfluss auf die Teilung Sachsens. Eine Teilung der Oberlausitz lehnte er jedoch ab.
Dr. Lutz Vogel setzte mit seinem Vortrag „Zerstörte Pfähle, zerrissene Dörfer und geistliche Loyalitätskonflikte. Alltag und Grenzziehung 1815 in der Oberlausitz“ die Beschreibung der Ereignisse in der Oberlausitz im Nachgang des Wiener Kongresses fort. Er beschrieb insbesondere die lokalen unmittelbaren Auswirkungen der Grenzziehung quer durch das Markgraftum. Da diese in sehr vielen Fällen ohne Rücksicht auf gewachsene lokale Strukturen erfolgt war, führte dies zu erheblichen Beschwernissen für die Landbevölkerung, etwa durch nun zerschnittenes Grundeigentum, geteilte Kirchspiele, unterbrochene Infrastruktur und beschnittene Netzwerke in Gesellschaft und Handel. Der Widerstand der betroffenen Bevölkerung fiel in Anbetracht dessen aber vergleichsweise subtil aus, z.B. durch die Beschädigung von Grenzpfählen. Erst allmählich konnten in den folgenden Jahrzehnten einzelne lokale Sonderregelungen für die Grenzregion die eine oder andere Situation ein wenig entschärfen.
Nach einer weiteren Kaffeepause am Nachmittag folgte der letzte Vortrag des Tagungssamstags. Der Leipziger Vermessungsingenieur Frank Reichert gab einen anschaulichen Überblick über die technischen Aspekte der Grenzziehung durch die Oberlausitz in den Jahren 1815 und 1816. Zunächst widmete er sich der Frage, welche Kartenwerke zunächst den Verhandlungspartnern während des Wiener Kongresses bei der Teilung Sachsens zur Verfügung gestanden hatten. Im Anschluss wies er auf die Bedeutung der im Zuge der Vermessungen von 1815/16 entstandenen Grenzbandkarten der gemeinsamen Grenzenkommission als zentralen Quellenbestand der Oberlausitzer Teilung hin. In ihnen sind sehr detailliert der präzise Verlauf der Grenze sowie die genauen Standorte der stets nebeneinander platzierten sächsischen und preußischen Grenzsteine festgehalten.
An der fast dreistündigen Exkursion am Sonntag, die die Tagung beschloss, haben fünfzehn Personen teilgenommen. Manfred Steinmann, der in jahrelanger Feldforschung jeden der sächsisch-preußischen Grenzsteine aufgesucht und selbst die verschollenen Exemplare wiedergefunden hat, gab eine Führung zu ausgewählten Steinen in der näheren Umgebung des Tagungsortes. Von Borda bei Reichenbach ging es entlang der einstigen sächsisch-preußischen Grenze bis nach Gebelzig. Herr Steinmann engagiert sich seit Jahren für den Erhalt und die Restaurierung der Grenzsteine.
Bericht zur Frühjahrstagung am 24. und 25. April 2015 in Görlitz
Arnold Klaffenböck, Salzburg
Die diesjährige Frühjahrstagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften e. V. im Barockhaus in der Görlitzer Neißstraße fiel mit einem kleinen Jubiläum zusammen. Im 236. Jahr ihres Bestehens feierte die gleichsam als Kind der Aufklärung 1779 begründete OLGdW den 25. Jahrestag ihrer Wiederbegründung nach der politischen Wende in Deutschland 1989/90. Erfreulich rege war das Interesse der zahlreich erschienenen Teilnehmer und äußerst vielfältig das Spektrum der Beiträge dieser Tagung.
Dr. Jasper von Richthofen, Direktor des Kulturhistorischen Museums Görlitz, wies in seiner Begrüßung auf das gegenseitige Geben und Nehmen der hier etablierten Institutionen hin und sprach den Wunsch aus, bei der Zusammenarbeit künftig noch stärker mit der OLGdW zusammenwirken zu wollen. Grußworte des Präsidiums überbrachte Kai Wenzel, der auch die Moderation des Freitagabends übernahm.
Der Eröffnungsvortrag von Dr. Boris Böhm, Leiter der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, widmete sich ganz dem Leben und Wirken Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und Jänkendorfs (1765–1836), dessen Geburtstag sich zum 250. Mal jährte. Der auf Schloss See bei Niesky geborene Jurist, Politiker und Gutsherr in Oppach stammte aus einer der einflussreichsten und ältesten Adelsfamilien der Oberlausitz. Unter dem Pseudonym Arthur Nordstern erlangte er auch als Schriftsteller gewisse literarische Bedeutung. Sein Präsidentenamt der OLGdW, die für ihn zur geistigen Heimat wurde, fiel in die krisengebeutelte Zeit der Napoleonischen Kriege bzw. der Landesteilung der Oberlausitz durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses. Von seiner starken sozialen und karitativen Gesinnung kündete u. a. das schon 1794 in Oppach begründete Armenhaus. Die politische Laufbahn führte den Amtshauptmann des Bautzener Kreises nach Dresden, wo er als Oberkonsistorialpräsident der evangelischen Kirche, der Leipziger Landesuniversität sowie den Landesschulen vorstand. Als Direktor der Kommission für die Landes-, Straf- und Versorgungsanstalten trug er für die Heil- und Pflegeanstalt auf Schloss Sonnenstein in Pirna Verantwortung, schließlich rückte er zum Staatsminister im Königreich Sachsen auf, ehe er 1831 seinen Abschied nahm. Von seiner Naturverbundenheit, den schöngeistigen Interessen und dem dichterischen Fleiß zeugen z. B. die Ausgestaltung des Oppacher Schlossparks, sein Engagement für das Bautzener Theaterprojekt sowie Veröffentlichungen in der „Lausitzischen Monatsschrift“ bzw. im „Lausitzischen Magazin“.
Ähnlich wie im Vorjahr konnte auch heuer wieder der Hermann-Knothe-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vergeben werden. Diesmal ging er an Sven Brajer (Dresden) und damit an ein Mitglied unserer Gesellschaft. In seiner Laudatio würdigte Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, S. Brajers Arbeit als ein bislang eher rares Beispiel für die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem wesentlichen Kapitel Oberlausitzer Wirtschaftsgeschichte, die über weite Strecken noch der gründlichen Erforschung harre. S. Brajer schenkte seine Aufmerksamkeit dem wirtschaftlichen Strukturwandel in der südlichen Oberlausitz auf dem Gebiet des Textilgewerbes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Anhand von zwei Firmen – jener von Carl Gottlieb Hoffmann aus Neugersdorf und der von Hermann Wünsche aus Ebersbach/Sa. – zeichnete er den Übergang heimischer Betriebe von der handwerklichen zur industriellen Produktion und den damit verbundenen Wandel von Infrastruktur, Technik und Arbeitsmethoden nach. Dieser Prozess wurde verstärkt in den 1850er-Jahren wirksam und beschleunigte sich angesichts der ökonomischen Dynamik mit der Reichsgründung 1871 und der sprunghaft wachsenden Bevölkerungszahl. Hoffmann, der 1833 das Neugersdorfer Stammhaus zur Herstellung von Webbrettern erworben und ein Jahr später Handwebstühle aufgestellt hatte, wurde zu einem der größten Verleger für Textilwaren. Ab 1862 ging er serienmäßig zur Mechanisierung der Produktion über und galt 1875 als der größte Textilfabrikant Sachsens. Im benachbarten Ebersbach gründete Wünsche 1868 seine Firma zunächst als Handweberei, ehe 1870–1872 die Stammfabrik errichtet wurde, die zur bedeutendsten Fabrik Ebersbachs aufstieg. Beide Firmengeschichten veranschaulichten die parallel dazu ablaufenden, gravierenden Veränderungen des gesellschaftlich-sozialen Gefüges: Die früheren Hausweber verließen ihre häuslichen Produktionsstätten und verdingten sich als Fabrikarbeiter. S. Brajer machte deutlich, dass die Weberdörfer der südlichen Oberlausitz mit ihrem ausgeprägten Verlegerwesen im 17./18. Jahrhundert geradezu ideale Bedingungen boten zur industriellen Textilproduktion im 19./20. Jahrhundert. Letztlich waren sie die Voraussetzung für die Entstehung der Textilregion Oberlausitz.
Ebenfalls im Rahmen der Frühjahrstagung der OLGdW und schon zum zweiten Mal verliehen wurde der Jacob-Böhme-Preis, über den sich wegen der zahlreichen Einreichungen diesmal gleich zwei Kandidaten freuen durften. Dr. Thomas Regehly (Offenbach am Main) vom Internationalen Jacob-Böhme-Institut hob die Qualitäten der von einer Fachjury begutachteten Arbeiten hervor und begründete die Auszeichnungen beider Preisträger: Dr. Tünde Beatrix Karnitscher (Budapest) setzte sich mit der Entstehung und Erweiterung des Rezipientenkreises des Werkes Böhmes auseinander, wobei sie die „Theosophischen Send-Briefe“ als Grundlage für ihre Analysen heranzog, während sich Dr. Filips Defoort (Gent) für das Thema der Prädestination bei Böhme interessierte.
Anschließend referierte Dr. Gregor Metzig (Regensburg) unter dem Titel „Wege der Wahrheit. Die Erben der böhmischen Reformation in der Oberlausitz“ vor dem Hintergrund der Jan-Hus-Ausstellung, die von Mitte August bis Anfang November 2015 im Zittauer Museum präsentiert wird. Nationalgeschichtsschreibung und konfessionelle Engführung hätten den Blick auf Jan Hus bzw. die Hussiten nachhaltig getrübt. Dies habe etwa dazu geführt, dass die massiven Folgen der böhmischen Reformation sowohl für Böhmen als auch für die Oberlausitz bis heute kaum untersucht worden seien. G. Metzig rief in Erinnerung, dass das Auftreten der Hussiten auf beiden Seiten der Grenze Auswirkungen hatte, positive wie negative. Die Anerkennung (des von den Hussiten abgelehnten) Königs Sigismund durch die Oberlausitzer Stände habe mit dazu geführt, dass die Oberlausitz zum Aufmarschgebiet der Hussiten wurde. Darüber hinaus konnten die Anhänger Hus’ hierzulande auf Wohlwollen und Unterstützung durch Kollaborateure wie den Bautzener Stadtschreiber Peter Preischwitz oder auf Sympathisanten wie den Zittauer Stadtschreiber Oswald Pergener bauen, ohne die die Operationen der Hussiten im Sechsstädteland kaum denkbar gewesen wären. Die herrschende Geistlichkeit hingegen, namentlich die Meißener Bischöfe, reagierten mit restriktiven Maßnahmen und verboten hussitisches Schrifttum. Die Oberlausitz bot jedoch auch günstige Produktionsstätten für hussitische Texte, die etwa in Zittau und Lauban gedruckt wurden. Spätere Oberlausitzer Bezüge zur böhmischen Reformation ergaben sich mit Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und der Herrnhuter Brüdergemeine, wobei es allmählich zum Imagewandel kam: Die auf den Gütern Zinzendorfs ansässigen böhmischen Brüder distanzierten sich von Hus und betonten dagegen ihre pazifistische Tradition mit dem Bezug auf die alte Brüderkirche. Zinzendorf sorgte für die Anerkennung der Gemeine als eigenständige Glaubensgruppe innerhalb der Augsburger Konfession, nachdem die Eingliederung der böhmischen Brüder in die lutherische Konfession gescheitert war. Andererseits bestanden auch bei Zinzendorf Vorurteile gegenüber den Brüdern, insbesondere den tschechischen, die er als sog. „Stockböhmen“ mit negativen hussitischen Eigenschaften in Verbindung brachte. Während des 18. Jahrhunderts gelangten von der Oberlausitz aus Erweckungsbrüder auf Schleichpfaden immer wieder nach Böhmen, um heimlich zu missionieren. Erst während der josephinischen Aufklärung wurde dort ein offenes Bekenntnis zur lutherischen bzw. reformierten Kirche möglich, wenngleich das Verbot der hussitischen Kirche aufrecht blieb.
Thematisch – obwohl mit einem großen Zeitsprung – knüpfte Lucia Henke (Strahwalde) bei der Herrnhuter Brüdergemeine an und stellte den Pfälzer Nikolaus Hey vor, der als Mittezwanzigjähriger 1888 an die Missionsschule von Niesky kam, um sich dort ausbilden zu lassen. 1891 wanderte er als klassischer Handwerkermissionar nach Australien aus. In North Queensland baute er zusammen mit einem britischen Theologen im Auftrag der Presbyter und mit logistischer Unterstützung durch den Gouverneur eine Station in Mapon, einem Ort mit damals hoher Kriminellenrate, auf. Heys Briefe nach Niesky, adressiert an seinen Lehrer, zeugen vom mühevollen Alltag und den anfänglich geringen missionarischen Erfolgen bei den Ureinwohnern, die Hey „die Schwarzen“ nannte. Als einen Kern ihrer Untersuchungen sah L. Henke die Frage, wie der deutsche Missionar Hey die australischen Ureinwohner einordnete und empfand. Vielfach bekundete Hey in seinen Briefen ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken und packte seine Empfindungen in Bilder, wenn er vom „Licht des Glaubens“ und der „Dunkelheit des Unglaubens“ sprach. Seine Wertungen, so L. Henke, seien schwankend und von kulturellen Missverständnissen geprägt. Mal argumentiere Hey von einer europäisch-kolonialistischen überheblichen Warte, mal vom Standpunkt der Nächstenliebe und Freundschaft, aber auch Überforderung und Aggression ließen sich an den Briefzeilen ablesen. Keineswegs aber dürfte Hey die ihm anvertrauten Urbewohner Australiens jedoch als Ebenbürtige gesehen haben. Im Anschluss stellte Ulrich Schubert die neu erschienene Chronik „Allerlei aus Friedersdorf an der Landeskrone“ vor. Das unweit von Görlitz gelegene Dorf verweist auf eine fast legendäre chronistische Tradition, zumal im dortigen Pfarrhaus mit Christian Knauthe einer der Begründer der Oberlausitzer Geschichtsschreibung und Heimatforschung wirkte. Im Jahr 2007 beging man den 300. Geburtstag Knauthes, was den Anlass bot, diese heimische chronistische Überlieferung wiederzubeleben und fortzusetzen. Das von einer Autorengruppe verfasste, reich illustrierte Buch erschien als siebter Band der Krobnitzer Hefte beim Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund und ist im Handel erhältlich.
Dass bei der Frühjahrstagung der OLGdW Jungakademiker ihre Forschungsvorhaben präsentieren und diese im Plenum diskutiert werden, ist inzwischen schon eine lieb gewordene Tradition. Martin Christ (Oxford) stellte sein Promotionsprojekt zu Tendenzen und Prozessen der Reformation in der Oberlausitz vor und gab einen detaillierten Einblick in den geplanten Aufbau seiner Arbeit. Christs Ausführungen zufolge nahm die Reformation hierzulande einen eher langsamen, teils jahrzehntelangen Verlauf. In den Städten setzten sich Elemente des Luthertums in den 1520er-Jahren durch, während sie auf dem Land zögerlicher wirksam wurden. Für die Oberlausitz sei so etwas wie konfessionelle Ambiguität charakteristisch gewesen. Folglich gab es zwischen Pulsnitz und Queis keine vollständige Reformation, vielmehr ein religiöses Nebeneinander, aber auch wechselseitige Beziehungen und Beeinflussung bis hin zum gemeinsamen Agieren gegen die Kryptocalvinisten. Es bestand eine unübersichtliche, komplexe Gemengelage, welche beide Konfessionen darin behinderte, ihre Ansprüche und Interessen durchzusetzen. Einerseits fehlte ein hier ansässiger Landesherr, um die Reformation flächendeckend durchzuführen, andererseits war der Habsburgerherrscher zu weit entfernt, um den Katholizismus zu erhalten. Anhand biografischer Fallbeispiele versucht M. Christ in seiner Arbeit die Komplexität und Vielschichtigkeit der Oberlausitzer Reformation nachzuzeichnen, wobei Letztere sowohl aus evangelischer als auch aus katholischer Sicht zu beleuchten sei. Auszuloten seien überdies die Interaktion der Sechsstädte bzw. die Grenzen der Oberlausitzer Toleranz, etwa im Umgang mit den Schwenkfeldern, Calvinisten, Wiedertäufern und Zwinglianern. Eine Fragestellung soll sich der Überlegung widmen, ob die Oberlausitzer Reformation eine „gebremste“ (Zitat Jens Bulisch) oder eine grundsätzlich andere, eine „besondere“ Reformation gewesen sein könnte. Exemplarisch führte M. Christ ins Treffen, dass diese Bewegung auf beiden konfessionellen Seiten pragmatische Züge trug, wie sich etwa am katholischen Gesangsbuch des Bautzener Domdekans Johann Leisentrit erkennen lasse. Bei dessen Illustration dürften Kompromisse notwendig geworden sein, indem lutherisches Bildergut zur Darstellung einer katholischen Predigt verwendet und geduldet wurde.
Ariane Bartkowski (Chemnitz/Dresden) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der Alchemie am kursächsischen Hof während des 16. und 17. Jahrhunderts. Mit der reformationsbedingten Auflösung der Klöster sei die Alchemie vom ursprünglich klerikal-monastischen Bereich an die Fürstenhöfe gewechselt, wo sie zur höfischen Modeerscheinung wurde. An ihr partizipierte auch Kurfürst August I. von Sachsen (1526–1586), der schon als Kind in Freiberg mit der Alchemie in Berührung gekommen sein soll. Seit 1560 widmete er sich systematisch der Alchemie. Auf seinen Schlössern Annaburg, Augustusburg, Hartenfels, Wolkenstein und Stolpen sowie im sog. „Goldhaus“ nahe dem Dresdener Schloss ließ er Laboratorien einrichten. Seine Ehefrau Anna von Dänemark, deren familiärer Hintergrund gleichfalls vom lebhaften Interesse für Alchemie geprägt war, dürfte ihn dabei unterstützt haben. Den Abschluss der Tagung bildete eine Führung durch die neu adaptierte Galerie der Moderne des Kulturhistorischen Museums Görlitz im dritten Obergeschoss des Kaisertrutzes.
Kai Wenzel, der die gegenwärtige Schau maßgeblich mitgestaltet hatte, machte die Besucher mit ausgewählten Gemälden, Grafiken, Plastiken und Werken der angewandten Künste aus Museumsbesitz vertraut. In dem eineinhalbstündigen Rundgang wurde die Rolle der Stadt Görlitz als bedeutendes künstlerisches Zentrum zwischen dem Fin de Siècle und der Ära des Nationalsozialismus spürbar. Der heimische Kunstbetrieb hatte an Strömungen und Einflüssen teil, die insbesondere von den Kunstakademien in Breslau und Dresden ausgingen. Einige Künstlerinnen und Künstler wurden zu Wegbereitern der Moderne in Görlitz, wie Fritz Neumann-Hegenberg. Andere wie Willy Schmidt, ein Schüler des „Brücke“-Malers Otto Mueller, Erna von Dobschütz, Walter Rhaue und vor allem Johannes Wüsten boten einen eindrucksvollen Querschnitt durch Impressionismus, Expressionismus und Neue Sachlichkeit. Manche der gezeigten Werke waren Neuerwerbungen der letzten Jahre. Darüber hinaus wurden aber auch Beispiele des Görlitzer Kunstschaffens in der DDR und der Gegenwart vorgestellt. Den Höhepunkt stellte sicherlich das monumentale Gemälde „Jerusalem“ von Lesser Ury dar, nicht zuletzt wegen des bewegenden Schicksals dieses lange verloren geglaubten Kunstwerks.
Bericht zur Herbsttagung "Sorben und Deutsche: Heimat Lausitz – Fremde Lausitz" am 14. und 15. November 2014 in Bautzen
Friedrich Pollack, Leipzig
Am 14. und 15. November 2014 luden die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und das Sorbische Institut Bautzen zu einer internationalen Tagung mit dem Thema „Sorben und Deutsche: Heimat Lausitz – Fremde Lausitz“. Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse, mehr als 70 Gäste wurden an beiden Tagen im Festsaal des Sorbischen Museums auf der alten Bautzener Ortenburg gezählt. Eröffnet wurde die Tagung am Freitagnachmittag gemeinsam durch Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, und Prof. Dr. Dietrich Scholze, Direktor des SI. In seiner anschließenden Einführung skizzierte Dr. Lars-Arne Dannenberg die vielfältigen Dimensionen, die das allgemeine Verständnis von der „Heimat Lausitz“ in den vergangenen Jahrhunderten beeinflusst haben, und wies zugleich auf die Herausforderungen hin, die sich aus dem häufig diffusen Gebrauch des Heimatbegriffes in der deutsch-sorbischen Lausitz für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Phänomen ergeben.
Damit war das Podium für die insgesamt 17 Referentinnen und Referenten der Tagung eröffnet. Eingangs fasste Dr. Thomas Westphalen in einem weit angelegten Überblick zusammen, wie sich die früh- und hochmittelalterliche Geschichte Sachsens und der Lausitzen aus Sicht der Archäologie beschreiben lässt. Auf breiter empirischer Basis illustrierte er den Ablauf der Besiedlung des heutigen Freistaates Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der Abfolge und Verteilung von slawischen und deutschen Bevölkerungen. Darauf folgend wurde das Referat des leider verhinderten Prof. Dr. Walter Wenzel verlesen, das sich dem altslawischen Landesausbau in der Oberlausitz im Spiegel namenkundlicher Befunde widmete. Wenzel stellte namentlich in den sogenannten Altsiedellandschaften um Bautzen und Görlitz eine Häufung altsorbischer Orts- und Gewässernamen fest, die er als Zeugnisse der in den Quellen genannten Milzane und Besunzane identifizierte. Einen zeitlichen Sprung in das späte 17. Jahrhundert unternahm sodann Dr. Lupold von Lehsten, der den Fund einer Sammlung von Leichenpredigten des Muskauer Pfarrers Martin Francisci zum Anlass nahm, über das Zusammenleben von Sorben und Deutschen in der alten Muskauer Standesherrschaft zu referieren. Anschließend sprachen Prof. Dr. Tomasz Jaworski und Dr. Hanna Kurowska über Bevölkerungsbewegungen in der östlichen Lausitz am Ende des Zweiten Weltkrieges, wobei sie die erzwungenen Migrationen deutscher, polnischer als auch sorbischer Familien in ihren demographischen Folgen beleuchteten.
Nach einer kurzen Pause richteten sich sowohl der Oberbürgermeister der Stadt Bautzen Christian Schramm wie auch der Vorsitzende der Domowina David Statnik in kurzen Grußworten an die Teilnehmer der Tagung. Beide unterstrichen dabei die aktuelle Relevanz des Tagungsthemas und wiesen besonders auf die Ambivalenzen der jüngeren „Heimat-Renaissance“ hin, die sich nicht nur in einer wachsenden Heimatverbundenheit sondern auch in teils scharfen Konflikten um die Unterbringung Asylsuchender sowie tätlichen Übergriffen auf sorbische Jugendliche widerspiegeln. In ihrem Abendvortrag skizzierte Prof. Dr. Beate Mitzscherlich Heimat als einen komplexen Gegenstand empirischer Kultur- und Sozialforschungen. Nach einer orientierenden Einführung in das begriffs- und diskursgeschichtliche Dickicht unseres heutigen Heimatverständnisses entwickelte sie aus sozialpsychologischer Sicht einen prozessualen Heimatbegriff, der im Sinne von „Beheimatung“ einen notwendigen, sich permanent vollziehenden Prozess der Identitätsstiftung im lebensweltlichen Kontext beschreibt. Befragungen unter Jugendlichen haben gezeigt, dass der Region gegenüber dem Staat oder Europa dabei nach wie vor eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Bei einem kleinen Empfang im Foyer des Sorbischen Museums bot sich Besuchern und Referenten schließlich die Gelegenheit zum angeregten Austausch.
Den zweiten Tag der Konferenz leitete Dr. Jens Baumann mit einem Referat über Minderheiten und ihren Beitrag für die regionale Entwicklung und Identität ein. Baumann fokussierte vor allem die gegenwärtige Situation ethnischer und sprachlicher Minderheiten in Deutschland, blickte in vergleichender Absicht jedoch auch über die Landesgrenzen hinaus in andere europäische Staaten und schloss mit dem wichtigen Fazit, dass Minderheitenförderung kein Luxus für bessere Zeiten sondern praktizierte Regionalförderung sei. In einer weiteren Sektion widmeten sich sodann zwei Vorträge ausschnitthaft der Rolle von Kirche und Glauben im Prozess der Beheimatung und Identitätsbildung. Dr. Jens Bulisch warf einen kritischen Blick auf die Entwicklung der Lutherrezeption in der sorbischen Publizistik und Wissenschaft des 20. Jahrhunderts, die auch von weltanschaulichen Kontroversen geprägt war, deren Spuren bis heute sichtbar sind. Lubina Malinkowa beschrieb die Entwicklung und Ausbreitung pietistischer Erweckungsbewegungen in der Oberlausitz. Insbesondere der intensiven Laienarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine unter der einfachen sorbischen Bevölkerung beschied sie ein hohes emanzipatorisches Potential.
Die weiteren Vorträge des Tages lenkten den Blick wieder verstärkt auf neuzeitliche und gegenwärtige Entwicklungen in der „Heimat Lausitz“. Prof. Dr. Dietrich Scholze reflektierte zusammenfassend die sozialen und ökonomischen Bedingungen sowie den Verlauf der beschleunigten Assimilation der Lausitzer Sorben im 19. und 20. Jahrhundert. Dr. Edmund Pech fragte sodann nach der Rolle, die der lokalen sorbischen Tradition bei der Errichtung des Gaskombinats Schwarze Pumpe sowie des zugehörigen Wohnbezirks Hoyerswerda-Neustadt in den Jahren nach 1955 beigemessen wurde. Er konnte zeigen, dass die anfangs formulierten, weitreichenden Pläne zur Schaffung eines neuen geistig-kulturellen Zentrums der sorbischen Lausitz bald Sparmaßnahmen zum Opfer fielen, die den Aufbau der Neustadt von Beginn an begleiteten. Vom anderen Ende des Zeitstrahls blickte anschließend Robert Lorenz auf das Hoyerswerdaer Großprojekt. Binnen eines Menschenalters sei hier für Zehntausende zunächst eine neue Heimat errichtet und schließlich wieder eingerissen worden. Diese Ambivalenz von Heimatgewinn und Heimatverlust ziehe sich, vor dem Hintergrund der industriellen Ausbeutung der Lausitzer Braunkohlevorkommen, als kollektive Erfahrung wie ein roter Faden durch die Geschichte dieser Region. In seinem Vortrag knüpfte auch Dr. Martin Walde an diese Überlegungen an und skizzierte das Heimatbild der Postmoderne als leeren Raum zwischen Altem und Neuem, dem er ein anzustrebendes Gemeindemodell einer Heimat als Raum von Nähe und lokaler Bezugnahme auf den Anderen entgegenstellte.
Die Nachmittagssektion wurde von Prof. Dr. Leoš Šatava eingeleitet, der in seinem Referat auf das Spannungsverhältnis zwischen primordialen und postmodernen Identitätskonzepten in den nationalen Diskursen der Sorben hinwies. Obwohl sich in der Lausitz heutzutage ein zunehmend voluntaristischer Begriff von ethnischer Zugehörigkeit durchgesetzt habe, bleibe die Bedeutung der Sprache, als essentiell verstandenem Kern sorbischer Identität, nach wie vor groß. Dieses Motiv griff anschließend auch Trudla Malinkowa auf, die über die ältesten sorbischen Inschriften im öffentlichen Raum referierte. Ausgehend von der evangelischen Oberlausitz verbreiteten sich solche Inschriften ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert bald im gesamten sorbischen Sprachgebiet, was die Referentin als Demonstration sorbischen Selbstbewusstseins interpretierte. Anschließend sprach Dr. Maria Mirtschin über Formen der Inszenierung von Heimat und Nation in der sorbischen Kunst. In einem weiten historischen Bogen ging sie dabei auf werk- und rezeptionsgeschichtliche Aspekte im Schaffen Hendrich Božidar Wjelas, William Krauses, Měrćin Nowak-Njechorńskis, Jan Buks sowie Maja Nagelowas ein und zeigte auf, wie diese bedeutenden sorbischen Künstler ihre „Heimat Lausitz“ im Wandel der Zeit imaginierten: vom antimodernden Idyll und Fluchtort zur politischen Fantasie bis hin zur neu geschaffenen, vielstimmig-uneindeutigen Wirklichkeit einer künstlerisch überwundenen Nationalerzählung. Abgerundet wurde dieser äußerst dichte Vortragsreigen von einem anregenden Referat Prof. Dr. Walter Koschmals. Ausgehend von der Betrachtung einer bislang kaum bekannten Polemik zwischen den beiden Publizisten und Literaten Jan Skala und Johannes Urzidil aus den 1920er Jahren über das Verhältnis von Slawen und Deutschen, entwickelte Koschmal die These, dass der moderne sorbische Heimatdiskurs seine produktivsten Anregungen häufig aus der sorbischen Lyrik empfing und noch gegenwärtig aus ihr zu empfangen vermag: In der lyrischen „Absage an das geschlossene Haus“, wie sie in den Werken Jurij Chěžkas, Kito Lorenc‘ und Róža Domašcynas zu entdecken sei, stecke ein erhebliches Potential für die Definition eines zeitgemäßen, integrativen Heimatbegriffes, der die bewusst in der Schwebe gehaltene Ambivalenz „sorbisch-deutsch“ als Wesenskern in sich trage.
Im Anschluss an die Tagung bot sich allen Teilnehmern die Gelegenheit zur Besichtigung des Sorbischen Museums.
Bericht zur Frühjahrstagung am 12. April 2014 in Görlitz
Arnold Klaffenböck, Salzburg
Bedingt durch die kalendarische Überschneidung mit dem Osterfest, hielt die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) ihre Frühjahrstagung eine Woche früher ab als gewöhnlich. Nichtsdestotrotz waren viele Mitglieder und Interessierte der Einladung des Präsidiums nach Görlitz in den Johannes-Wüsten-Saal des Kulturhistorischen Museums gefolgt, um den vielfältigen Vorträgen zu lauschen bzw. im Anschluss an das Symposion an der traditionellen Mitgliederversammlung teilzunehmen.
Zunächst begrüßte Dr. Steffen Menzel als Präsident der OLGdW die von nah und fern angereisten Gäste. In seiner Eröffnungsrede zeigte er seine Freude darüber, dass es gelungen sei, nunmehr zum fünften Mal den Hermann-Knothe-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verleihen. Aus den thematisch breit gestreuten fünf Einreichungen, welche eindrucksvoll die inzwischen bestehende Relevanz und Akzeptanz des Preises bestätigen würden, habe die Jury schließlich die Arbeit des gebürtigen Greifswalders Thomas Hardke für preiswürdig befunden. Dessen tiefgründige Untersuchung setzt sich mit dem gesellschaftspolitischen, sozialen und biografischen Bedingungsgefüge auseinander, in dem sich die evangelische Kirchgemeinde bzw. die Pfarrer Zittaus während des Dritten Reiches bewegten. Stellvertretend für den Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege sprach Kulturbürgermeister Dr. Michael Wieler zu den Anwesenden und drückte seine Wertschätzung für die wissenschaftliche Arbeit der OLGdW aus. Mit Bezug auf den Knothe-Preisträger würdigte Dr. Wieler die Offenheit und Sensibilität, die Th. Hardke diesem nach wie vor heiklen und tabuisierten Thema entgegengebracht habe. Er hob die Bedeutung dieser Arbeit hervor, sei sie doch eine Art Schnittstelle, wo sich Wissenschaft und Gesellschaft träfen, um zum Nachdenken und Nacherleben angeregt zu werden.
Daran anschließend folgte das Referat des Lehrers und Theologen Thomas Hardke, der in seiner Untersuchung relevante Prozesse, Ereignisse und Konstellationen in Bezug auf die evangelische Kirche Zittaus zwischen 193 und 1945 nachzeichnete und kritisch auswertete. Die Geschichte der evangelischen Kirche im Dritten Reich sei, so Th. Hardke, lange Zeit sehr apologetisch als Geschichte eines Kirchenkampfes betrachtet worden, in der die Spaltung in bzw. die Opposition zwischen Deutscher und Bekennender Kirche im Fokus gestanden hätte. In den letzten 20 Jahren aber sei diese Auffassung einer differenzierteren sozialgeschichtlichen Auffassung gewichen. Anhand seiner mikrohistorischen Untersuchung konnte Th. Hardke am Beispiel Zittaus nachweisen, dass in dieser Oberlausitzer Stadt nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten recht schnell eine „Selbstnazifizierung“ der Gemeinde erfolgte und aus eigenem Antrieb NS-Elemente integriert wurden. Diese Maßnahmen wurden von den Pfarrern mitgetragen, auch von jenen, die später Anhänger der Bekennenden Kirche werden sollten. Die Auseinandersetzungen zwischen Deutscher und Bekennender Kirche prägten Leben und Alltag der evangelischen Kirchengemeinde Zittaus, sie verliefen allerdings weniger unter den Zittauer Pfarrern, sondern manifestierten sich eher im behördlichen Umgang mit Konsistorien und der Landeskirche. Exemplarisch konnte Th. Hardtke zeigen, dass sich kirchenpolitische Ereignisse auf Reichsebene nicht zwangsläufig auch auf die Zittauer Gemeindeebene niederschlugen. Ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den rivalisierenden Fraktionen trugen die evangelischen Zittauer Pfarrer beider kirchenpolitischer Lager etwa Repressionen gegen nicht-arische Gemeindemitglieder mit.
Mit regem Interesse verfolgten die Teilnehmer der Tagung dann die Präsentation des neu erschienenen „Sorbischen Kulturlexikons“, welches das Sorbische Institut in Bautzen gemeinsam mit dem Domowina-Verlag verwirklicht hat. Franz Schön, neben Prof. Dr. Dietrich Scholze einer der beiden Herausgeber des inhaltlich wie vom Umfang her gewichtigen Buches, skizzierte die jahrzehntelangen Bemühungen und Vorarbeiten, die der Realisierung dieses Standardwerkes vorausgingen. Die Ausführungen machten rasch deutlich, dass mehrere Anläufe, sehr viel Geduld und ein langer Atem erforderlich waren, um überhaupt dieses Buch aus der Taufe heben zu können. Bestrebungen, eine sorabistische Enzyklopädie zu erstellen, reichen zurück bis in die 1930er-Jahre. Obwohl sich diesbezüglich rege Forschungstätigkeit entfaltete – insbesondere durch Lehrer und Geistliche, die sich nebenberuflich mit der Wissenschaft beschäftigten –, deren Erkenntnisse in sorabistischen Publikationen unterschiedlichster Art einflossen, blieb das Lexikon selbst aber vorerst ein Desiderat. 1992 wurde bei einer wissenschaftlichen Konferenz, die sich u. a. mit künftigen Aufgaben der Sorabistik beschäftigte, die Idee geboren, ein dreibändiges sorabistisches Lexikon zu schaffen. Einem Vorschlag F. Schöns folgend, wurde schließlich ein einbändiges Kompendium für die interessierte deutschsprachige Öffentlichkeit umgesetzt. An der Präsentation des Buches während der Frühjahrstagung der OLGdW beteiligt war auch der Lektor des „Sorbischen Kulturlexikons“ Michał Nuk, der das gediegene und reich illustrierte Nachschlagewerk am Büchertisch zum Erwerb anbot. (Eine ausführlichere Rezension des „Sorbischen Kulturlexikons“ erscheint in der nächsten Ausgabe des „Neuen Lausitzischen Magazins“.)
Als nächster Redner bestritt Dr. Jens Bulisch (Crostwitz) das Programm. In seinem durch Anekdoten kurzweiligen Vortrag spürte er facettenreich dem überaus komplizierten Verhältnis Sachsens zu den europäischen (Groß-)Mächten sowie den nicht minder komplexen dynastischen Verflechtungen der Wettiner mit den verwandten Herrschaftshäusern nach, die allesamt um die Hegemonie in Europa stritten. Den Mittelpunkt und gleichsam den roten Faden des Vortrags bildete dabei die bis heute schillernde und mit Vorurteilen behaftete Figur des Diplomaten Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754–1838). Der einstige Außenminister Napoleons wusste die Pattstellung der beim Wiener Kongress verhandelnden Siegermächte für eigene Interessen auszunützen und die brisante Frage um die politische Zukunft Sachsens so zu instrumentalisieren, dass sie unweigerlich zum Brennpunkt der Neuordnung Europas im Sinne einer Gleichgewichtspolitik wurde. Daran anschließend bot sich angehenden Wissenschaftlern wiederum Gelegenheit, im Rahmen des „Jungen Forums“ laufende Projekte vorzustellen und Einblicke in ihre Arbeiten zu geben.
Sven Brajer, aus der südöstlichen Oberlausitz stammend, schilderte detailreich den Übergang der größten Oberlausitzer Sechsstadt Görlitz an Preußen am 3. August 1815. Das Ereignis fiel nicht zufällig mit dem 45. Geburtstag von König Friedrich Wilhelm III., dem neuen Landesherrn, zusammen. Der Festakt auf dem Obermarkt bzw. die feierlich inszenierte Erbhuldigung erfolgte vor einem ephemeren Tempel mit der Büste des Herrschers – die Legitimierung und Initiation des neuen Regenten sollten von der versammelten Bevölkerung direkt und symbolisch erfahren, die Preußischwerdung der Stadt optisch sinnfällig werden. S. Brajer zeigte auf, wie vielschichtig sich der Übergang an Preußen vollzog und wie folgenreich er für die Kommune war. Neben dem Austausch der Herrschaftssymbole im öffentlich-urbanen Raum, der Übernahme der preußischen Farben in Gestalt der Nationalkokarde drückte sich der Herrscher- und Länderwechsel bald im Stadtbild und Alltagsleben aus. 1830 wurde Görlitz aufgrund der Grenznähe zu Sachsen bzw. Österreich preußische Garnisonstadt. Beim Wechsel an Preußen traten Interessenkonflikte zutage, etwa als sich zwischen der Kreisregierung in Liegnitz und dem Görlitzer Magistrat ein Disput um das Schleifen der Stadtbefestigungen entspann. Während der übergeordneten niederschlesischen Behörde die strategisch-militärische Bedeutung von Görlitz als Festung wichtigstes Anliegen war, lag den Stadtverantwortlichen eher die wirtschaftliche und bauliche Entfaltung der Stadt am Herzen. Die Veränderungen zeigten sich im Besonderen auch bei der Beamtenschaft, wo in leitenden Positionen der Austausch bzw. Versetzungen erfolgten, auf unterer und mittlerer Ebene die Beamten großteils übernommen und integriert wurden. S. Brajer umriss auch die Ära des ersten Görlitzer Oberbürgermeisters Gottlob Ludwig Demiani, einem Dresdner, unter dem die Stadt einen industriellen Aufschwung nahm. Dabei konnte sie die Folgen des Siebenjährigen Krieges sowie der Napoleonischen Kriege überwinden und es wurden die Weichen gestellt für die Prosperität der Stadt im 19. Jahrhundert. Rückblickend betrachtet und langfristig gesehen sei der Übergang der Stadt Görlitz an Preußen, so die These, zumindest partiell, etwa in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, durchaus eine „Erfolgsgeschichte“ gewesen.
Zuletzt brachte Stefan Kühn (Dresden), Diplomingenieur für Kartografie, Möglichkeiten und Methoden des Internetlexikons „Wikipedia“ im Kontext von regionalgeschichtlicher Forschung den Zuhörern näher. Am Beispiel der Oberlausitz sprach er über Gestaltungsformen für bestimmte Themenportale, die von Redaktionsteams erstellt und betreut würden. St. Kühns Vortrag erwies sich als sehr praxisorientiert: Anhand von Daten, welche die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften vorbereitet hatte, wurde der Versuch unternommen, einen biografischen Musterartikel zu Karl Gottlob von Anton, einem der Begründer der OLGdW, zu gestalten und dabei das vorab vermittelte theoretische Wissen anzuwenden.
Bericht zur Herbsttagung vom 8. und 9. November 2013 in Bautzen
von Jan Bergmann, Dresden
Die Wiederauffindung und spätere Rückkehr nach Bautzen, die Restaurierung und Nutzbarmachung einer der umfangreichsten Chroniken der Oberlausitz war für die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e.V. Anlass, ihre internationale Herbsttagung 2013 dem Thema Stadtchronistik zu widmen. Dazu hatte sie gemeinsam mit dem Archivverbund Bautzen für den 8. und 9. November 2013 international renommierte Stadtchronistikforscher nach Bautzen eingeladen, um unter vergleichender Perspektive aktuelle Fragestellungen und Probleme zu diskutieren. Dass ein derartiges, vermeintlich abseitiges Thema auf außerordentliches Interesse stößt, bewies die bis zum Schlussreferat sehr große Resonanz mit teilweise an die 100 Zuhörern in den großzügig ausgestatteten Tagungsräumlichkeiten der Volksbank Bautzen, die die gesamte Konferenz vorzüglich umsorgte.
Nachdem der Präsident der OLGdW, Dr. Steffen Menzel, die Tagung eröffnete, führte der Vizepräsident, Dr. Lars-Arne Dannenberg, inhaltlich in die Tagung ein. Er warf die Frage auf, inwieweit der Begriff „Städtelandschaften“ als analytische Basis einer vergleichenden Stadtchronistikforschung trägt, oder ob nicht vielmehr gemeinsam veranschlagt wird, was eigentlich nicht zusammengehört. Beide Wortbestandteile durchliefen jeweils einen ästhetischen und einen historischen semantischen Diskurs, der es am Ende erlaubte, die Folie „Städtelandschaften“ als Konzept zu nutzen, wenngleich sich diese in den hier betrachteten Ländern als höchst different offenbaren. Trotz oder gerade aufgrund der Unterschiede schien der Vergleich reizvoll und lohnenswert, wie sich dann auch an den folgenden Referaten offenbarte.
Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbundes Bautzen, erläuterte einführend den Weg der sog. Techell-Chronik, die in gewisser Weise spiritus rector der Veranstaltung war. Der Kupferschmied Karl Friedrich Techell (1759-1846) begann im Jahr 1818 mit der Abfassung einer Chronik seiner Stadt, die bis zum Jahr 1844 auf 14 Bände anwachsen sollte. Testamentarisch hatte er die Chronik der Stadtbibliothek vermacht, doch war es offensichtlich nie zu einer Übergabe gekommen. Als sein Sohn 1876 starb, verlor sich ihre Spur. Für die städtische Historiographie galt sie als verloren. Insofern war es ein unverhoffter Glücksfall, als die Chronik im Jahr 2006 auf einer Berliner Buchauktion wieder auftauchte und nach Überwindung so mancher Hürden schließlich den Weg zurück in ihre Heimatstadt fand.
Die erste Sektion war Oberlausitzer Themen gewidmet. Der tschechische Historiker und Archivar am Diözesanarchiv Leitmeritz (Litoměřice/CZ) Martin Barus stellte den Görlitzer Stadtschreiber Johannes Frauenburg (ca. 1430-1495) vor. Der aus Danzig stammende und dann nach Görlitz gelangte Ratsherr, Jurist und spätere Bürgermeister von Görlitz hinterließ mindestens vier bedeutende Schriften, die reiche Auskunft über die Geschichte Görlitz‘ im Spätmittelalter geben. Aus diesen wählte der Referent exemplarisch das „Secretarium“ zur näheren Vorstellung aus. Darin notierte Frauenburg etwa zwischen 1470 und 1480 die für ihn wichtigsten Ereignisse des städtischen Lebens. So berichtet er z. B. von wirtschaftlichen, politischen und juristischen Angelegenheiten, dokumentierte die sogenannte „Pulververschwörung“ des Jahres 1467 und reflektierte auch die Beziehungen der Stadt zum böhmischen Landesherrn. Bislang unbeantwortet bleibt die Frage nach den Adressaten der Aufzeichnungen und den Motiven des Schreibers. Barus plädierte dafür, dass Frauenburg die Schriften in erster Linie für sich selbst und seine politische Arbeit anfertigte, was in der folgenden Diskussion kritisch hinterfragt wurde.
Die Prager Historikerin Prof. Lenka Bobková widmete sich der berühmten Zittauer Chronik des Johannes von Guben aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Problematisch sind immer noch die Fragen nach der Intention des Autors sowie seiner Fortsetzer. Auf Johannes von Guben, dessen Ausführungen über Karl IV, der sich wohl häufiger und länger als jeder andere Landesherr im Markgraftum Oberlausitz aufhielt, auch für die gesamtböhmische Geschichtsforschung von großer Bedeutung sind, folgten weitere Amtskollegen, die die Dokumentationsarbeit ihres Vorgängers fortsetzten. Die Referentin vermutete vor allem hinter Konrad Weißbach den Urheber der wertvollen Glossen, die ungewöhnlich reichhaltige Informationen zur Geschichte Böhmens enthalten. Insbesondere jene Glossen sind bislang nahezu unberücksichtigt geblieben, weshalb Prof. Bobková eine Edition derer beabsichtigt.
Ebenfalls von der Prager Karluniversität angereist waren Dr. Jan Zdichynec und Petr Hrachovec. Sie berichteten in einem gemeinsamen Vortrag von ihren laufenden Untersuchungen zur Laubaner und Zittauer Stadtchronistik in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und nahmen dabei vor allem den Übergang der Oberlausitz von der Krone Böhmens an Kursachsen in den Fokus. Die herangezogenen Chroniken spiegeln die Lebens- und Gedankenwelt der kriegsgebeutelten Stadtbevölkerung plastisch wider. Überhaupt rücken die lokalen Ereignisse deutlich in den Vordergrund, während die „große“ Politik nur eine untergeordnete Rolle spielt. Zwar werden die Bedrückungen und Grausamkeiten der Soldaten ausführlich geschildert und kritisiert, aber es erfolgt keine ausdrückliche Parteinahme für eine der beiden verfeindeten Seiten. So wird schließlich der Übergang an Kursachsen erstaunlich neutral behandelt. Die Flexibilität in der Loyalität der Bevölkerung führen Zdichynec und Hrachovec vor allem auf die allgemein unsicheren politischen Verhältnisse der Zeit zurück. Kulturgeschichtlich von besonderem Interesse sind die in dieser Zeit gehäuften Berichte von ungewöhnlichen Ereignissen. Missgeburten und Himmelserscheinungen kündeten etwa für die zeitgenössische Bevölkerung bevorstehende Unglücke, mithin den Krieg an.
Zum abendlichen Festvortrag begrüßten der Vorstand der Bautzener Volksbank, Klaus Otmar Schneider, sowie der Oberbürgermeister der Stadt Bautzen, Christian Schramm, die Gäste, worauf Prof. Susanne Rau von der Universität Erfurt ihre weitgespannten „Überlegungen zu einer Geschichte der Verflechtungen [der Städte und ihrer Chroniken] auf regionaler und globaler Ebene“ anstellte. Der Bogen spannte sich von der Charakterisierung der städtischen Historiografie des historischen Europas, über die Skizzierung der bisherigen Forschungsgeschichte und ihrer Desiderate, bis hin zu ihren Überlegungen zu den Methoden und Potentialen einer Erforschung der Verflechtungsgeschichte urbaner Geschichtsproduktion in Mittelalter und Neuzeit. Mit dem Denkmodell der „Global City“ verwies die Referentin auf die direkten und indirekten Netzwerke zwischen städtischem Gemeinwesen und deren Reflektion in der lokalen Chronistik. Deren Erforschung zähle noch immer zu den Desideraten der gegenwärtigen Urbanhistoriografie. Exemplarisch nennt Rau die Städte der Hanse, deren Geschichtswerke in der Regel auch Belange anderer Mitglieder dieses Handelsnetzwerkes diskutieren. Realpolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtungen bedingen demnach auch Verbindungen und Gemeinsamkeiten in der Geschichtstradierung.
Den Auftakt am zweiten Konferenztag bot der Freiburger Historiker und Archivar Dr. Klaus Graf mit einem Referat zur „Historiographie, Erinnerungskultur und Traditionsbildung in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten des deutschsprachigen Raums“. Graf definierte die städtische Erinnerungskultur als vernetztes Ensemble von Medien, die in ihrem Zusammenwirken das kollektive Geschichtsbild der Bevölkerung prägen. Dazu zählt er neben der eigentlichen Historiografie Lieder, Bildwerke, Rituale und Bräuche, Gedenkfeste und Jubiläen, Gedenkmünzen sowie Sprichwörter und Sagen. Als Träger dieser Gedächtnisarbeit benannte der Referent das Stadtregiment, die städtische Oberschicht, Handwerker und ihre Zünfte als auch Kirchen und Klöster. Mit dem Hinweis auf die Bedeutung der noch jungen Erzählforschung für die urbane Geschichtswissenschaft beschloss Graf seine Ausführungen. Die zweite Sektion widmete sich der Stadtchronistik in Sachsen. Der Moderator Dr. Mario Müller nutzte die Gelegenheit, um zunächst mehrere einschlägige Neuerscheinungen der OLGdW wie die Editionen von „Caspar Haberkorns Annalen der Stadt Kamenz“ (Scriptores rerum Lusaticarum VII) und die „Chronik der Stadt Zittau 1255-1623“ (SRL VIII) sowie den Sammelband „Studien zur neuzeitlichen Geschichtsschreibung in den böhmischen Kronländern Schlesien, Oberlausitz und Niederlausitz“ (NLM Beiheft 11) vorzustellen.
Den ersten Vortrag der Sektion hielt Dr. Gesine Mierke von der Technischen Universität Chemnitz, die kurz zuvor in Vertretung für ihren Kollegen Prof. Christoph Fasbender in das Tagungsprogramm eingerückt war. Sie berichtete über ihre laufenden Forschungen zu den Ratsannalen des Görlitzer Stadtschreibers und Bürgermeisters Johannes Hass, den die Referentin kurz biografisch vorstellte. Die bereits im 19. Jahrhundert in drei Bänden edierten Annalen hatte Hass sogleich nach seiner Ankunft in Görlitz im Jahr 1509 begonnen und fast bis an sein Lebensende 1544 fortgeführt. Im Gegensatz zu vielen anderen, bisher in der Tagung vorgestellten Chronisten griff Hass wertend in seine Aufzeichnungen ein. Verhältnismäßig klar erscheint der Referentin die Motivation Hass‘. Mit der Dokumentation und Bewertung juristischer Fallbeispiele in der Stadtgeschichte suchte der Schreiber in didaktischen Hinweisen zur rechtlichen Absicherung vergleichbarer zukünftiger Streitfälle beizutragen. Klar im Mittelpunkt standen dabei die Interessen des Stadtbürgertums, auch in Abgrenzung zum landsässigen Adel.
Dem schloss sich der Beitrag von Andrea Kramarczyk, Kustodin des Schlossbergmuseums in Chemnitz, über den Quellenwert der „Schülergespräche“ des frühen deutschen Humanisten Paulus Niavis (ca. 1453 - ca. 1517) an. Niavis, mit „bürgerlichem Namen“ Paul Schneevogel, wirkte u. a. als Lehrer und Rektor der Lateinschule in Chemnitz aber auch als Stadtschreiber in Zittau und Bautzen. Seine gedruckten lateinischen Dialogsammlungen stellen aus dem Blickwinkel der diesmaligen Tagungsthematik eine Sonderform der urbanen Historiografie dar. Die festgehaltenen Zwiegespräche, von denen die sogenannten „Kinderdialoge“ wohl am bekanntesten sind, demonstrieren zunächst nur verschiedene lateinische Ausdrucksübungen und haben somit Schulbuchcharakter. Jedoch berichtet der Inhalt des gesprochenen Wortes aus dem Alltagsleben der spätmittelalterlichen Stadt Chemnitz. Nach Kramarczyks Ansicht, die eine Edition der Dialoge beabsichtigt, war sich Niavis der stadtchronistischen Bedeutung seiner Dialoge durchaus bewusst und richtete sich deshalb nicht allein an seine Lateinschüler. Wenngleich aber die Schriften sachlich unumstößliche Wahrheiten enthielten, so sei dennoch von der gegenwärtigen und zukünftigen Forschung bei jeder Aussage die didaktische Intention Niavis‘ gesondert zu prüfen, denn diese sei stets dem Aussagewerts des Inhalts übergeordnet, so die Referentin. Eine interessante Bereicherung bot ein Auszug aus der vom Chemnitzer Schossbergmuseum erstellten Vertonung der Schülergespräche.
Schließlich führte die Sektion 3 nach Böhmen und Schlesien. Prof. Marie Bláhová aus Prag schöpfte aus ihren langjährigen Forschungen zur spätmittelalterlichen Stadtchronistik in Böhmen und skizzierte die Entwicklung von den fragmentarischen Anfängen im 13. Jahrhundert bis hin zum Niederschlag der Hussitenkriege in den Geschichtswerken. Mit einigen Beispielen aus der Stadt Prag umriss die Referentin schließlich die typischen Inhalte der stadtchronikalischen Texte.
Dr. Uwe Tresp von der Universität Potsdam brachte die Perspektive der Adelsgeschichtsforschung auf die urbane Chronistik in das Tagungsprogramm ein. Er konnte in seinen Untersuchungen zu den Grafen Schlick als Pfandherren der westböhmischen Stadt Elbogen (Loket/CZ) auf den für diese Zeit äußerst seltenen Befund einer Parallelüberlieferung zurückgreifen. Einer Chronik der Stadt, welche den Zeitraum von 1471 bis 1504 abbildet, konnte er mehrere Briefe des Pfandherrn Sebastian Schlick, die sich im Dresdener Hauptstaatsarchiv erhalten haben, in einer vergleichenden Studie gegenüberstellen. Den konkreten Anlass der spätmittelalterlichen Aufzeichnungen bot eine Konfliktsituation, die zwischen den Stadtbewohnern, benachbarten Adelsfamilien und den Grafen Schlick entbrannt war. Das Verhältnis zum ungeliebten Pfandherrn hatte sich schließlich derart zugespitzt, dass die Stadtbürger das Grafenschloss belagerten und besetzten. Sebastian Schlick konnte seinen Adelssitz nur mit sächsischer Hilfe zurückerobern. Während die Stadtchronik die Sicht der Bürger auf die Ereignisse widergibt und die Pfandherrn dabei erwartungsgemäß äußerst negativ dargestellt werden, bilden die Rechtfertigungsschreiben Schlicks gleichsam die Gegenposition dazu. Die sehr unterschiedliche Darstellung und Auslegung ein- und desselben Gesamtereignisses dokumentieren eindrücklich Bedeutung der Schreibmotive der Verfasser für die Geschichtsüberlieferung.
Anschließend geleitete Dr. Woiciech Mrozowicz vom Staatsarchiv Wrocław nach Schlesien und stellte die Stadtchronistik Breslaus um das Jahr 1500 vor. Anhand von vier ausgewählten Chronikwerken versuchte der Referent aufzuzeigen, dass sich lokal auch eigene Schreibtraditionen ausbilden konnten, denn die Beispiele würden nicht bewusst an deutsche Traditionslinien anknüpfen. Der ebenfalls aus Breslau stammende Historiker Dr. Roland Czarnecki referierte über die Arbeitsweise des Namslauer (Namysłów/PL) Stadtschreibers Johannes Froben (1462/69 - ca. 1510). Dieser habe, so der Referent, seine Erzählungen ausschließlich chronologisch angeordnet; als Quellen habe er sowohl mündliche als auch schriftliche Überlieferungen, mithin sogar gedruckte zeitgenössische Geschichtswerke herangezogen. Im Gegensatz zur Arbeitsweise manch anderer Schreiber verfasste er seine Schriften nicht in einem „vornehmen“ Stil, da für ihn ausschließlich der Inhalt ausschlaggebend gewesen sei. Die Abkehr von scheinbar etablierten formalen Stil- und Aufbauregeln mache die Schrift des Johannes Froben besonders interessant für die Chronistikforschung. Mit ausgewählten Zitatbeispielen veranschaulichte Czarnecki die teilweise ironischen und spöttischen Ausführungen Frobens. Um bestimmte Sachverhalte zu dramatisieren, bediente sich der Schreiber sogar fingierter Dialoge.
Die Nachmittagssektion entführte zu den nördlichen Nachbarn, nach Brandenburg und in die Niederlausitz. Dr. Klaus Neitmann, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, berichtete ebenfalls von einem spätmittelalterlichen Konflikt einer Stadt mit ihren adligen Stadtherrn im Spätmittelalter. Allerdings handelte es sich bei der Aufzeichnung um eine spezielle Literaturgattung, denn die Fehde der Stadt Beeskow in der nördlichen Niederlausitz mit Johann IV. von Biberstein im Jahr 1425 ist in einem Urkundenkopiar verzeichnet. Aufgrund einer älteren Erbschaft beanspruchte der Bibersteiner die Herrschaft über die Stadt, obwohl diese sich bereits seit einiger Zeit im Besitz der Herzöge von Pommern-Stettin befand. Eine List Bibersteins führte schließlich zur heimlichen Besetzung der Stadt durch seine Mannen. Daraufhin verlangte er unter Androhung von Gewalt die Huldigung von den Bürgern. Neun von 52 Seiten des Kopiars schildern nahezu episch aus der Perspektive der Stadt die „grausamen“ Taten Bibersteins. Auch hier bediente sich der Schreiber der Wiedergabe eines Dialogs zwischen den Bürgern und dem Adligen um die Dramatik der Ereignisse hervorzuheben.
Dr. Heinrich Kaak von der Universität Potsdam führte schließlich ein brandenburgisches Beispiel in den Vergleich ein. Die Prenzlauer Chronik des Christoph Süring (1615-1673) dürfte vermutlich auf Wunsch zahlreicher Stadtbürger entstanden sein, wie Kaak vermutet. Sie ist dennoch ein Beispiel klerikaler Provenienz, denn ihr Verfasser war der Pfarrer der Prenzlauer Kirche St. Sabinen. Genaugenommen handle es sich bei der besprochenen Chronik um zwei überlieferte Werke. Eine wohl frühere Handschrift „A“ charakterisierte der Referent als vermutlichen Chronikentwurf, der dennoch inhaltliche Unterschiede aufweist. Die eigentliche Chronik, Variante „B“, sei dagegen sehr wahrscheinlich als Vorlage für einen geplanten Druck entstanden. Einer kurzen Beschreibung der historischen Stadt Prenzlau folgt zunächst die chronologische Wiedergabe der Ereignisse der Jahre 1105 bis 1587 und gleich anschließend der Jahre 1653 bis 1670. Mithin besteht eine Lücke zwischen 1587 und 1653. Dennoch dürften diese einst existiert haben und der Referent äußerte seine Hoffnung, auf diesen Teil noch zu stoßen. Interessant an diesem Geschichtswerk sei die Selbstdarstellung des Schreibers. Süring erwähnte sich demnach selbst über fünfzig Mal. Als besonders bemerkenswert hob Kaak die Behandlung negativer Ereignisse in der Chronik hervor. Wohl in der Absicht, diese nicht allen Lesern zugänglich machen zu können, schrieb der Prenzlauer Pfarrer solche in der Regel in lateinischer Sprache nieder – wiederum ein Beispiel für den aktiven Eingriff der Chronisten in die Geschichtstradierung.
Am Ende der Referate übernahm Dr. Mario Müller von der TU Chemnitz die Aufgabe das an zwei Tagen Vorgestellte und Gehörte zusammenfassen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Stadtchroniken hinsichtlich personellem Hintergrund, Gattungsfragen, Motiven, Inhalten und Verschriftlichungsstilen von Stadtgeschichte in sieben Punkten herauszuarbeiten und so Ergebnisse und Stand wie auch Desiderate der Stadtchronistikforschung aufzuzeigen.
Als erster Schritt sollen die Referate alsbald in einen Tagungsband münden.
Nach diesen geistigen Auseinandersetzung boten eine Stadtführung sowie der Besuch des Bautzener Archivverbunds mit Grit Richter-Laugwitz und Anja Moschke und des Domstiftsarchivs mit Dr. Birgit Mitzscherlich die Gelegenheit, sich mit der Gastgeberstadt Bautzen und ihren archivischen Besonderheiten und Schätzen vertraut zu machen. Eine mehr als 30.000 Bände umfassende Bibliothek des Domstifts, die sowohl eine Vielzahl äußerst seltener alter Drucke als auch die einschlägige sammlungsspezifische Literatur der Jetztzeit vereint, ließ die Teilnehmer zum Beispiel in andächtiges Staunen geraten.
Bericht zur Frühjahrstagung vom 19. bis 20. April 2013 in Görlitz
von Dr. Arnold Klaffenböck, Salzburg
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) lud am 19. und 20. April ihre Mitglieder zur diesjährigen Frühjahrstagung mit anschließender Mitgliederversammlung nach Görlitz ein. Die Veranstaltung, die im Johannes-Wüsten-Saal des Kulturhistorischen Museums abgehalten wurde, hatte erfreulich viele Interessierte in das traditionsreiche Haus in der Neißstraße gelockt. Neben dem abwechslungsreichen Programm dürfte auch die anstehende Neuwahl des Präsidiums in der Mitgliederversammlung für den regen Zuspruch ausschlaggebend gewesen sein.
Am Freitagabend galt es zunächst, einen freudigen Anlass zu begehen. Nach umfassender Sanierung konnte die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) wieder ihrer Bestimmung übergeben werden. Zu Ehren des langjährigen Sekretärs der OLGdW, des Görlitzer Ratsarchivars und Stadthistorikers Richard Jecht (1858-1945), wurde das stark erweiterte und für den modernen Nutzungsbetrieb umfassend adaptierte Bibliotheksgebäude in "Richard-Jecht-Haus" umbenannt. Beim rückwärtigen Eingang des Komplexes am Haus Handwerk 2 weist nunmehr eine Tafel auf den Namenspatron hin. Der feierlichen Eröffnung wohnten übrigens auch elf Mitglieder der Familie Jechts bei, darunter drei von vier noch lebenden Enkelkindern, die ihren Großvater noch persönlich kennenlernen durften. Einer von ihnen, Ekkehard Jecht, sprach im Namen der Familie zu den versammelten Gästen. Die berührenden Erinnerungen und Anekdoten ließen den Menschen und Privatmann Richard Jecht spürbar werden, der in der Öffentlichkeit so bisher kaum bekannt gewesen dürfte.
Nach den Grußworten von Dr. Steffen Menzel, dem Präsidenten der OLGdW, und Siegfried Deinege, Oberbürgermeister der Stadt Görlitz, skizzierte Matthias Wenzel als Leiter der OLB die 650-jährige Geschichte der Bibliothek. Der Vortrag spannte einen Bogen von der Schenkung der so genannten Milichschen Bibliothek, die der Schweidnitzer Jurist Johann Gottlieb Milich im Jahre 1726 der Stadt Görlitz testamentarisch vermachte, über die bibliophile Sammlungstätigkeit der 1779 gegründeten OLGdW bis hin zur Gründung der OLB im Zusammenhang mit der Unterbringung des städtischen Museums im vormaligen Gesellschaftshaus der OLGdW nach 1945. Dass deren Entwicklung leider nicht immer gedeihlich verlief, wurde mehr als deutlich. So rief M. Wenzel in Erinnerung, dass die Buchbestände durch Auslagerungsverluste während des Zweiten Weltkrieges empfindlich geschmälert und die Sammlungen selbst zu DDR-Zeiten von Begehrlichkeiten und der Auflösung bedroht gewesen waren. Unter diesen Vorzeichen müsse ihre Bewahrung und die Weiterführung als wissenschaftliche Einrichtung als besonderer Glücksfall betrachtet werden. Heute gelte die OLB mit rund 140.000 Bänden als wichtigste regionale Bibliothek zwischen Dresden und Breslau/Wrocław. Im Anschluss wurden die Besucher zu einem Empfang im Arkadenhof des Barockhauses gebeten und konnten die Räumlichkeiten des neuen Benutzerbereiches selbst in Augenschein nehmen. In Gestalt einer Porträtbüste, die hier in einer Nische platziert wurde, ist Richard Jecht in "seinem" Haus gegenwärtig. Die Übergabe der Plastik erfolgte durch Ekkehard Jecht an Matthias Wenzel zum Dank dafür, dass die Bibliothek das Vermächtnis bzw. Ansehen Richard Jechts in Ehren halte.
Bild 1: Preisverleihung zum Hermann-Knothe-Preis; Bild 2: Preisverleihung zum Jacob-Böhme-Preis; Bild 3: Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der OLGdW und der Stadt Görlitz
Das Programm des Samstagvormittages bestimmten zwei Preisverleihungen und mehrere Vorträge. Bereits zum vierten Mal konnte die OLGdW den Hermann-Knothe-Preis verleihen, der zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ins Leben gerufen worden war. Nach Kai Wenzel, Markus Lammert und Martin Brützke wurde die Auszeichnung diesmal Jan Bergmann (Dresden) zuerkannt. Für preiswürdig befunden hatte die Jury J. Bergmanns Abhandlung zu Joachim Sigismund von Ziegler und Klipphausen (1660-1734) und der Errichtung des evangelischen weltadeligen Fräuleinstifts Joachimstein bei Radmeritz/Radomierzyce zwischen 1712/13 und 1728. Die Einrichtung diente der Aufnahme und Versorgung lediger adeliger Frauen und erfüllte die sozial-karitativen Absichten des Gründers bis zur Auflösung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Architektonisch zählt die Anlage bis heute zu den wichtigsten Zeugnissen des sächsischen Barock. In seinem Referat zeichnete J. Bergmann nicht nur die eigenwillige Motivation des kinderlos gebliebenen Bauherrn für diese Stiftung, nach, wo erbrechtliche Gründe eine maßgebliche Rolle gespielt haben dürften, sondern wies auch auf die sorgfältige Planung und die umsichtigen Vorbereitungen des Auftraggebers hin, der zuvor ähnliche Anstalten besucht hatte. Der Vortrag machte deutlich, dass Joachimstein mehrere Anliegen in sich vereint, nämlich adelige Repräsentation und Selbstdarstellung sowie Wohltätigkeit und Uneigennützigkeit. J. Bergmanns Aufsatz soll in der nächsten Ausgabe des "Neuen Lausitzischen Magazins" publiziert werden.
Zum ersten Mal vergeben wurde dagegen der gleichfalls als Förderungspreis initiierte Jacob-Böhme-Preis, den das Internationale Jacob-Böhme-Institut Görlitz e. V. und die OLGdW gemeinsam ausschreiben. Von den drei Bewerbern setzte sich die italienische Philosophin Cecilia Muratori (München) durch, die u. a. als Übersetzerin von Böhmes Hauptwerk "Aurora oder Morgenröte im Aufgang" ins Italienische Verdienste erlangt hat. In der prämierten Arbeit beschäftigte sich C. Muratori mit dem Verhältnis zwischen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) und Jacob Böhme (1575-1624). Anhand von Hegels Kommentaren und Ausführungen insbesondere zu Böhmes Sprache zeigte sie auf, welches Verständnis Ersterer für den ersten deutschen Philosophen hatte und welche Bedeutung Hegel seinem Vorgänger beimaß. Die Preisverleihung nahmen der Präsident der OLGdW, Dr. Steffen Menzel, der Vorsitzende des Internationalen Jacob Böhme-Instituts, Herr Dr. Thomas Regehly, sowie als Vertreter der Stifter der Oberbürgermeister der Stadt Görlitz Siegfried Deinege vor. Zuvor war es zu einer denkwürdigen Vereinbarung zwischen der OLGdW und der Stadt Görlitz gekommen, die die künftige Nutzung der historischen Sammlungen der OLGdW durch die heutigen Gesellschaftsmitglieder regelt.
Die zweite Hälfte des Samstagvormittages war den Vorträgen von Mitgliedern unserer Gesellschaft vorbehalten. Dr. Christian Speer (Halle/Saale) stellte das Forschungsprojekt "Index Librorum Civitatum". Verzeichnis der Stadtbücher des Mittelalters und der frühen Neuzeit" vor, das an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt ist und seit 1. April 2011 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wird. Ab dem 13. Jahrhundert wurden Stadtbücher als Kodizes von den städtischen Beamten aus Verwaltungsgründen geführt und enthielten rechtlich verbindliche Anordnungen. Sie bilden ein wichtiges Instrument historischer Grundlagenforschung, erlauben sie doch aufschlussreiche Einblicke in das urbane Leben während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Bereits zu DDR-Zeiten hatte die wissenschaftliche Erfassung der Stadtbücher begonnen, war später aber zum Erliegen gekommen. Das Index-Projekt knüpfe daran an und verfolge das Ziel, mögliche alle Stadtbücher auf dem Gebiet der neuen Bundesländer nachzuweisen und zu dokumentieren. Gegenwärtig verzeichne die Datenbank Stadtbücher für 446 Städte einschließlich Bestandsaufnahme. Mittels Grafiken wies C. Speer auf das Gefälle in der Verteilung von Stadtbüchern innerhalb des Untersuchungsgebietes hin: Während Sachsen die höchste Dichte zeige, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Thüringen, sinke sie in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern deutlich, am niedrigsten falle sie in Berlin aus. Welch unterschiedliches Aussehen die Stadtbücher hinsichtlich Einbandgestaltung, materieller Ausstattung und Stärke des jeweiligen Bandes haben können, veranschaulichte C. Speer durch Abbildungen heimischer Beispiele, darunter einige eindrucksvolle aus dem Kamenzer Ratsarchiv. (Weiterführende Informationen zum Index-Projekt finden sich im Internet unter www.stadtbuecher.de)
Daran anschließend folgte ein Vortrag Tino Frödes (Olbersdorf) über die Mitgliederentwicklung in der OLGdW seit ihrer Gründung bis zur vorläufigen Auflösung im Mai 1945. Da der Referent krankheitshalber nicht anwesend sein konnte, wurde der Vortrag von Dr. Steffen Menzel verlesen. Zum ersten Mal, so T. Fröde, sei von ihm der Versuch unternommen worden, durch systematische Auswertung von Unterlagen aus dem erhaltenen Archiv der Gesellschaft, darunter Mitgliederverzeichnissen und Karteizetteln, statistische Aussagen über Mitgliederzahlen, Altersdurchschnitt, Dauer der Mitgliedschaft sowie das beruflich-akademische Umfeld dieser Personen zu gewinnen. Für den genannten Zeitraum seien insgesamt 2091 Mitglieder eruiert worden, wobei Phasen starker Zuwächse - etwa nach den napoleonischen Kriegen bis in die 1840er-Jahre oder später zur Jahrhundertwende bzw. nach dem Ersten Weltkrieg - mit Abschnitten der Stagnation und des Rückganges wechselten. Bei anfänglich 49 Mitgliedern im Gründungsjahr erreichte die Zahl 1924 mit 278 ihren Höchststand, um bei der Liquidierung der OLGdW ca. 138 zu betragen. Beruflich gehörten sie überwiegend den gebildeten Schichten an, insbesondere Lehrer und Geistliche, aber auch Vertreter aus dem Verwaltungs- und Rechtswesen seien ihr beigetreten. Unter den Mitgliedern aus Adelskreisen konnte T. Fröde vornehmlich die Familien von Gersdorff, von Wiedebach-Nostitz und von Salza nachweisen. Abgerundet wurde der Überblick mit exemplarisch herausgegriffenen Kurzbiografien zu einigen bemerkenswerten Persönlichkeiten und Gelehrten, die zugleich das weite Betätigungsfeld und die vielfältigen Interessengebiete der Genannten erahnen ließen, wie Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (1777-1856), Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Ernst Gütschow (1869-1946) als Generaldirektor der Dresdner Zigarettenfabrik Jasmatzi und Besitzer von Burg Tzschocha/Czocha oder der Berliner Verleger Alfred Richard Meyer (1882-1956).
Unter dem Titel "Willkürliche Kategorien oder wissenschaftliche Systematik" würdigte Uwe Hornig (Oppach) zum 100. Geburtstag von Willi Hennig (1913-1976) die wissenschaftliche Tätigkeit dieses aus der Oberlausitz stammenden Biologen und Insektenforschers. Als Spezialist für Zweiflügler erwarb er Verdienste als Mitarbeiter am Deutschen Entomologischen Institut in Berlin-Friedrichshagen sowie als Bediensteter des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart. Mit seinem 1950 erschienen Buch „Grundzüge einer Theorie der phylogenetischen Systematik“ revolutionierte er die Systematik in der Biologie und kann in eine Reihe mit Carl von Linné gestellt werden. U. Hornig berichtete auch von den inzwischen erfolgreichen Bemühungen der Gemeinde Oppach, die dortige Grundschule nach Willi Hennig zu benennen, um die Erinnerung an diesen Naturwissenschaftler in seiner Heimat aufrechtzuerhalten.
Zuletzt präsentierte Dr. Lars-Arne Dannenberg (Königsbrück) die von ihm edierten "Annalen der Stadt Kamenz" des Caspar Haberkorn, die als nunmehr schon siebter Band der wiederbegründeten Reihe "Scriptores rerum Lusaticarum" vorgelegt werden konnten. Das gemeinhin als "Haberkornsche Chronik" bekannte Geschichtswerk stellt für Kamenz das wohl wichtigste Zeugnis zur Stadtgeschichte im Mittelalter und der Frühen Neuzeit dar. Beginnend mit der Gründung von Kamenz im Jahre 1200 setzte sich der Schulrektor und Ratsherr Caspar Haberkorn (ca. 1550-1618) Neujahr 1589 an die Aufzeichnungen, die er bis 1593 vornimmt, ehe sie abrupt abbrechen. Um einen Eindruck von der Diktion, vor allem jedoch der Vielfalt des thematischen Spektrums zu geben, trug L.-A. Dannenberg besonders aussagekräftige Passagen aus der Chronik vor. Berichte von Ehebruch und Unkeuschheit, die vor Gericht kamen und auf dem Schafott endeten, aber auch von kurios-tragischen Unglücksfällen, wie dem tödlichen Sturz vom morschen Blumenbrett am Fenster, gewähren Einblicke in damals herrschende Sitten und Moralvorstellungen sowie das alltägliche Leben einer Kleinstadt.
Am Nachmittag fand traditionell die Mitgliederversammlung, mit dem Rechenschaftsbericht statt. Da nach vier Jahren Amtszeit turnusgemäß die Wahl eines neuen Präsidiums anstand, war ein Bericht über die geleistete Arbeit angebracht. Es war eine äußert erfolgreiche Amtszeit. Vieles wurde auf den Weg gebracht: u. a. eine neue Homepage erstellt, die beständig aktualisiert und erweitert wird und von den Aktivitäten der Gesellschaft berichtet. Es wurden spannende und außerordentlich gut besuchte Tagungen organisiert; zahlreiche Publikationen wurden vorgelegt und sogar die Reihe "Scriptores rerum Lusaticarum" konnte mit mittlerweile zwei Bänden wiederbelebt werden. So wurden Dr. Steffen Menzel als Präsident, Dr. Lars-Arne Dannenberg als Vizepräsident, Matthias Wenzel als Sekretär wiedergewählt. Da Tino Fröde nicht zur Wiederwahl antrat, wurde Dr.-Ing. Volker Dähn zum neuen Schatzmeister gewählt. Für die drei ausstehenden Beisitzerposten hatten mit Prof. Winfried Müller, Dr. Uwe Koch, Dr. Christian Speer sowie Kai Wenzel vier Anwärter kandidiert, wodurch eine geheime Wahl notwendig wurde. Gewählt wurden schließlich Prof. Winfried Müller mit 48 Stimmen, Dr. Uwe Koch mit 49 Stimmen, Kai Wenzel mit 50 Stimmen, während Dr. Christian Speer 14 Stimmen erhielt.
Bericht zur Herbsttagung "Musik und Reformation" vom 14. bis 15. September 2012 in Görlitz
von Sven Rössel, Leipzig
Als eigener Beitrag zur Lutherdekade unter dem diesjährigen Motto »Musik und Reformation« veranstaltete die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) zum Thema »Musik und Konfessionskulturen in der Oberlausitz der Frühen Neuzeit« ihre diesjährige Herbsttagung am 14./15.09.2012 in Görlitz. Dass hierbei nicht Grenzgebiete, sondern bisher wenig erforschte Themen eines bedeutenden Kulturraumes in Mitteleuropa beleuchtet wurden, ist der Tagungsleitung von Thomas Napp M.A. (Görlitz) und Dr. Christian Speer (Halle/Saale) zu verdanken.
Im historischen Johannes-Wüsten-Saal des Kulturhistorischen Museums in Görlitz wurde die Veranstaltung mit zwei Abendvorträgen aus kirchen- und musikgeschichtlicher Perspektive eröffnet (Leitung: Napp/Speer). Prof. Dr. Remigiusz Pośpiech (Wrocław/Opole) referierte zunächst zum Thema »Musik, Kirche und Konfession am Beispiel Böhmen-Schlesiens« bevor Dr. Hartmut Kühne (Berlin) einen Beitrag zur lutherischen Frömmigkeit des 17. Jahrhunderts leistete, indem er über die »Die Wunderbrunnen von Hornhausen und Gottschdorf bei Königsbrück« sprach. Der Abend konnte durch die Kooperation mit dem 87. Bachfest (durchgeführt von der Neuen Bachgesellschaft e.V.) für alle Teilnehmer beim Sinfoniekonzert der Neuen Lausitzer Philharmonie bei Bachscher Musik und Mendelssohns Reformationssinfonie ausklingen.
Der erste Block (Leitung: Dr. Jasper von Richthofen) des nächsten Tages beinhaltete die Einführungsvorträge zum Tagungsthema. Dr. Christian Speer (Halle/Saale) gab einen Überblick über die »Reformation in Görlitz und in der Oberlausitz«. Dass die Oberlausitz eine Drehscheibe des kulturellen Austausch zwischen Sachsen, Böhmen und Schlesien war, konnte Thomas Napp M.A. (Görlitz) mit seiner »Musikgeschichte der frühneuzeitlichen Oberlausitz« anschaulich nachweisen.
Dem Glauben und der Musik der Schwenckfelder (Leitung: Dr. Hartmut Kühne) war der zweite Block gewidmet. Die Einführung zur Lehre des streitbaren Caspar Schwenckfelds (1490-1561) vermittelte Oberkonsistorialrätin Margrit Kempgen (Görlitz). Bevor Dr. Ute Evers (München) »Das geistliche Lied der Schwenckfelder« von der Entstehung bis ins 19. Jahrhundert untersuchte, verwies Dr. Dietrich Meyer (Herrnhut) anhand der theologischen Auseinandersetzung Caspar Schwenckfelds mit der Lutherischen Bewegung auf die Modernität dieser Glaubensauslegung.
Der dritte Block befasste sich mit Konfession, Kirchenraum und Musik (Leitung: Margrit Kempgen). Das berühmte Gesangbuch von Johann Leisentrit von 1567 wurde von Dr. Rüdiger Laue (Bautzen) nach den Kriterien Lied, Katechismus und Bild untersucht. Über seine Ausgrabungen zur Musikgeschichte an der Schweidnitzer Friedenskirche in der Zeit von 1652-1700 informierte Dr. Stephan Aderhold (Berlin/Świdnica). Dr. Ulrich Schöntube (Berlin) erläuterte die biblischen und emblematischen »Emporenbildzyklen in der Oberlausitz« mit besonderem Augenmerk auf der Oybiner Bergkirche.
Im vierten Block »Die Oberlausitz und ihre Nachbarn« (Leitung: Dr. Ute Evers) ergründete Sven Rössel (Leipzig) das überregionale »Musik-Netzwerk« von Andreas Hammerschmidt. In seinem Vortrag wies Dr. Hans-Otto Korth (Kassel, Halle/Saale) unter musikalischer Beteiligung der Besucher den Beitrag Böhmens zur Melodiegeschichte nach und erläuterte so die Zusammenhänge der Gesangbücher im Konfessionsraum Oberlausitz in ihrer religionsübergreifenden Bedeutung.
Den Epilog zur Veranstaltung hielt Dr. Steffen Menzel als Präsident der OLGdW und kündigte einen Tagungsband an, der 2013 erscheinen soll.
Bericht zur Frühjahrstagung vom 20. bis 21. April 2012 in Görlitz
von Dr. Arnold Klaffenböck
Wenngleich die im Frühling abgehaltenen Tagungen der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) üblicherweise eine bunte Mischung unterschiedlicher Themen und Inhalte bieten, wobei die Präsentation von Forschungen durch Mitglieder der Gesellschaft im Zentrum stehen, bildete sich dieses Mal ein kleiner Schwerpunkt aus, der sich um die reiche Historie, Überlieferung sowie das Erbe der OLGdW lagerte. Dies geschah aus aktuellem Anlass: Nach weitgehendem Abschluss der umfassenden Innenrenovierung des Barockhauses in der Neißstraße war es nach längerer Unterbrechung nämlich wieder möglich, für die Vorträge am 20. und 21. April den neu gestalteten Johannes-Wüsten-Saal zu nutzen. In seinen Begrüßungsworten würdigte Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, die gelungene Restaurierung des Gebäudes bzw. seiner wertvollen Bestände und drückte seine Freude aus, dass die Gesellschaft jetzt wieder in „ihrem“ Haus tagen könne. Menzel wies auf die neu adaptierte Dauerausstellung des Kulturhistorischen Museums hin, die nun stärker als zuvor an die Gründergeneration der OLGdW und an ihre Traditionen erinnere, an welche man heute anzuschließen versuche.
Der Freitagabend gehörte zwei detaillierten Gastvorträgen, die geographisch in die nordöstliche Oberlausitz führten. Dr. Lupold von Lehsten (Institut für Personengeschichte Bensheim) stellte die Adelsfamilie von Callenberg vor, die für etwa 150 Jahre die Standesherrschaft Muskau besaß und mit Hermann Graf von Callenberg Ende April 1780 den ersten Vorsitzenden unserer Gesellschaft stellte. Von Lehsten ging den Ursprüngen der Callenbergs im hessisch-westfälischen Raum nach und konnte zeigen, dass die Familie Beziehungen zu ihrem Herkunftsgebiet und Angehörigen dort weiterhin aufrechterhielt, als sie, nach der Heirat des Kurt Reinicke von Callenberg mit Ursula Catharina Burggräfin zu Dohna, längst in Muskau sesshaft geworden war. Die Standesherrschaft wurde als angemessener Besitz angesehen und dementsprechend ausgestattet, was sich etwa im großzügigen Wiederaufbau von Stadt und Schloss Muskau ausdrückte, aber ebenso in der systematischen Wirtschaftspolitik der Callenbergs, die sich etwa in der Ansiedelung böhmisch-schlesischer Exulanten, im Aufbau einer eigenen Verwaltung oder in gezielten Ankäufen von Gütern zur Abrundung des Territoriums niederschlug. Darüber hinaus kümmerten sie sich um kirchliche Belange und bemühten sich um die Sicherung der Seelsorge der sorbischen Bevölkerung innerhalb ihres Herrschaftsgebietes. Ähnlich wie ihre Vorfahren traten die Callenbergs in der Oberlausitz in landesherrschaftliche Dienste, um so die Karriere zu befördern.
Im Anschluss sprach Dr. Peter Milan Jahn (Sorbisches Institut Bautzen) über die Volksaufklärung im späten 18. Jahrhundert, die zur Massenalphabetisierung während des 19. Jahrhunderts führen sollte. Die Vertreter der Oberlausitzer Spätaufklärung sahen es als dringliche Aufgabe, die drückenden Verhältnisse bei der überwiegend ländlich-agrarischen Bevölkerung mittels Bildung zu verbessern. Bildung sollte der Selbstreinigung, der sittlichen Erneuerung der Gesellschaft dienen und den moralischen Zustand des Volkes heben. In diesem Verständnis betätigten sich die Muskauer Standesherren durch Unterstützung des Land- bzw. Volksschulwesens, insbesondere Johann Alexander von Callenberg. Hinter solchen Ambitionen steckte das Interesse, den Analphabetismus sowie die stark verbreitete kollektive Feindseligkeit gegen Schriftlichkeit, die als Ausdruck von Herrschaftsgewalt und damit als Bedrohung der mündlich tradierten Volkskultur empfunden wurde, zu überwinden. Als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen wählte P. Jahn den schriftstellernden Bauern Hanzo Njepila (1766–1856) aus dem Dorf Rohne im Kirchspiel Schleife, langjähriger Forschungsgegenstand seiner umfangreichen, im Domowina-Verlag publizierten Dissertation (vgl. dazu die Rezension von Friedrich Pollack in der aktuellen Ausgabe des Neuen Lausitzischen Magazins). Njepila schien als Beispiel insofern gut geeignet, da er selbst eine Ausbildung durch eine Landschule in der Muskauer Heide erhalten hatte. Auf dem Gebiet der Muskauer Standesherrschaft dürfte während der Spätaufklärung die erste Volksschule Kursachsens eingerichtet worden sein. Vermutlich geschah dies unter dem Eindruck ähnlicher Bestrebungen im benachbarten schlesischen Herzogtum Sagan. Maßgebliche Einflüsse für die Gründung solcher „Pilotschulen“ gingen von Johann Heinrich Friedrich Herwig, dem Prediger an der Wendischen Kirche zu Muskau aus, der mehrere pädagogische Einrichtungen etablieren konnte.
Abbildung Flyer Titelblatt
Sonnabends erwartete die Tagungsgäste, die Jasper von Richthofen als Leiter des Kulturhistorischen Museums Görlitz begrüßte, ein abwechslungsreiches Programm. Er drückte die Hoffnung aus, dass die Verbindungen zwischen der OLGdW und den Institutionen im Barockhaus sich künftig verstärken und die in der neuen Schau deutlich zutage tretenden Traditionslinien zu enger Zusammenarbeit führen würden. Daraufhin erfolgte die Überreichung des Hermann-Knothe-Preises, der zum dritten Mal nach seiner Wiederbegründung vor sechs Jahren übergeben werden konnte. In seiner Laudatio wies der Präsident der OLGDW, Dr. Steffen Menzel, auf die schwierige Entscheidungsfindung hin, aus den vier eingereichten Bewerbungen einen Wettbewerbssieger zu küren. Die Entscheidung fiel schließlich auf den gebürtigen Chemnitzer Martin Brützke (Mainz), der die Rolle der Sechsstädte der Oberlausitz zwischen dem Pönfall 1547 und dem Dreißigjährigen Krieg untersuchte. Bezüglich ihrer Position ging er der Frage nach, ob es dem Bund angesichts jener Zäsuren gelang, seinen Status beizubehalten oder aber hinsichtlich seiner Bedeutung dauerhaft eingeschränkt wurde. Anhand von Ergebnissen durch Auswertung historischer Quellen legte M. Brützke dar, dass die Sechsstädte zwar unter den Zeitläufen und restriktiven Maßnahmen wie dem Verlust an Privilegien litten, faktisch und juristisch jedoch ihre Funktionalität bewahrten und nicht marginalisiert wurden. Durch den Pönfall sei ein Machtverlust eingetreten, gravierende Schäden seien dem städtischen Gemeinwesen eher durch wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Überschuldung entstanden. Indizien dafür, dass der Bund ungeachtet der politischen und kriegerischen Einschnitte weiterhin funktionierte und die Zusammenarbeit fortsetzte, sah M. Brützke etwa durch Dokumente bestätigt, die belegen, dass die Städte auch außerhalb der Konvente ihre Kommunikationsstrukturen nutzten oder bei Bedarf Zusammenkünfte durchgeführt werden konnten. Die Übergabe des diesjährigen Hermann-Knothe-Preises erfolgte durch den der Präsidenten der OLGdW gemeinsam mit dem Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick. Er erinnerte daran, dass die früheren Sechsstädte die historisch begründete Partnerschaft in jüngerer Zeit wiederbelebt hätten und dieses Erbe unter den geänderten Vorzeichen mit Erfolg fortführen würden.
Auch in diesem Jahr nutzten Mitglieder der OLGdW die Gelegenheit, Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Forschung vorzustellen oder von publizistischen Projekten zu berichten. Constanze Herrmann (Kulturhistorisches Museum Görlitz) widmete sich Adolf Traugott von Gersdorf und der topographischen Erfassung der Oberlausitz im Zeitalter der Aufklärung. Die Idee hierzu hing eng mit der noch jungen OLGdW zusammen, so erschien unmittelbar nach ihrer Gründung ein „Plan zur Topographie des Markgrafthums Oberlausitz“, der das ambitionierte Vorhaben erklärte. Nacheinander sollten die natürliche, die statistische, die politische und die topographische Beschaffenheit des Landes erfasst werden, was in Ansätzen auch gelang. Den Ausgangspunkt bildete die Feldmesskunst, um 1800 sei die Topographie als Ortsbeschreibung oder Geländeskizze, welche eine Landschaft durch Angabe der Geländeverhältnisse beschreibt, fixer Bestandteil der kursächsischen Landesvermessung geworden. Topographische Vermerke seien bereits während der 1760er-Jahre in den Reisetagebüchern von Gersdorfs zu entdecken, die Angaben zu Distanzen, Zuständen, Weg- und Chausseeverläufen oder markanten Dingen am Straßenrand enthielten. Diese Informationen seien derart präzise, so C. Herrmann, dass man mit ihrer Hilfe die Hauptverkehrsstrecken in zeitgenössische Karten eintragen und auf diese Weise eine Art von Reiseführer erhalten könnte. Die topographische Landaufnahme der Oberlausitz umfasste Höhenmessungen, Profilskizzen von Höhenzügen und Schilderungen von Aussichten, ferner Panoramen mit eingetragenen und benannten Ortschaften. Adolf Traugott von Gersdorf schuf auf seinem Gut Meffersdorf ein Bezugssystem für die Landvermessung der Oberlausitz, er selbst besichtigte und beging hierzulande nachweislich 81 Aussichtspunkte, die er in Wort und Bild festhielt. Die messtechnische Erkundung der heimischen Topographie wirkte sich nicht zuletzt fruchtbar auf Künstler wie Christoph Nathe aus, die nach dem Vorbild der Zeichnungen von Gersdorfs topographische Blätter anfertigten, darunter Ausblicke von der Tafelfichte, der höchsten Erhebung der Oberlausitz.
Prof. Dr. Dipl.-Ing. Uwe Ulrich Jäschke, Professor für Kartographie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, spann den Faden thematisch weiter und erläuterte zunächst allgemein die Entstehung von Atlanten. Anhand des von ihm 2003 herausgebrachten Vogtlandatlasses zeigte er gestalterische und inhaltliche Möglichkeiten für die Realisierung eines vergleichbaren Kartenwerkes für die Oberlausitz auf, das der Stützung regionaler Identität dienen und als Hilfsmittel bei der schulischen Ausbildung eingesetzt werden könnte.
Anschließend stellte Lucia Henke (Strahwalde) Überlegungen zur urbanen Identität und Erinnerungskultur Zittaus an, die sie mit dem Gedenken Zittaus an die 500. Wiederkehr der Stadterhebung bzw. der Errichtung der Stadtmauern Zittaus im Jahre 1755 in Verbindung setzte. Dabei handelte es sich um geschichtliche Ereignisse, die seitens der Kirche aufgegriffen und gleichsam als Identität stiftende Ereignisse im kollektiven Gedächtnis der Bürger Zittaus memoriert wurden. Es wurde deutlich, dass die historische Jubiläumskultur letztlich aus dem religiösen Kontext heilsvermittelnder Ereignisse hervorging und allmählich durch Profanierung vom ursprünglich sakralen in den weltlichen Bereich überwechselte. Für die ausgeprägte Erinnerungskultur Zittaus im 18. Jahrhundert seien die protestantischen Säkular- bzw. Gedenkfeiern für den Reformator Martin Luther bzw. anlässlich von Ereignissen, die unmittelbar mit ihm in Beziehung standen, vorbildlich gewesen. L. Henke erinnerte etwa an Johann Benedict Carpzovs „Analecta Fastorum Zittaviensium oder Historischer Schauplatz der Löblichen Alten Sechs-Stadt des Marggrafthums Ober-Lausitz Zittau“ von 1716 und an Jubelgedanken eines Zittauer Predigers zu Christi Himmelfahrt 1755 zum Augsburger Religionsfrieden vor 200 Jahren. Am Beispiel einer Vorrede „Es feiert die gütige Mutter Zittau …“, gehalten vom Subrektor des Zittauer Gymnasiums am 12. Juni 1755 wurde ersichtlich, dass in solchen der Memoria gewidmeten Texten auch zeitgeschichtliche Phänomene oder aktuelle Sorgen wie drohende Kriegsgefahr reflektiert wurden – angesichts des tragischen Schicksals Zittaus 1757 eine mehr als düstere Prophezeiung.
Daraufhin stellte Kai Wenzel (Görlitz) ein vor dem Abschluss stehendes Buchprojekt vor, das derzeit unter Beteiligung von Mitarbeitern des Kulturhistorischen Museums bzw. der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften sowie Mitgliedern der OLGdW verwirklicht wird. „In uno museo – Kunst und Wissenschaft um 1800“ lautet der Titel der reich bebilderten Publikation, die erstmals eine Geschichte unserer Gesellschaft, das institutionelle Leben sowie ihre vielfältigen Sammlungen zeigt. Basis für die grundlegende Aufarbeitung des Themas waren finanzielle Mittel aus dem sog. KUR-Projekt, mit dessen Hilfe zahlreiche Objekte aus früherem Gesellschafts- und heutigem Museumsbesitz konserviert und erforscht werden konnten. Das Buch zur Geschichte der OLGdW und ihrer Sammlungen erscheint in der Schriftenreihe des Kulturhistorischen Museums beim Berliner Kerber-Verlag (weitere Informationen finden sich auf der Homepage des Verlages unter: www.kerberverlag.com) und soll zu vertiefenden Forschungen anregen.
Im Rahmen des „Jungen Forums“, einer Plattform für junge Wissenschaftler, die sich mit der Oberlausitz beschäftigen, stellte zunächst Lutz Vogel (Dresden) Betrachtungen zur Einwanderersituation in der sächsischen Oberlausitz im 19. Jahrhundert an. Die Immigranten jener Zeit sollen das Dreiländereck von Sachsen, Böhmen und Schlesien als Transmigrationsraum, folglich als einen im Wesentlichen einheitlichen geographischen Bezugsraum wahrgenommen haben. Kleinräumige Grenzüberschreitungen und beschränkte Wanderungen im grenznahen Gebiet seien für die Oberlausitz dieses Betrachtungszeitraumes charakteristisch gewesen, während Fernwanderungen eher die Ausnahme gewesen sein sollen. Als Ursachen für die beschriebenen Migrationsbewegungen führte L. Vogel in erster Linie wirtschaftliche Gründe an, namentlich die Industrialisierung mit dem wachsenden Bedarf an Arbeitskräften beschleunigte die Mobilität. Die sächsischen Behörden förderten zwar den Zugang befristeter Arbeitsimmigranten in die Oberlausitz, blockierten aber tendenziell die dauerhafte Sesshaftwerdung der Fremden. Am Beispiel von Zittau wurde deutlich, dass jene, die sich für immer niederlassen durften, in der Regel auch lange vor Ort blieben, wenngleich die Integration nicht einfach gewesen sein dürfte.
Ariane Bartkowski (Chemnitz) referierte über die Alchemikerbriefe des Georg Klet (1467–1513), der lange in Görlitz wirkte und dem dortigen Alchemistenkreis angehörte. Klets Korrespondenz sei nicht im Original, jedoch in Abschriften bzw. Drucken in mehreren Varianten überliefert und sie enthielten bemerkenswerte Auskünfte über die alchemistischen Arbeitsweisen, Praktiken und Methoden, die wesentlich auf dem Prinzip der Geheimhaltung beruht haben sollen. Die Briefe erlaubten Rückschlüsse auf Arbeitsgemeinschaften zwischen Klet und anderen Alchemisten, etwa zu Georg Em(m)erich, der ein Laboratorium besaß und in der Scheidekunst bewandert war. Das Fehlen des Em(m)erichschen Familienarchivs erschwere die Erforschung der Beziehungen zu Klet bzw. des im brieflichen Austausch elaborierten Arbeitsverhältnisses.
Zuletzt gab Marcus Warnke (Potsdam) Einblicke in seine entstehende Dissertation, indem er zur Logistik der preußischen Armee während des Siebenjährigen Krieges sowie der Schlüsselrolle der Oberlausitz im Jahre 1757 Stellung nahm. Die präsentierten Ergebnisse der bisherigen Analysen fußen hauptsächlich auf Quellen, die Hinweise zur Versorgung und Logistik, den Ressourcen und Truppenstärken sowie Versorgungs- und Verpflegungsbedürfnissen der Soldaten erlauben. Die Ausführungen machten deutlich, dass die Oberlausitz wegen ihrer topographischen Gegebenheiten, der Naturausstattung und Agrarstrukturen sowie vorhandener Infrastruktur strategisch, operativ und versorgungstechnisch geradezu prädestiniert war, den Kriegsinteressen Preußens zu dienen. Sie wurde zum geographischen und operativen Bindeglied zwischen den beiden Hauptzentren der Truppenkonzentration in Kursachsen und Niederschlesien, wobei Zittau mit dem Salzhaus in der Neustadt als eine der wichtigsten Nachschubstationen und Magazinplätze fungierte – mit verheerenden Folgen, wie die Zerstörung der Stadt im Juli 1757 beweisen sollte.
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung, bei der u. a. eine Satzungsänderung beschlossen wurde, luden Matthias Wenzel von der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften und Kai Wenzel vom Kulturhistorischen Museum zu einem Rundgang durch die adaptierten Räumlichkeiten des Barockhauses in der Neißstraße ein. Während in der ersten Etage vorerst nur die wiederhergestellten Raumfassungen mit den künstlerisch wertvollen Stuckdecken aus der Erbauungszeit zu bewundern sind, zeigt sich das zweite Obergeschoss in vollendeter Schönheit. Präsentiert wird hier eine Dauerausstellung zur Geschichte der OLGdW und ihrer Sammlungen, die thematisch in Kabinetten angeordnet sind, die sich um das einstige Sitzungszimmer des Präsidiums gruppieren. Die Atmosphäre der Raumausstattung vermittelt etwas vom Gründergeist der Aufklärung, denn die Objekte und Kunstwerke erinnern an die natur- bzw. geisteswissenschaftlichen Wurzeln der OLGdW und die mannigfaltigen Forschungsinteressen ihrer Mitglieder. Der Rundgang durch die Bibliothek machte die Besucher mit ausgefallenen Hand- und Druckschriften bekannt und führte eindrucksvoll den trotz Auslagerungs- und Kriegsverlusten immer noch ungewöhnlich reichen gewachsenen Bücherschatz vor Augen.
Bericht zur Herbsttagung "Die Kultur des oberlausitzischen Adels in vergleichender Perspektive vom 16. bis zum 19. Jahrhundert" vom 4. bis 6. November 2011 in Hoyerswerda
von Jan Bergmann, Dr. Lars-Arne Dannenberg, Dr. Arnold Klaffenböck
Zum 4. bis 6. November 2011 veranstaltete die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e. V. (OLGdW) in Verbindung mit dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO) eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Die Kultur des oberlausitzischen Adels in vergleichender Perspektive vom 16. bis zum 19. Jahrhundert“. Das Schloss Hoyerswerda bot als Tagungsstätte den passenden Rahmen. Hoyerswerda war eine der bevorrechteten Oberlausitzer Standesherrschaften, unter deren klangvollen Inhabern sich selbst der Kaiser und König Karl IV. einreihte. 1592 ließ Seyfried von Promnitz anstelle der alten Wasserburg ein dreigeschossiges Renaissanceschloss errichten, das dann 1727 die ehemalige Mätresse Augusts des Starken, die Reichsfürstin Ursula Katharina von Teschen, mit barocken Umbauten versah.
Die mit über 100 Teilnehmern überaus gut besuchte Tagung wurde am Freitagnachmittag durch den Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda, Stefan Skora, eröffnet. In seinem Grußwort stellte er angesichts rapide schrumpfender Einwohnerzahlen Chancen und Perspektiven Hoyerswerdas vor, ehe die Organisatoren der Tagung, Dr. Lars-Arne Dannenberg und Kai Wenzel, thematisch in die Tagung einführten. Sie betonten, dass die Forschung zum Adel der Oberlausitz während der DDR-Zeit nahezu völlig zum Erliegen gekommen sei und auch seit der Wiedervereinigung Deutschlands bislang keine nennenswerte Neubelebung erfahren habe. Dabei hätten sich unter dem Einfluss des sog. „cultural turn“ die Fragestellungen stark gewandelt und es würde längst kein bloß rechts- und verfassungsgeschichtlicher Ansatz mehr verfolgt, wie das noch bei Hermann Knothe und Walther von Bötticher der Fall gewesen war. Knothe etwa hatte gar dem Oberlausitzer Adel gemeinhin eine eigenständige Kultur abgesprochen. Dagegen erkannte Kai Wenzel nunmehr aus der kunsthistorischen Perspektive ein wachsendes Interesse an der Kultur des Adels. Er erinnerte an die teilweise herausragenden Kunst- und Altertümersammlungen sowie die großen adligen Privatbibliotheken, welche in der Oberlausitz zum Teil noch ihrer Entdeckung harren.
Die anschließende erste Sektion, die unter dem Thema „Ausgangspunkte und Vergleichsmomente – Die Oberlausitzer Adelslandschaft in der Frühen Neuzeit“ stand und durch den Präsidenten der OLGdW, Dr. Steffen Menzel, moderiert wurde, eröffnete PD Dr. Jörg Deventer (Simon-Dubnow-Institut Leipzig). Er schlug den Bogen vom Pönfall bis zum Dreißigjährigen Krieg und führte anhand der Familie von Nostitz, speziell Dr. Ulrich von Nostitz († 1552) und Otto von Nostitz († 1630), vor, welche verschiedenen Konsolidierungsstrategien angesichts einer differenten Konfessionalisierung entwickelt wurden. Mangels einer landeseigenen Universität und eines Fürstenhofes waren Oberlausitzer Adlige gezwungen, über die Grenzen des Markgraftums hinaus zu blicken und an den Prager Hof zu gehen. Beide Nostitze erlebten dort ihren politischen Aufstieg, auch wenn dies für Letzteren die Aufgabe des väterlichen Glaubens und die Konversion zum Katholizismus bedeutete.
Im Kontrast zu Dr. Deventers Ausführungen stellte im Anschluss Prof. Dr. Martina Schattkowsky (ISGV Dresden) die „Lebenswelten des kursächsischen Adels im 16. und frühen 17. Jahrhundert“ in vergleichender Perspektive vor. Den Unterschied zur Oberlausitz machte in Kursachsen vor allem die Präsenz des Territorialstaates aus. Die dem Absolutismus immanente Dominanz der Fürstenmacht vor Ort bedingte die langsame Auflösung des Ständestaates, dessen eigentliche „Säulen“ die Vertreter des Niederadels waren, so Schattkowsky. Dies bedeutete für diese aber keinen nennenswerten Einflussverlust, da sie nun stärker in den Hofdienst eingebunden wurden. Weiterhin muss in den Vergleich der beiden Territorien auch die Betrachtung der Agrarverfassung einfließen. Im Gegensatz zur Oberlausitz dominierte in Kursachsen die Grundherrschaft anstelle der Gutsherrschaft. Dies begünstigte eine langsame Integration der ländlichen Verhältnisse in formal rechtsstaatliche Strukturen. So erfolgte bereits früh eine Festschreibung verschiedener Bauernrechte und die Schaffung fester Beschwerde- und Appellationsinstanzen – eine Entwicklung, die in der Oberlausitz erst sehr viel später einsetzte.
Die zweite Sektion eröffnete Silke Kosbab (Archivverbund Bautzen) über die „Bedeutung der Landhäuser in Bautzen für den Adel der Oberlausitz“. Beide Häuser befanden sich unmittelbar im Vorfeld der Ortenburg, dem Sitz der Landvogtei. Intensive Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in den letzten Jahren hatten die baugeschichtliche Erforschung der Gebäude, die heute die Stadtbibliothek und den Archivverbund Bautzen aufnehmen, ermöglicht. In der Frühen Neuzeit trafen sich hier die Vertreter der Landstände, welche zahlenmäßig und auch politisch durch den Adel dominiert wurden. Damit gehörten das Bautzener und das Görlitzer Landhaus zu den wichtigsten administrativen Zentren des Markgraftums.
Anschließend lenkte Dr. Ulrike Ludwig (TU Dresden) den Blick auf ein bemerkenswertes rechtsgeschichtliches Detail: das Duell als adliges Standeszeichen. Das Duell war zwar nicht Bestandteil eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, ja der mitunter tödlich endende Zweikampf war formell sogar verboten. Dennoch galt es als Ausdruck von Feigheit, die Aufforderung zum Zweikampf abzulehnen. Das Duell als Projektionsfläche von Tapferkeit und Ehrgefühl war ein adliges Vorrecht und wurde so zu einem Standeszeichen desselben in der Frühen Neuzeit. Auch wenn realiter jährlich höchstens eine Handvoll Duelle in der Oberlausitz stattfand, zeigt sich doch, dass von landesherrlicher Seite versuchte wurde, diese sogar durch Androhung der Todesstrafe zu verhindern. Dabei zeigt sich auch hier ein signifikanter Unterschied zwischen Kursachsen und der Oberlausitz, denn aus Mangel an rechtskräftigen Mandaten wurde das Vergehen des Duells hier nicht gerichtlich verfolgt.
Dr. Lupold von Lehsten (Institut für Personengeschichte Bensheim) schloss mit seinem Vortrag über die „Frömmigkeit und Kirchenpolitik des Adels der Oberlausitz im Pietismus“ den nachmittäglichen Block ab. Der Referent beschränkte sich aber nicht allein auf den Pietismus, sondern zeichnete den Sonderweg der Oberlausitz im Verhältnis von Kirche und adligem Gutsherrn nach. Das Fehlen eines fürstlichen Hofes führte dazu, dass gemäß dem reformationszeitlichen Grundsatz cuius regio, eius religio auf der Ebene des Gutsherrn über die Konfession der Bevölkerung bestimmt wurde. Im Ergebnis traten der Landadel und die Städte sowie ihre Untertanen zum lutherischen Glauben über. Lediglich die Dörfer des Domstiftes Bautzen und der drei Frauenklöster des Landes blieben bei der alten Konfession. Das im transregionalen Vergleich in Bezug auf die Gutsherren nahezu liberale Klima ermöglichte späterhin sogar die Ansiedelung von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und später auch die Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine durch den Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf († 1760).
Schließlich stellte der Leiter des Museums Schloss Hoyerswerda, Dr. Andreas W. Vetter, kurz das Museum vor und lud zu einem Rundgang durch das Haus ein. Die umfassende Präsentation zur Geschichte der Stadt und Standesherrschaft Hoyerswerda machte die Gäste mit der reichen kulturellen Vergangenheit der Gegend näher bekannt. Der erste Abend mündete in den facettenreichen Vortrag von Prof. Dr. Volkhard Huth, Leiter des Instituts für Personengeschichte in Bensheim. Unter der provokanten Fragestellung „Untergang der Adelswelt? Landes- und kulturpolitische Aspekte eines Elitenwandels“ gingProf. Huth auf die kulturgeschichtliche Leistung dieser Gesellschaftsgruppe ein, wies auf ihre Wandlungsfähigkeit hin und eröffnete dem Plenum neue Sichtweisen; vor allem aber stellte er wichtige und bisher kaum beachtete Aspekte und Potenziale einer solchen Forschung sowohl hinsichtlich eines Vergleichs der Adelslandschaften miteinander als auch des Adels in Bezug auf seine Umwelt heraus. Der anschließende festliche Imbiss, zu dem die OLGdW eingeladen hatte, wurde so zu lebhaften Diskussionen genutzt.
Der Sonnabend (5. November) stand ganz im Zeichen der großen Exkursion. Die Moderation dieses unter der Rubrik „Herrschaftsorte und Herrschaftszeichen – Die Schlösser der Oberlausitz“ geführten Tagungsprogramms übernahm Kai Wenzel (Kulturhistorisches Museum Görlitz). Einführend stellte Dr. Matthias Donath (Dresden) in einem Parforce-Ritt 300 Jahre Architekturgeschichte der Oberlausitzer Schlösserlandschaft anhand reichen Bildmaterials anschaulich dar, ehe es bei herrlichem Herbstwetter auf Spurensuche vor Ort ging. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl mussten zwei Gruppen gebildet werden, die sich gegenläufig zu den Zielen Königswartha, Neschwitz, Gaußig und Uhyst an der Spree bewegten. Dr. Arnold Klaffenböck (Salzburg) stellte mit Königswartha und Neschwitz bedeutende Baudenkmäler aus der Zeit vor und nach dem Siebenjährigen Krieg vor. Während in Königswartha ein charakteristisches Landschloss an der Wende vom Barock zum Frühklassizismus von außen besichtigt werden konnte, bot sich mit dem Alten Schloss zu Neschwitz die Gelegenheit, einen typischen Vertreter des Augusteischen Barock in Augenschein zu nehmen, darunter auch den Anfang des 19. Jahrhunderts im pompejanischen Stil dekorierten Festsaal. Detailliert ging A. Klaffenböck auf die Ikonografie der hochwertigen Plastiken ein, die sich auf die Auftraggeber der Neschwitzer Schlossanlage, Ursula Katharina Reichsfürstin von Teschen und ihren Gatten Friedrich Ludwig von Württemberg-Winnenthal, beziehen Das 1945 zerstörte Neue Schloss des Dresdener Baumeisters Friedrich August Krubsacius hingegen wurde zumindest kursorisch anhand alter Ansichten und Grundrisse illustriert.
Mit Schloss Gaußig erwartete die Teilnehmer ein Objekt, das nach seiner Sanierung wieder einen Eindruck der Schlösser und Herrenhäuser vor der Enteignung und Vertreibung der Besitzer im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges zu vermitteln vermag. Im Gesellschaftszimmer des Schlosses stellte Ivonne Link (Dresden) in einem reich bebilderten Vortrag die Baugeschichte des Hauses und der wertvollen Parkanlage vor. Errichtet als barocker Landsitz erlebte das Schloss im 19. Jahrhundert eine bemerkenswerte Umgestaltung im palladianischen Stil, der den Bau außen und innen bis heute prägt. Im Anschluss bot sich die Möglichkeit die Räumlichkeiten zu besichtigen, geführt durch den Hausherrn Andreas Graf von Brühl-Pohl. Dieser hatte das Anwesen 2005 erworben und betreibt heute ein Schlosshotel.
Der Rückweg nach Hoyerswerda führte über Uhyst an der Spree. Bereits im schwindenden Tageslicht besuchten hier die Teilnehmer eine großartige Schlossanlage, die sich derzeit allerdings mit morbidem Charme zeigt. Trotz des Verfalls immer noch sichtbar ist die spätbarocke Fassadengliederung, die stilistisch Einflüsse des kursächsischen Oberlandbaumeisters Johann Christoph Knöffel verrät. Friedrich Caspar Reichsgraf von Gersdorf hatte mit der Errichtung des Schlosses, dem Bau der Kirche sowie der Gründung einer pietistischen Schulanstalt offenbar den Versuch unternommen, Uhyst zu einer repräsentativen Familienresidenz auszubauen.
Abends erwartete die Teilnehmer noch ein reich gefülltes Vortragsprogramm. Dr. Hermann Freiherr von Salza und Lichtenau (Drehsa), selbst Nachkomme eines der ältesten Oberlausitzer Adelsgeschlechter, referierte in sehr anschaulicher Weise über die Herausbildung und Funktion adliger Standesgerichte in der Oberlausitz. Danach sprachen Thomas Miltschus (Grassimuseum Leipzig) und Isabell Aurin-Miltschus (Barockschloss Delitzsch) über die barocke Schlossanlage von Oberlichtenau, wobei sie ihr Hauptaugenmerk auf den dazugehörigen großangelegten Park richteten, so wie er sich zur Zeit des Grafen Heinrich von Brühl präsentiert hatte. Mithilfe von Plänen erläuterten sie das barocke Schema sowie das komplizierte Achsensystem der unregelmäßigen Anlage, die sie aufgrund stilistischer Merkmale überzeugend Johann Christoph Knöffel, dem bedeutendsten Architekten Kursachsens im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts zuschrieben. Darauf folgend berichteten Kirsten Krepelin und Thomas Thränert aus Berlin über die als Oberlausitzer Sanssouci bekannte imposante Schlossanlage von Hainewalde an der Mandau, das von den Erbauern mit seinem barocken Terrassengarten sowie dem turmartigen Belvedere bewusst auf die bergige Landschaft der südlichen Oberlausitz bezogen wurde. Abgesehen von der komplexen Baugeschichte interessierte insbesondere der Umstand, dass das merkwürdige Erscheinungsbild des Schlosses und rätselhafte Symbole am Gebäude mit dem Freimaurertum des Erbauers zusammenhängen und die Deutung des Ensembles wahrscheinlich nur vor diesem Hintergrund sinnvoll zu sein scheint. Nicht verschwiegen wurde ferner der bedenkliche Erhaltungszustand der Anlage, um die sich nach Kräften ein Förderverein kümmert. Zuletzt wurden durch Mitarbeiter des Staatsarchivs Zielona Góra (Grünberg) die maßgeblich von Dr. Adam Górski erarbeiteten „Regesta Fontium Saganensium“ präsentiert.
Die Sektion 3 am Tagungssonntag stand unter dem Thema „Ausblicke und Perspektiven – Die Oberlausitzer Adelskultur in Zeiten des Übergangs“, moderiert von Dr. Dietlind Huechtker (GWZO Leipzig). Den Auftakt machte Gerold Dubau (Dresden) mit seinem Vortrag „Umbruch Restitutionsedikt (1629). Verordneter Zwang zur Neuorientierung“, der die gemischtkonfessionelle Familie von Bünau in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte.
Im Anschluss stellte Jan Bergmann (Dresden) auszugsweise die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu den Statuten des adligen Fräuleinstiftes Joachimstein von 1744 vor und setzte sie in Beziehung zu ihrem geistigen Vater Joachim Sigismund von Ziegler und Klipphausen († 1734), dem Stifter der Einrichtung. Die Tatsache, dass das große Ausmaß der baulichen Anlage in Radmeritz/Radomierzyce und die reiche Ausstattung der Stiftung allein auf eine, zudem noch scheinbar zwiespältige Persönlichkeit zurückgehen, wirft bis heute viele Fragen auf. Der Referent versuchte diese in nur einer zusammenzufassen: adliges Standesbewusstsein oder Selbstdarstellung? Im Ergebnis konnten Belege für beide Aspekte gefunden werden.
Es folgte der Vortrag von Dario Kampkaspar (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), der mit der Vorstellung der Verhältnisse des Adels im Kraichgau einen Vergleichsfall zur Oberlausitz anbot. Hierin zeigte er auf, dass die dortige Ritterschaft einen Sonderweg ging und dadurch lange Zeit ihre Reichsunmittelbarkeit behaupten konnte.
Danach legte Dr. Karsten Holste (Martin-Luther-Universität Halle a. d. Saale) den Vergleichsfall Preußen zwischen 1815 und 1847 als heterogene Schöpfung des riesigen Territorialstaates aus historisch vollkommen unterschiedlichen Kulturregionen dar. Im Gegensatz zur Oberlausitz hatten hier die Stände im Allgemeinen und der Adel im Besonderen um 1800 ihre Möglichkeiten politischer Mitbestimmung nahezu eingebüßt. Jegliche Entscheidungsgewalt lag beim zentralisierten Verwaltungsapparat der Hohenzollernmonarchie – eine „Arroganz preußischer Verwaltung“, so Dr. Holste. Zum Verständnis der ambivalenten Entwicklungen unter den Vertretern des Adels führte der Referent verschiedene Protagonisten vor. Während Atanazy Graf Raczyński († 1874) und Tytus Graf Działynski († 1861) zunächst als Vertreter der großpolnischen Autonomiebewegung galten, dann aber doch zu preußischen Beamten avancierten, blieb der General Dezydery Chłapowski († 1879) eine Schlüsselfigur des konservativ-klerikalen Zweiges der polnischen Nationalbewegung. Einen ganz eigenen Weg ging dagegen Otto Theodor Freiherr von Manteuffel († 1882) in der Niederlausitz, der sich als Gegner sowohl ständischer als auch konstitutioneller Verwaltung auswies und im preußischen Vereinigten Landtag (1847/48) als Vorkämpfer bürokratischer Verwaltung galt.
Im Anschluss zeigte Dr. Steffen Menzel (Museumsverbund Krobnitz) in seinem Vortrag nunmehr die Verhältnisse in der Adelslandschaft Oberlausitz nach ihrer Teilung im Wiener Kongress von 1815 auf. Der Aufbau einer Landesverwaltung im neu geschaffenen Markgraftum Preußische Oberlausitz erfolgte hier einerseits durch die Rekrutierung der ansässigen ehemaligen Beamten Sachsens oder aber durch die Einsetzung zugezogener preußischer Führungsschichten. Auch Menzel nutzte die Möglichkeit, einige Protagonisten dieser neuen sowohl regionalen als auch nationalen Führungselite vorzustellen: den Landeshauptmann, Landesältesten und späteren Reichstagspräsidenten Otto Theodor von Seydewitz († 1898) auf Biesig, den Kriegsminister und späteren Ministerpräsidenten Albrecht Graf von Roon († 1879) auf Krobnitz und den Privatsekretär Bismarcks, Reichstagsabgeordneten und Standesherrn von Muskau Traugott Herrmann Graf von Arnim-Muskau († 1919).
Diese Darlegungen aufgreifend stellte Dr. Lars-Arne Dannenberg (Königsbrück) ein Forschungsvorhaben vor, das sich mit einem kaum beachteten Themenkomplex befassen will: dem oberlausitzischen Adel im 19. und 20. Jahrhundert. Bekanntlich decken die monumentalen Adelsgeschichtswerke Herrmann Knothes und Walter von Boettichers nur die historischen Entwicklungen in der Region bis zur Teilung des Markgraftums im Jahr 1815 ab. An diesem Punkt möchte das vorgestellte Forschungsprojekt anknüpfen, ohne aber die gleichen Ziele zu verfolgen. Weniger Genealogien und Gutsbesitzinventare, sondern vielmehr kausale Zusammenhänge einer Kulturgeschichte sollen eine Rolle spielen. L.-A. Dannenberg nannte exemplarisch u.a. die Frage nach dem Umgang des Adels mit bürgerlichen Rittergutsbesitzern, nach der Positionierung im NS-Regime aber auch nach den Wiedereinrichtern nach der deutschen Wiedervereinigung.
Zum Abschluss berichtete Anja Moschke (Archivverbund Bautzen) über eine noch junge Quellengattung in den staatlichen Archiven: die Adelsarchive. Demnach unterscheidet man drei Typen dieser Überlieferungen: 1. Archive der ehemals regierenden Häuser, 2. Archive der Standesherren und 3. Archive des landsässigen und städtischen Adels. Dem gegenüber stehen die noch zahlreich vorhandenen Gutsarchive. Zu den besonderen Merkmalen dieser Archivtypen gehört ihr breites Überlieferungsspektrum. So können neben patrimonialgerichtlichen und wirtschaftlichen Unterlagen auch ganz private Dokumente wie Familienstands- bzw. Familienverbandsdokumente und sogar Tagebücher u. Ä. archiviert sein. Im konkreten Fall des Bautzener Archives finden sich hier im Wesentlichen Adelsarchive aus dem nach 1815 sächsischen Teil der Oberlausitz. Die meisten Unterlagen gelangten, wenn auch unter teilweise chaotischen Bedingungen durch die sog. „Schlossbergungsaktion“ in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die staatlichen Archive. Die enteigneten ehemaligen Besitzer konnten nach 1994 von ihrem Rückforderungsrecht Gebrauch machen, dennoch wurde einiges Material von den Familien in den Archiven belassen und stellt heut einen wichtigen Fundus zur Erforschung der oberlausitzischen Adelsgeschichte dar.
Ein Novum dieser großen wissenschaftlichen Tagung der OLGdW war die Abhaltung eines Round Table, wo ohne die sonst üblichen Schlussworte die Ergebnisse der Tagung durch Dr. Dietlind Hüchtker, Prof. Dr. Volkhard Huth und Dr. Matthias Donath zusammengefasst wurden. Sie betonten zugleich noch einmal die Desiderate und zeigten Anschlussmöglichkeiten an derzeit aktuelle Forschungsdiskussionen auf. Als Ausklang der an Fachvorträgen und Diskussionen äußerst anregenden Tagung bestand die Möglichkeit einer Stadtbesichtigung Hoyerswerdas. Unter fachkundiger Leitung von Frau Elke Roschmann, Mitarbeiterin des Stadtmuseum, führte der kurze Rundgang vom Schlosshof durch die historische Altstadt. Stationen waren das ehem. Gymnasium, das der Computer-Erfinder Konrad Zuse besuchte, der Marktplatz mit der kursächsischen Postmeilensäule, die als Handwerkergasse angelegte pittoreske Lange Straße und die Johanniskirche, die lange Zeit sowohl der sorbischen als auch der deutschen Bevölkerung Hoyerswerdas diente.
Das GWZO wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Bericht zur Frühjahrstagung am 27. und 28. Mai 2011 in Görlitz
von Dr. Arnold Klaffenböck, Salzburg
Unter dem Motto "Die VIA REGIA - Leben mit der Straße" lud die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e. V. ihre Mitglieder für den 27. und 28. Mai 2011 nach Görlitz ein, diesjähriger Schauplatz der 3. Sächsischen Landesausstellung "via regia - 800 Jahre Bewegung und Begegnung". Das Programm der Tagung knüpfte inhaltlich an die Schau im Kaisertrutz an, setzte allerdings den thematischen Schwerpunkt auf chronikalische Überlieferungen aus der Oberlausitz und Schlesien - zwei Ländern also, die von der via regia oder Hohen Straße durchquert und miteinander verbunden wurden, so dass über Jahrhunderte ein vielfältiger wechselseitiger Austausch in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht erfolgte. Großzügig unterstützte die VEOLIA-Stiftung Görlitz diese Tagung finanziell und trug dadurch wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung bei, die viele Interessierte aus nah und fern in die Neißestadt zum Gedankenaustausch zusammenführte.
Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, eröffnete die Tagung im Großen Ratssaal mit einem kurzen Einblick in das reichhaltige Programm und leitete zu den beiden Vorträgen des Abends über, die sich mit dem aus Kittlitz bei Löbau gebürtigen und späteren Jenaer Bibliotheksdirektor und Rechtsgelehrten Christian Gottlieb Buder (1693-1763) beschäftigten. Es war eine faszinierende Persönlichkeit, deren Werdegang, Leben und Wirken exemplarisch anschaulich werden lassen, wie Wissenstransfer und wissenschaftliche Netzwerke im 18. Jahrhundert funktionierten. Dr. Uwe Koch (Berlin) rief mit Buder eine heute weitgehend in Vergessenheit geratene, zu ihrer Zeit sehr bedeutende Oberlausitzer Persönlichkeit in Erinnerung, die in den Genuss der Bautzener Dr.-Gregorius-Mättig-Stiftung gekommen war. Buder durfte sämtliche Förderungen dieses Vermächtnisses in Anspruch nehmen, die seine angestrebte akademische Laufbahn überhaupt erst ermöglichten. An Buder wurde deutlich, wie segensreich und notwendig die vom Bautzener Arzt Dr. Gregorius Mättig (1585-1650) initiierte materielle und finanzielle Unterstützung bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch das Mättigianum bzw. das Mättig-Stipendium aufgrund ungesicherter Lebensumstände oder labiler sozialer Netze war. Anhand weiterer ausgewählter Beispiele aus der Oberlausitz verdeutlichte Dr. Koch den Umstand, dass insbesondere den Söhnen von Pastoren, Lehrern oder Advokaten ohne derartige Hilfe eine akademische Karriere verwehrt geblieben wäre.
Daran anschließend berichtete Dr. Thomas Mutschler (Jena) über die Erschließung und Aufarbeitung des überlieferten Schrifttums Buders. Der im Besitz der heutigen Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek Jena, langjährige Wirkungsstätte Buders, befindliche Bestand umfasst rund 12.000 Bände und stellt einen im Grunde bislang ungehobenen wissenschaftlichen Schatz dar, der gegenwärtig mit Hilfe des Digitalisierungsprojektes "UrMEL" (Universal Multimedia Electronic Library) zugänglich gemacht wird. In Zukunft soll es möglich sein, Buders Bibliothek über diese digitale Publikationsplattform abzurufen und zu benutzen.
Ungeachtet des herrlichen Frühlingswetters fanden auch die Vorträge am Sonntag im Seminarraum des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz zahlreiche Zuhörer. Nach der Begrüßung der Teilnehmer und Referenten durch Dr. Steffen Menzel weckte Dr. Mario Müller (Potsdam) mit dem rätselhaft klingenden Titel seines Beitrages "Das Lusthaus hinter dem Dom" Neugierde auf das sog. "Chronicon Silesiae". Als Einstieg diente ein Rechtsstreit zwischen Breslau und Görlitz, der wegen einer Beleidigung eskaliert war. Damit lenkte M. Müller das Interesse auf ein bisher unbekanntes Geschichtswerk, das nicht zuletzt bemerkenswerte Einblicke in das Leben der Menschen aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet der via regia bietet - eine Verkehrsader, die der Vortragende als die vielleicht wichtigste Königsstraße im Deutschen Reich bezeichnete. Mitte des 19. Jahrhunderts war das "Chronicon Silesiae" vermutlich von privater Seite in den Bibliotheksbestand der OLGdW gelangt. Zeitweilig hatte man es fälschlich mit dem Görlitzer Bürgermeister, Astronomen und Historiographen Bartholomäus Scultetus in Beziehung gebracht. Vermutlich der Feder eines Breslauer Schreibers in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entsprossen, schildert diese Chronik in erster Linie historische Begebenheiten in Schlesien, aber auch aus den angrenzenden Gebieten wie der Oberlausitz in der Zeit zwischen 1052 und 1573. Sie beginnt in der Epoche der Piasten-Herrschaft, der Gründung des Bistums Breslau und behandelt den Übergang Schlesiens von Polen an das Königreich Böhmen im 14. Jahrhundert. Für das darauffolgende Jahrhundert erwähnt sie u. a. die städtischen Unruhen in Breslau, die zwischen der städtischen Oberschicht und Vertretern der Zünfte ausgebrochen waren, ferner die Hussitenkriege sowie die Wirren um den böhmischen Thron im Konflikt zwischen Georg von Podiebrad und Matthias von Ungarn. Am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert berichtet sie von Querelen zwischen dem Breslauer Bischof, Domkapitel und der Bürgerschaft, außerdem von Geschehnissen während der Reformation. Durch das von Studenten an der TU Chemnitz transkribierte und für die Veröffentlichung wissenschaftlich vorbereitete "Chronicon Silesiae" soll die 1870 eingestellte Reihe der "Scriptores rerum Lusaticarum" wiederbelebt und eine wissenschaftliche Tradition der OLGdW fortgeführt werden.
Neben Vorträgen bot die Tagung auch die Möglichkeit, neu erschienene Publikationen, die unter federführender Beteiligung von Mitgliedern unserer Gesellschaft in jüngster Zeit entstanden sind, zu präsentieren. Swen Steinberg M. A. (Dresden) stellte den Essayband "Menschen unterwegs. Die via regia und ihre Akteure" vor, den der Sandstein-Verlag zusammen mit einem Katalog als gediegene Begleitpublikation zur Görlitzer Landesausstellung herausgegeben hat. Er enthält in gut lesbarer Form - jeweils mit Kurzfassungen in englischer, polnischer und tschechischer Sprache - jene Beiträge, die aus den Referaten für die Herbsttagung der OLGdW im November 2010 hervorgegangen sind und ein facettenreiches kulturhistorisches Spektrum entfalten. Prof. Dr. Winfried Müller (Dresden) führte in das für eine breite Leserschaft gedachte, daher populärwissenschaftlich gehaltene und sehr ansprechend gestaltete Buch "Die Oberlausitz" ein. Dieses Gemeinschaftswerk, das er mit den Autoren Lars-Arne Dannenberg, Edmund Pech und Swen Steinberg bei der Edition Leipzig herausgebracht hat, ergänzt als vierter und vorletzter Band die Reihe "Kulturlandschaften Sachsens", die sich abgesehen von der Oberlausitz dem sächsischen Kernland an der Elbe, dem Leipziger Raum, dem Erzgebirge sowie dem Vogtland widmet. (Nähere Informationen zu den Publikationen finden sich auf der Homepage der Verlage.)
Nach vierjähriger Pause konnte glücklicherweise wiederum der "Hermann-Knothe-Preis" verliehen werden. Der von den Sechsstädten und dem polnischen Zgorzelec dotierte "Wissenschaftspreis der Oberlausitz" wurde zum zweiten Mal vergeben und ging an den Görlitzer Markus Lammert, der anhand veröffentlichter Quellen, Dokumente und Abhandlungen die Teilung der Stadt Görlitz im Jahre 1945 und die Folgen für ihre Bewohner untersuchte. Obwohl die neue Staatsgrenze, die den historisch gewachsenen urbanen Körper plötzlich trennte, und der Bevölkerungsaustausch in der ehem. Oststadt die Spaltung vertieften, blieben beide Stadtteile aufgrund gemeinsamer Infrastruktur und bei der Versorgung der Bewohner mit Wasser oder Energie aufeinander angewiesen. Sie waren gewissermaßen zur Kooperation gezwungen, um die existenziellen Probleme bewältigen zu können. Aufgrund der drückenden Versorgungslage mit Lebensmitteln und schwer zu überwindenden Mangelwirtschaft entfaltete sich zeitweise ein reger Schmuggel über die Neiße. Auf diese Weise machten wirtschaftliche Kontakte zwischen Deutschen und Polen den tristen Alltag und die Realität der neuen Grenze zumindest im Kleinen erträglicher und durchlässiger. Die Übergabe des Preises an M. Lammert erfolgte durch den Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick sowie den stellvertretenden Bürgermeister von Zgorzelec, Piotr Konwiński. Durch die verliehene Keramik-Plakette, welche eigens von der Töpferei Frommhold in Königsbrück angefertigt worden war, wird der Hermann-Knothe-Preis nunmehr auch optisch nach außen hin sichtbar.
Die zweite Hälfte des Vormittags gehörte dem Jungen Forum, dessen Vorträge sich mit Chroniken und Stiftungen beschäftigten. Annegret und Steffen Jatzwauk (Chemnitz) knüpften an das Referat von M. Müller zum "Chronicon Silesiae" an und zeichneten die verschlungenen Pfade nach, die einerseits das Geschichtswerk selbst, andererseits die beiden Wissenschaftler bei ihren Recherchen und Untersuchungen beschreiten mussten. S. Jatzwauk erläuterte zunächst das bewegte Schicksal der Chronik seit 1945, als sie nach kriegsbedingter Auslagerung verschwand, um Jahrzehnte später der Berliner Staatsbibliothek käuflich angeboten zu werden. Erst im Jahre 2006 wurde der Besitzstempel identifiziert, folglich ihre Provenienz erkannt und das "Chronicon Silesiae" am 20. April 2007 der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften übergeben. A. Jatzwauk wählte für ihren Versuch, Aussagen über Herkunft, Verfasser und analoge Werke zu gewinnen, den originellen Vergleich einer Autofahrt ohne Navigationsgerät durch eine unbekannte Großstadt. Da wie dort müsse man sich an markanten Merkmalen orientieren und sich langsam vorarbeiten. Dabei entdeckte A. Jatzwauk interessante Hinweise. Aufgrund inhaltlicher Übereinstimmungen äußerte sie die Vermutung, dass etwa der Liegnitzer Hofprediger Friedrich Lucae für seine 1689 publizierte schlesische Chronik jene aus dem Altbesitz der OLGdW herangezogen oder sie zumindest gekannt haben dürfte. Möglicherweise hat auch Nikolaus Pol in seinen "Jahrbüchern der Stadt Breslau" die Görlitzer Chronik als Vorlage benutzt. Als denkbaren Verfasser zog A. Jatzwauk den Abt des Breslauer Prämonstratenserklosters St. Vinzenz, Georgius Scultetus, in Erwägung. Mögliche verwandtschaftliche Beziehungen zum Görlitzer Bartholomäus Scultetus schloss sie wegen anderweitig nachweisbarer verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen Breslauer bzw. Görlitzer Patrizierfamilien zumindest nicht aus.
Ausgehend von der Überlegung, ob die Geschichte der städtischen Geschichtsschreibung, die auf den Studienplänen der Universitäten eher stiefmütterlich behandelt werde, dazu geeignet sei, Studierende mit der Arbeitsweise der Geschichtswissenschaft vertraut zu machen, referierte Tim H. Deubel (Dresden) über Editionsübungen, die er im Sommersemester 2010 an der TU Dresden durchführte. Dafür wählte er den dritten Band der sog. "Klahre-Wahren-Chronik" des Bautzener Stadtarchivs aus, die den Zeitraum von 1583 bis 1683 berücksichtigt. Von den in Bautzen verwahrten 50 Chroniken gilt sie mit Abstand als die bedeutendste und dürfte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein. In Gruppenarbeit sollten sich die Studenten schrittweise mit diesem Geschichtswerk auseinandersetzen und dabei Fragen, wie jene nach dem Eigenwert von Chroniken als Speichermedium verschiedener Nachrichten und Dokumente oder deren Quellenwert, diskutieren. In Form von Powerpoint-Präsentationen stellten sie schließlich die Ergebnisse ihrer Transkriptionen vor und erläuterten die Vorgehensweise beim Erstellen kritischer Editionen der ausgewählten Passagen aus der Chronik. Von den Resultaten dieser studentischen Übung konnten sich die Teilnehmer der Frühjahrstagung selbst überzeugen, da sie als Ausdrucke vorgelegt wurden.
Zuletzt sprach Emanuel Priebst (Dresden) über die Geschichte von Stiftungen in Bautzen und Görlitz während des 16. und 17. Jahrhunderts, die er anhand eindrücklicher Beispiele illustrierte. Ähnlich wie bei der Mättig-Stiftung waren für deren Begründung soziale und karitative Motive ausschlaggebend. Testamentarische Verfügungen oder aus tiefer Gläubigkeit entspringende Mildtätigkeit betuchter Patrizier konnten hierfür ebenfalls ausschlaggebend sein wie Standesbewusstsein oder Gemeinschaftssinn.
Aus aktuellem Anlass informierte schließlich noch Winfried Töpler (Görlitz) von einer in sprachwissenschaftlicher Hinsicht spektakulären Entdeckung. Bei der Begutachtung einer Sammelhandschrift aus dem Besitz der Pfarrbibliothek von Jauernick im Handschriftenzentrum Leipzig war man auf eine Randbemerkung im Text gestoßen, die sich als ältester niedersorbischer Satz, der bislang bekannt wurde, herausstellte. Die Handschrift stammte ursprünglich aus dem Dominikanerkloster von Luckau in der Niederlausitz und war für den Schulgebrauch bestimmt. Das gefundene Schriftzeugnis belegt, dass in der Luckauer Klosterschule auch sorbische Novizen ausgebildet wurden.
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung bot sich die günstige Gelegenheit, die 3. Sächsische Landesausstellung im Rahmen einer fachkundigen Führung zu besuchen. Beim Rundgang durch die neu adaptierten Stockwerke des frisch renovierten Kaisertrutzes wurde deutlich, dass die gezeigten, teilweise herausragenden Objekte hauptsächlich aus dem früheren kursächsischen Raum einschließlich der Oberlausitz, darüber hinaus vor allem aus Niederschlesien und Polen stammten. Erfreulicherweise fanden sich darunter auch einige aus dem Besitz der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften, so dass indirekt auch die OLGdW und ihre reiche Geschichte würdig vertreten waren.
Bericht zur Herbsttagung 2010 "Menschen unterwegs. Die via regia und ihre Akteure"
von Stefan Dornheim & Lutz Bannert, Dresden
In Vorbereitung auf die 3. Sächsische Landesausstellung (www.landesausstellung-viaregia.museum), die vom 21. Mai bis zum 31. Oktober 2011 in Görlitz veranstaltet wird, fand am 5. und 6. November 2010 im Schlesischen Museums zu Görlitz die Tagung "Menschen unterwegs. Die via regia und ihre Akteure" statt. Sie wurde von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV), Dresden und der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften ausgerichtet. Die Tagung wurde durch mehrere Grußworte eröffnet: Ulf Großmann begrüßte als Vertreter der Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz, anschließend sprachen die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Sabine von Schorlemmer, die Projektleiterin der 3. Sächsischen Landesausstellung, Bettina Probst, der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der 3. Sächsischen Landesausstellung, Winfried Eberhard, sowie der Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Dr. Steffen Menzel.
Prof. Winfried Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte an der Technischen Universität Dresden und Direktor des ISGV, führte thematisch in die Tagung ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die historisch belegbare Kernzone der alten westöstlichen Straßenverbindung via regia zwischen Frankfurt/M. und Breslau (Wrocław), für die vor allem die Bezeichnung Hohe Straße belegt ist. Thematisiert wurden insbesondere die sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Transferprozesse auf dieser Straße, die durch Mobilitätsverhalten und den Austausch von Waren und Ideen seit dem späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in Gang kamen und Strukturen schufen, die bis weit in die Neuzeit wirkten. Die Tagung rückte damit vor allem die Menschen als die Akteure auf der via regia mit ihren jeweiligen Mobilitäts- und Handlungsmotivationen in den Blick.
Die erste Sektion befasste sich mit der Gruppe der Kaufleute und Händler. Nach einem Impulsreferat von Winfried Müller richtete Swen Steinberg (Dresden) einen gruppenbiografischen Blick auf die Leipziger Kaufleute als bedeutsame wirtschaftliche Akteure auf der via regia. Durch die Betrachtung gemeinsamer Handlungsmuster wie Migration, Vielfalt, Netzwerk und Repräsentation, welche anhand von Einzelbiografien aus verschiedenen Jahrhunderten vorgestellt wurden, konnte gezeigt werden, wie flexibles räumliches und merkantiles Agieren stets von einem konstanten lokalen Handeln in Netzwerken begleitet wurde - Ressourcen, welche auch in Zeiten gesellschaftlichen Wandels ökonomische Sicherheit und Kontinuität gewähren konnten und nicht zuletzt das Bild der Stadt Leipzig bis heute sichtbar prägen. Mit dem überregionalen Wirken von Kaufleuten in den polnisch-sächsischen Handelsbeziehungen des 18. Jahrhunderts beschäftigte sich im Anschluss Adam Perlakowski (Kraków). Anhand der an Bedeutung gewinnenden Handelskontakte zwischen Sachsen und der Adelsrepublik Polen-Litauen thematisierte er, wie sich eine Annäherung der beiden unierten Staaten im 18. Jahrhundert zunächst vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene vollzog, während die Kontakte der politischen Eliten noch von starken gegenseitigen Vorbehalten - etwa in Fragen der Konfession oder der Staatsform - geprägt waren. Schließlich thematisierte Detlef Haberland (Oldenburg) die Rolle des frühneuzeitlichen Buchdrucks und Buchhandels im sächsisch-lausitzisch-schlesischen Raum und die damit verbundenen Prozesse des Wissens- und Ideentransfers sowie den Austausch und die Vernetzung der Intellektuellen in einer sich ausprägenden Wissens- und Bildungslandschaft im Umfeld der via regia. Deren Zentren - etwa Breslau (Wrocław), Görlitz, Dresden, Leipzig und Halle - besaßen in diesem Sinne eine große Anziehungs- und Strahlkraft auf die benachbarten Königreiche Böhmen und Polen ebenso wie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Nach der Frage nach dem Austausch von Handelswaren und Wissen widmete sich die zweite Sektion "Kunst und Kommunikation" vornehmlich künstlerischen Austauschprozessen entlang der via regia und verwies auf Orte der Inspiration und der Kommunikation im Weichbild der Straße. Der Leiter des Kulturhistorischen Museums Görlitz, Jasper von Richthofen, führte durch die Sektion. In einem ersten Vortrag thematisierte Roland Enke (Dresden) am Beispiel des Riesengebirges die künstlerische Entdeckung von Natur und Landschaft durch die Landschaftsmaler des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zwischen topografischer Landesaufnahme, romantischer Landschaftsmalerei und touristischer Souvenirproduktion. Enke zeigte, wie den Reisewegen und populären Ansichten romantischer Maler wie Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus oder Ludwig Richter seit dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts zunehmend touristische Wanderer ins Riesengebirge folgten und zur Entstehung eines spezifischen Fremdenverkehrswesens beitrugen. Dagegen thematisierte Thomas Napp (Görlitz) musikalische Transferprozesse im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa durch den Versuch einer Rekonstruktion des sozialgeografischen Netzwerks des Komponisten Jacob Handl-Gallus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen Österreich, Böhmen, Mähren, Schlesien und der Oberlausitz. Dem Aspekt der Ingenieurbaukunst und damit den Aktivitäten von Baumeistern und Ingenieur-Offizieren an und auf der via regia im 17. und 18. Jahrhundert widmete sich im Anschluss Uwe Fraunholz (Dresden). Anhand exemplarisch ausgewählter militärischer und ziviler Baumeister wie Wolf Caspar von Klengel oder Matthäus Daniel Pöppelmann und ihrer Projekte erläuterte er, wie sich zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert ein spezifischer Ingenieurshabitus sowie eine Institutionalisierung und Professionalisierung der Ingenieursausbildung zu entwickeln begannen. Mit einem Blick auf das Gasthaus- und Herbergswesen als wichtigem Kommunikationspunkt an der via regia endete die zweite Sektion. Katja Lindenau (Dresden) untersuchte dazu exemplarisch die Struktur und die Entwicklung des frühneuzeitlichen Gastungs-, Herbergs- und Schankwesens der Stadt Görlitz als einem der Haupthandels- und Niederlageorte an der Hohen Straße.
Ein Abendvortrag mit anschließendem Empfang durch die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und die Stadt Görlitz, die durch den Görlitzer Kulturbürgermeister Michael Wieler vertreten war, beschloss den Tag im Großen Sitzungssaal des Rathauses. Der Kunsthistoriker Jan Harasimowicz (Wrocław) referierte aus diesem Anlass über die kulturellen Beziehungen zwischen Schlesien, Sachsen und der Oberlausitz im Zeitalter der Konfessionalisierung. Im speziellen beschäftigte er sich mit den Diffusionsprozessen von Gestaltungselementen in der Sakralkunst der drei genannten Regionen. Dabei zeigte er, wie die theologischen Auseinandersetzungen der Zeit diesen Austauschprozess beeinflussten.
Am zweiten Tag der Veranstaltung befasste sich zunächst eine Sektion unter dem Titel "Randgruppen" mit dem Leben von marginalisierten oder herausragenden Personengruppen auf der via regia. Der Inhaber des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte an der Universität Leizpzig, Enno Bünz, moderierte die Sektion. In seiner Einführung unterstrich er den Definitionsbedarf des Terminus "Randgruppen". Anschließend präsentierte Elke Schlenkrich (Frankfurt/O.) einige Ergebnisse ihrer Forschungen zum Bettel- und Armenwesen im Herrschaftsbereich der Wettiner. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass mit den Vagierenden keine Gegengesellschaft oder Unterwelt entlang der via regia existiert habe. Stattdessen zeigte sie den Facettenreichtum dieser Gruppe - etwa bedürftige Pilger, Delogierte, Soldaten und deren Angehörige oder Handwerksgesellen - und deren Strategien zur Subsistenzsicherung. Mobilität galt Schlenkrich in diesem Zusammenhang nur als ein Charakteristikum des Lebens von sozial Deklassierten. Mit den fahrenden Schaustellern stellte Ulrich Rosseaux (Frankfurt/M.) eine zweite mobile Personengruppe vor, deren Ehrbarkeit für die Zeitgenossen in Frage stand. Anders als bei den Vagierenden barg Rosseaux zufolge bei den Schaustellern nicht die Wohnungslosigkeit das Konfliktpotential. Vielmehr erschien den Zeitgenossen das Gewerbe selbst problematisch. Die zahlreichen Formen der Schaustellerei - Wandertheater, Akrobaten, Puppenspieler, Musiker, seltene Tiere - galten ihnen als Gefahren für die christliche Heilsgemeinschaft. Rosseaux zeigte, wie dieser Personengruppe aufgrund dessen hohe Hürden den Zugang zu den Städten erschwerten und sie ihre Reisen den Erwerbschancen entsprechend organisieren mussten. Markus Bitterlich (Dresden) befasste sich mit einer Personengruppe, die ihres Status als Fremde wegen als randständig angesehen werden könnte: den Gesandten und Boten. Am Beispiel der Stadt Görlitz zeigte er, welche Aussagen sich über Personen machen lassen, die im 15. Jahrhundert für den Stadtrat unter anderem auf der via regia Boten- oder Gesandtschaftsdienste übernahmen. Dabei präsentierte Bitterlich Befunde über den Lohn, die Beförderungsmittel und die Ausrüstung der Boten sowie über die unterschiedliche Intensität des Austauschs der Stadt Görlitz mit anderen Orten. Anschließend interpretierten Christina Gerstenmeyer (Trier) und Alexander Kästner (Dresden) den Fall des Räubers Johann Karraseck (1764-1809) als "außergewöhnlichen Normalfall" (Hans Medick) für kriminelle Mobilität um 1800 im Umfeld der via regia. Demnach sei Karraseck als Schmuggler im Grenzraum zwischen der Oberlausitz und Böhmen aktiv gewesen, bald darauf aber nach Sachsen geflüchtet. Im Selbstbild - das belegen die überlieferten Fallakten - ordnete sich der Täter dann ausdrücklich im Kontext der Armutskriminalität ein. Gerstenmayer und Kästner gelangten zu dem Befund, dass das in der Literatur präsente Bild vom "Räuberhauptmann" Karraseck stark von den Aussagen im Quellenmaterial abweicht.
Die abschließende Sektion der Tagung thematisierte "Zwang und Freiwilligkeit" als Aspekte von Mobilität auf der via regia und wurde von Milos Reznik, Inhaber des Lehrstuhls für Europäische Regionalgeschichte an der Technischen Universität Chemnitz, moderiert. In seinem Impulsreferat beschrieb er die Entscheidung zur Bewegung als zentrales Kriterium für die Abgrenzung von erzwungener und freiwilliger Mobilität. Christian Speer (Jena) setzte sich im ersten Referat der Sektion mit dem Beispiel der Pilgerfahrten auseinander. Als Buß- und Sühnefahrten hatten diese augenscheinlich auch Zwangscharakter. Speer befasste sich insbesondere mit dem Görlitzer Ratsherrn Georg Emerich, der sich 1465 eines außerehelichen Verhältnisses wegen auf eine neunmonatige Pilgerfahrt nach Jerusalem begab. Die Motivation Emerichs beschrieb er als ‚innengeleiteten’ Zwang. Die Kopie des heiligen Grabes in Görlitz, die Emerich nach seiner Rückkehr stiftete, deutet Speer als Beleg für Kulturtransfer im Umfeld der via regia. Ebenfalls religiös motiviert war die Mobilität, die Frank Metasch (Dresden) in seinem Beitrag vorstellte. Er referierte über die Flucht vor Verfolgung um religiöser Überzeugungen willen im Zeitalter der Konfessionalisierung. Den Mittelpunkt des Beitrags bildete die Emigration zehntausender böhmischer und schlesischer Exulanten, die auch auf der via regia in das lutherische Kurfürstentum Sachsen unterwegs waren. Demnach erzwang im Gefolge der habsburgischen Rekatholisierungspolitik des 17. Jahrhunderts die Vorstellung, nur die konfessionelle Einheitlichkeit könne die innere Stabilität eines Gemeinwesens gewährleisten, Tausende zur Flucht aus ihrer Heimat. Anschließend referierten Katrin Lehnert (München) und Lutz Vogel (Dresden) über Arbeitsmobilität in der Oberlausitz im 19. Jahrhundert. Sie zeigten, wie auf dem durch diese Region verlaufenden Teilstück der via regia unzählige Menschen zu Erwerbszwecken unterwegs waren. Dabei habe es sich hauptsächlich um Nahraumwanderungen gehandelt, für die der fließende Übergang von Häuslichkeit und Mobilität charakteristisch gewesen sei. Im abschließenden Referat der Sektion stellten Martina Pietsch und Katarzyna Zinnow (beide Görlitz) Befunde über die erzwungene Migration von Polen und Deutschen in Görlitz/Zgorzelec im Gefolge des Zweiten Weltkrieges dar. Von Zeitzeugeninterviews ausgehend berichteten sie über die Schicksale einer polnischen und einer deutschen Familie. Während die Familie von Wolfgang Rösler Zgorzelec nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen musste, wurde die Familie von Juliusz Teliczek zur gleichen Zeit vom ehemals polnischen Lemberg/Lviv zwangsweise in eben diese Stadt am östlichen Neißeufer umgesiedelt.
Abschließend fasste Tagungsleiter Winfried Müller (Dresden) die Ergebnisse der Veranstaltung zusammen. Er plädierte dafür, das Phänomen ‚Straße’ über den Blick auf das Leben der Menschen dort zu erschließen. Die Straße solle insofern als ein soziales Konstrukt verstanden werden, das sich aus dem Handeln der "Menschen unterwegs" sowie der an der Straße Lebenden und Arbeitenden ergab. Sie setzten und befolgten Rechtsnormen, sorgten für die Sicherheit auf der Straße und erhoben oder leisteten entsprechende Abgaben. Dadurch konstitutierten sie die Straße als sozialen Raum. Die Beiträge der Tagung werden in einem den Ausstellungskatalog begleitenden Essayband publiziert, wobei vorrangig Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler jüngere Forschungsergebnisse vorstellen.
Bericht zur Frühjahrstagung am 23. und 24. April 2010 in Bautzen
von Dr. Arnold Klaffenböck, Strobl
Am 23. und 24. April 2010 hielt die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e. V. (OLGdW) ihre diesjährige Frühjahrstagung ausnahmsweise in Bautzen ab, weil das mit der Geschichte der Gesellschaft eng verbundene Barockhaus Neißstraße 30 in Görlitz wegen Sanierungsarbeiten und Vorbereitungen zur 3. Sächsischen Landesausstellung "Via Regia" 2011 nicht zur Verfügung stand. Das Bautzener Friedrich-Schiller-Gymnasium, bereits Veranstaltungsort der erfolgreichen Herbsttagung 2008 zum Archivwesen der Oberlausitz, öffnete daher auch dieses Mal gastfreundlich seine Pforten. Der Einladung zu dieser Veranstaltung, die in Verbindung mit dem Verein für Sächsische Landesgeschichte abgehalten wurde, waren Interessenten und Vortragende aus dem In- und Ausland gefolgt.
In seiner Grußrede warnte Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, eindringlich vor einer weiteren Entwurzelung der Gesellschaft, die sich ihrer kulturellen Herkunft und Vergangenheit nicht mehr bewusst sei und ihre heimatliche Verortung zugunsten von Beliebigkeit und Austauschbarkeit allmählich verliere. Dem entgegenzutreten, sei eine dringende Aufgabe - und würde auch praktiziert, wie diese Tagung zeige. Dr. André Thieme, 2. Vorsitzender des Vereins für Sächsische Landesgeschichte, knüpfte an die Worte seines Vorredners an und skizzierte kurz die verbindenden Traditionen und gemeinsamen Anliegen beider wissenschaftlicher Vereinigungen, die bemüht seien, ihren Gedankenaustausch und ihre Zusammenarbeit zu intensivieren.
Den Reigen der Vorträge durch Mitglieder der OLGdW am Sonnabend eröffnete Christian Speer (Jena), der am Beispiel von Görlitz Überlegungen zur reformationshistorischen Forschung im Hinblick auf die Oberlausitz anstellte. Die Görlitzer Ratsherren hatten reges Interesse an den reformatorischen Ideen und waren ihnen gegenüber aufgeschlossen. Das zeigte sich etwa in der Wahl der Studienorte für die Söhne der Patrizier, die überwiegend nach Wittenberg oder Leipzig, seltener nach Frankfurt an der Oder gingen. Für Görlitz sei festzustellen, dass die Reformation aus den Kreisen der Bürgerschaft kam, es jedoch keine Einflüsse durch die Landbevölkerung gab. Statt sich festzulegen, ob es sich in Görlitz um eine Rats- oder Gemeindereformation gehandelt habe, plädierte Ch. Speer dafür, allgemein von einer "bürgerlichen Reformation" zu sprechen, weil dieser Begriff die Träger der Bewegung über ihren Status als Bürger definiere, folglich Ratsherren und Handwerker/Tuchmacher berücksichtige, ohne eine Gruppe auszuschließen. Ungeachtet der unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen und Verlaufsformen der Reformation bestünden Parallelen zwischen Görlitz und einigen süddeutschen Reichsstädten, was die Ergebnisse und Auswirkungen der Veränderungsprozesse betrifft.
Dr. Andreas Gauger (Berlin) äußerte sich über bestehende Denkstrukturen mit Bezug auf die Oberlausitz. Dabei ging er vom Begriff der Philosophia perennis aus, einer Vorstellung, wonach bestimmte philosophische Einsichten und Erkenntnisse über Zeiten und Kulturepochen hinweg erhalten bleiben, aber jeweils zeitgemäß formuliert werden müssen. Hierzu zählen Aussagen, welche ewige, unveränderliche und universal gültige Wahrheiten über die Wirklichkeit, v.a. den Menschen, die Natur oder den Geist zum Ausdruck bringen. Ihr Ansatz ziele darauf ab, Dogmatismus jeglicher Art zu überwinden, dafür universell zu denken und lokal zu handeln. Dieser Kerngedanke könne auf das System der Wissenschaften übertragen werden, welches zunehmend der Verbreiterung des Spektrums sowie einer Unterwerfung gegenüber Nützlichkeitsaspekten ausgesetzt sei. Um die Zusammenhänge in der Welt zu begreifen, sei es notwendig, sich wieder auf die Ursprünge zu besinnen und das System auf den Grund zurückzuführen. So ließe sich die zunehmende Diskrepanz zwischen Zentrum (Inhalt) und Weg (Methodik) eindämmen.
Anschließend berichtete Kai Wenzel (Görlitz) über die Restaurierung von Objekten, die aus den einstigen Sammlungen der OLGdW stammen. Nach Auflösung der Gesellschaft und Enteignung des Besitzes 1945 waren natur- und kulturkundliche Gegenstände, Möbel und Kunstwerke in städtischen Besitz übergegangen und gehören seither zu den Museumsbeständen. Die Aufnahme des Kulturhistorischen Museums in das sog. "KUR-Programm" der Kulturstiftung des Bundes ermöglichte Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an herausragenden Objekten, die das vielfältige Interesse und frühere Wissen der Mitglieder der OLGdW dokumentieren und auf eindrucksvolle Weise Wissenschaftsgeschichte ablesen lassen. Am Herbarium der Oberlausitz oder der Xylothek sei die im 19. Jahrhundert übliche naturwissenschaftliche Systematik zu studieren, die Gesteins- und Mineraliensammlung, die im Kern noch auf die Sammlung des Mitbegründers der OLGdW, Traugott Adolf von Gersdorf, zurückreicht, blieb deutschlandweit als eine der wenigen in der historischen Aufstellung erhalten. Ab 2011 soll die neu konzipierte Dauerausstellung im zweiten Obergeschoss des Kulturhistorischen Museums die Geschichte der OLGdW umfassend darstellen.
Constanze Herrmann (Görlitz) präsentierte neue Forschungen und Entdeckungen aus dem Physikalischen Kabinett des Adolf Traugott von Gersdorff. Die Sammlungsbestände belegen intensive naturwissenschaftliche Forschungen ihres Besitzers, vor allem in den Bereichen Elektrostatik und Optik, Zeitmessung, Meteorologie und Aerostatik. Als Junggeselle hatte er im Schloss Niederrengersdorf eine naturkundliche Sammlung aufgebaut. 1791 begannen Planungen für ein Physikalisches Kabinett im Schloss Meffersdorf, nach dem Tod von Gersdorffs gelangte es nach Görlitz. Ausgehend vom erhaltenen Bestand zog C. Herrmann Rückschlüsse auf den ursprünglichen Bestand. Die ausgewählten Beispiele ließen die mitunter mühsame Spurensuche erahnen, die zum Teil erst über verschlungene Pfade zu entscheidenden Erkenntnissen führte. Durch das Wissen, welche Gerätschaften und welches Zubehör damals für die wissenschaftlichen Versuche erforderlich waren, aber auch unter Auswertung des schriftlichen Nachlasses von Gersdorfs gelang es, Einzelteile zu identifizieren und zuzuordnen (z.B. Sonnenmikroskop, Voltasche Säule).
Kurt-Michael Beckert (Königslutter) schließlich widmete sich Schöppenbüchern aus dem ehemaligen Kreis Lauban. Sie waren bis zur Einführung der preußischen Gesetzgebung gültig und enthalten Verträge vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Insbesondere für Dörfer dieser Gegend seien sie oftmals die einzige erhalten gebliebene Primärquelle, wobei 50 Prozent der Schöppenbücher Namensregister aufweisen. Die Eintragungen geben Auskunft über Grundeigentümer und -herrschaften, enthalten Beschreibungen der Objekte und benachbarter Immobilien, nennen Zahlungstermine und Kaufsummen, erwähnen Verpflichtungen gegenüber dem Gutsherr bzw. Pfarrer. Sie führen Rechte, Einkünfte oder Ausgaben an, außerdem gewähren sie Einblick in grundherrschaftliche Besitzerreihen und Sozialverhältnisse sowie wechselnde Zahlungsmittel. Aufgrund ihrer Bedeutung als historisches Quellenmaterial veranlasste die Laubaner Kreisverwaltung 1936 die Zusammenführung aller Schöppenbücher im Landratsamt Lauban, ehe sie ins Hauptstaatsarchiv nach Breslau gelangten. Soweit sie den 2. Weltkrieg und die Wirren der Nachkriegszeit überstanden haben, liegen sie heute großteils im polnischen Lubań. Kleinere Bestände befinden sich weiterhin in Wrocław oder kamen nach Hildesheim, wo sie für die Forschung erschlossen werden. Derzeit könne auf über 200 Schöppenbücher des ehemaligen Kreises Lauban verwiesen werden.
Im fünften Jahr seines Bestehens ist das "Junge Forum" längst ein fest etablierter und unverzichtbarer Bestandteil der Frühjahrstagungen der OLGdW. Aus diesem Anlass durfte Danny Weber (Halle/Leipzig), der noch einmal den Zweck dieser Plattform für Nachwuchswissenschaftler erläuterte, positive Bilanz ziehen, ehe Alexandra Kaar (Wien) das Wort ergriff. Basierend auf Ergebnissen des Forschungsprojektes "Regesta Imperii" am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sprach sie über Kaiser Sigismund von Luxemburg als Landesherrn der Oberlausitz und die Sechsstädte. Im Mittelpunkt ihres Vortrages stand die Überlegung, was der Herrscher von den Sechsstädten erwartete, welche Funktionen sie für ihn innehatten - und umgekehrt. Antworten darauf gaben Urkunden, die Sigismund veranlasste hatte, Befehle und Mandate. Anhand der Landsfriedenspolitik Sigismunds, seiner Kooperation mit den schlesischen Fürstentümern bzw. der Markgrafschaft Meißen oder der Formierung (über)regionaler Bündnisse gegen die Hussiten, aber auch durch Hinweis auf finanzielle Beziehungen wies A. Kaar ein dichtes Geflecht gemeinsamer Verbindungen und Interessen zwischen dem Landesherrn/Landvogt und den Städten nach. Die Bedeutung des Herrschers für die Bürger zeigte sich bei der Erteilung, Durchsetzung und Wahrung von Privilegien. Die miteinander konkurrierenden Städte Bautzen und Görlitz etwa ließen sich von Sigismund wechselweise ihre Privilegien bestätigen, um so den Anspruch auf Vorherrschaft gegenüber der Rivalin zu untermauern. Als Gerichtsherr und Regent übte Sigismund durch Delegationen und Stellvertreter Macht aus und band die Städte insofern mit ein, indem er loyale Persönlichkeiten in Ämter berief, die regionales Gewicht besaßen. Unter diesen Voraussetzungen konnte sich Sigismunds Herrschaft aus der Ferne 17 Jahre lang erfolgreich behaupten und entwickelte sich ein übergreifendes Oberlausitzer Landesbewusstsein.
Lutz Bannert (Dresden) beschäftigte sich mit dem Retablissement in Kursachsen, jener Epoche nach dem Ende des 7-jährigen Krieges 1762 und der Gründung des Königreichs Sachsen 1806, als der Wiederaufbau und die grundlegende Reformierung des wettinischen Herrschaftsgebiets erfolgten. Maßgeblichen Einfluss auf die umfassende Erneuerung hatte die eigens gegründete "Restaurierungskommission" unter Thomas Freiherr von Fritsch, die Reformvorschläge erarbeitete. Zwar stand diese Phase des Umbruchs unter dem Eindruck der Spätaufklärung und Säkularisation, jedoch blieb die Religion weiterhin alles durchdringendes Element in der Gesellschaft und zentralgeistlicher Hintergrund menschlichen Handelns. Reformhandeln war daher untrennbar mit der religiösen Prägung der Akteure verbunden. In Kursachsen gab es unterschiedliche Spielarten des Protestantismus, orthodoxe Strömungen neben liberalen Gesinnungen, die religiöse Toleranz propagierten. Der Pietismus verschränkte Glauben mit Handeln und definierte Tätigsein als Gottesdienst, die Wettiner hingegen gehörten dem Katholizismus an. Für die Untersuchung des Verhältnisses von Glauben und Religionsausübung in Zusammenhang mit dem Reformhandeln sei deswegen ein religionssoziologischer Ansatz zu wählen. Gleichfalls seien bestimmte berufliche oder gesellschaftliche Gruppierungen wie Verwaltungsfachleute, Landstände oder Mitglieder des Herrscherhauses zu berücksichtigen, die für die Reformpläne relevant waren.
Am Beispiel der Sorben legte Friedrich Pollack (Leipzig) die "Endeckung des Fremden" dar, die aus Sicht der Gelehrten im 18. Jahrhundert erfolgt sei. Das wachsende Interesse an den Sorben zeige sich an der seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ansteigenden Zahl an Veröffentlichungen. Bis 1810 habe die Sorabika-Produktion zu rund 80 Prozent theologische Publikationen ausgemacht, etwa 20 Prozent seien geschichtlichen, volkskundlichen oder linguistischen Darstellungen zuzuordnen. Zunächst seien Sorben als Christen, aber noch nicht unter ethnischen Gesichtpunkten wahrgenommen worden, erst später habe man sie als eigenes Volk aufgefasst, jedoch auch ihre kulturelle Bedeutung für die Oberlausitz erkannt. Anhand von Büchern machte F. Pollack den sich vollziehenden Sichtwandel und das veränderte Verständnis im Verlauf des 18. Jahrhunderts anschaulich. "Derer Oberlausitzer Sorberwenden umständliche Kirchengeschichte" (1767) von Christian Knauth, Pfarrer zu Friedersdorf, erwähne bereits im Untertitel den bedeutenden Einfluss der Sorben auf die Kirchengeschichte der Deutschen in der Oberlausitz. Johann Gottlieb Ohnefurcht Richters erste Feldstudie zu den Sorben sei der Versuch einer vorurteilsfreien Darstellung gewesen, sie konstruiere aber Wesensmerkmale der Sorben, die sich später verfestigt hätten. Die Wahrnehmung der Sorben durch die Gelehrten geschah nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des Gegensätzlichen, indem sie deutsche Identität sorbischer Alterität gegenübergesehen und dieses festgestellte "Anderssein" der Sorben auch visualisiert hätten, beispielsweise Nathanael Gottfried Leske in seiner "Reise durch Sachsen in Rüksicht [sic!] der Naturgeschichte und Ökonomie" (1785).
Den Höhepunkt der Mitgliederversammlung bildete die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Prof. Günter Mühlpfordt, der sich nicht zuletzt um die Wiederbegründung der OLGdW verdient gemacht hat. In einer Ansprache würdigte Michael Leh (Neschwitz) Leben und wissenschaftliches Werk des Geehrten. Danach bestand die Möglichkeit, die Sonderausstellung "Tuchintarsien in Europa von 1500 bis heute" im Museum Bautzen zu besuchen. Erfreulich viele Teilnehmer der Tagung schlossen sich der Führung an und erhielten die seltene Gelegenheit, der Herstellung eines Bildteppichs beizuwohnen. Die Berliner Künstlerin Ursel Arndt erläuterte die viel Fingerspitzengefühl und Genauigkeit erfordernde Technik und erklärte den von ihr geschaffenen modernen Bildteppich "Stückwerk Berlin - Stückwerk Europa". Unter den aus ganz Europa und den USA leihweise in Bautzen versammelten textilen Kunstwerken gab es auch Beispiele aus heimischen Museen zu bewundern, wie den Bautzener "Flickenteppich" oder schlesische Erzeugnisse aus Görlitzer oder Breslauer Sammlungen.
2010-2019
Bericht zur Herbsttagung 2009 in Zittau "Bildung und Gelehrsamkeit in der frühneuzeitlichen Oberlausitz"
von Dr. Arnold Klaffenböck, Strobl
Unter dem Motto "Bildung und Gelehrsamkeit in der frühneuzeitlichen Oberlausitz" lud die OLGdW zu ihrer diesjährigen Herbsttagung nach Zittau ein. In mehreren Vorträgen breiteten Referenten aus dem In- und Ausland unterschiedlichste Facetten zur "Bildungslandschaft Oberlausitz" vor einem zahlreich erschienenen Publikum aus. Die Tagung wurde gemeinsam mit den Städtischen Museen Zittau veranstaltet und korrespondierte mit der im Heffterbau des ehemaligen Franziskanerklosters gezeigten Ausstellung "Weises Geschenk. Gelehrsamkeit, Unterhaltung und Repräsentation im barocken Zittau" zum 300-jährige Bestehen des Ratsbibliotheksaales und der aus Originalbeständen dort wieder eingerichteten Wunderkammer.
Am Nachmittag des 6. November gewährte Dipl.-Bibl. Uwe Kahl in den Räumlichkeiten des Altbestandes der Christian-Weise-Bibliothek in der Lisa-Tetzner-Straße zunächst Einblick in die bewegte Geschichte dieser bedeutenden Büchersammlung, deren Anfänge in die Mitte des 16. Jh. zurückführen. Das Schicksal der aus dem Geist der Reformation entstandenen Bibliothek ist mit jenem Zittaus und seines Museums untrennbar verbunden. Trotz mehrfacher Bedrohung und erheblicher Verluste blieben ihre Bestände im Wesentlichen bis heute erhalten. Die Besucher erhielten die Möglichkeit, einige ausgewählte bibliophile Schätze in Augenschein zu nehmen, darunter kostbare Missalien des Spätmittelalters, eine Ausgabe der Schedelschen Weltchronik oder Schriften des Rektors des Zittauer Gymnasiums, Christian Weise.
In seiner Eröffnungsrede der Tagung im Zittauer Salzhaus zeichnete Dr. Steffen Menzel, Präsident der OLGdW, unter Zitierung eines Positionspapiers der sog. "Geisteswissenschaftlichen Initiative" ein düsteres Bild von der gegenwärtigen Bildungslage in der Oberlausitz, die angeblich nur mehr als "drittklassig" zu bezeichnen sei. An derartigen Behauptungen werde die Aktualität und Brisanz des Themas Bildung ersichtlich. Der Bildungsauftrag, den Gesellschaft und Politik zu erfüllen hätten, sei ein dringendes Gebot der Stunde. Es sei daher wichtig, die hiesigen Bildungstraditionen wieder ins Bewusstsein zu rufen und an sie anzuknüpfen. Dr. des. Marius Winzeler, Direktor der Städtischen Museen und Mitorganisator der Tagung, überbrachte Grußworte des Zittauer Oberbürgermeisters Arnd Vogt, der darin nicht zuletzt auf die frühere Bedeutung Zittaus hinsichtlich von Bildung und Schulwesen hinwies.
Den Abendvortrag im voll besetzten Saal des Salzhauses hielt Dr. Uwe Koch (Potsdam), der anhand der 2007 wieder ins Leben gerufenen Dr.-Gregorius-Mättig-Stiftung in Bautzen über Bildungsförderung am Beispiel der Mättig-Stipendiaten sprach. Der Bautzener Arzt, Jurist, Kommunalpolitiker und Mäzen Gregorius Mättig (1585-1650), ein Neffe des Humanisten und Universalgelehrten Caspar Peucer (1525-1602), hatte testamentarisch mehrere Stiftungen zur Förderung der Bildung der heimischen Jugend und deren Versorgung verfügt. Nicht zuletzt durch finanziellen Weitblick bei der Dotierung seines großzügigen Vermächtnisses konnten bis zur staatlich verordneten Aufhebung 1949 mehr als 1000 Mättigianer von den Zuwendungen profitieren.
Nach einer kurzen Einleitung in Wort und Bild, wo allgemeine Überlegungen zu den Aufgaben der Wissensvermittlung bzw. des Wissenstransfers sowie zu Bildungsstätten der Gymnasien und Lyzeen angestellt wurden, Im Anschluss wurde der Vortrag "Bildungslandschaften im Alten Reich" von Prof. Dr. Winfried Müller (TU Dresden) verlesen, dem die Teilnahme an der Tagung krankheitshalber verwehrt geblieben war. Die Anfänge des modernen Bildungswesens seien an der Schwelle vom 15. zum 16. Jh. zu suchen, als im Zuge der Reformation das Ausbildungsprivileg der Dom- und Klosterschulen zunehmend in die Hand der Kommunen überging. Die Städte hielten am Lateinschulwesen mit Latein als Unterrichtssprache fest, weil dieses System als Grundlage und Vorbereitung der Schüler für die Universität angesehen wurde. Der Trend, an regionalen Hochschulen zu studieren, setzte schon vor der Reformation ein und wurde von ihr noch verstärkt. Durch den Wegfall der Dom- und Klosterschulen war das Bildungssystem durch die reformatorischen Veränderungen in einem Lebensnerv getroffen worden. Es herrschte ein Mangel an entsprechend ausgebildeten Persönlichkeiten, die den Aufbau einer neuen evangelischen Kirchenordnung organisieren konnten. Die Reformation löste eine intensive Pädagogisierung aller Lebensbereiche aus, die Bildungseinrichtungen wechselten von privater und kooperativer in staatliche und kommunale Hand über. Schul- und Bildungspolitik wurden fortan als Aufgabe und Anliegen der Territorialmächte verstanden. Diese Gesinnung schlug sich in der Entwicklung der Bildungslandschaft im Deutschen Reich nieder, wobei die jeweilige konfessionskulturelle Prägung maßgeblich wurde - so auch in der Oberlausitz, wo mit dem Fehlen einer eigenen Landesuniversität den Gymnasien und Lyzeen in den Sechsstädten eine Art Ersatzfunktion für die nicht existierende Hochschule zukam und von ihnen Bildungsaufgaben übernommen wurden.
Dr. Martin Holý, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag, spannte den von Prof. Müller gezogenen Faden thematisch weiter und beschäftigte sich mit Beziehungen zwischen dem Gymnasium in Görlitz seit seiner Gründung 1565 und Böhmen bis zum Jahr 1620. Das aus dem säkularisierten Franziskanerkloster hervorgegangene Görlitzer Gymnasium entstand unter dem Einfluss des Reformationshumanismus. Anfangs in fünf, dann in sechs Klassen gegliedert, bereitete es Schüler für ein weiterführendes Studium vor. Anhand von Zahlen und Beispielen belegte Holý, dass die Absolventen des Görlitzer Gymnasiums in jener Zeit zu einem Gutteil aus dem benachbarten Böhmen stammten. Zwischen 1580 und 1620 etwa lassen sich 242 böhmische Landeskinder nachweisen, darunter 70 als Angehörige der Nobilität, während die Übrigen aus städtischem Bürgertum kamen. Der Besuch des Görlitzer Gymnasiums durch Schüler böhmischer Herkunft hing nicht zuletzt von der schwankenden Attraktivität weiterer Gymnasien der Oberlausitz bzw. anderen Nebenländern der Krone Böhmen zusammen. Der Lebens- und Bildungsalltag der Böhmen in Görlitz lasse sich bloß fragmentarisch erschließen. Durch Schulordnungen werde der Inhalt, aber auch das Aussehen der Ausbildung ersichtlich, freilich mit der Einschränkung, dass es sich dabei um pädagogische Idealbilder handele. Die Wahl des Görlitzer Gymnasiums als Bildungsstätte durch böhmische Landeskinder war zweifellos von beiderseitigem Nutzen. Görlitzer Bürger beherbergten adelige Schüler in ihren Häusern, darüber hinaus konnten sie etwa als Erzieher außerhalb der Stadt Arbeit finden. Die Entscheidung der Schüler aus Böhmen, nach Görlitz zu gehen, um dort eine Ausbildung zu absolvieren, machte Holý von mehreren Faktoren abhängig. Neben persönlichen Gründen und der Qualität des Unterrichts am hiesigen Gymnasium dürften die geographische Nähe der Stadt, ihre systematischen Kontakte zum böhmischen Milieu sowie das gemäßigte konfessionelle Klima in Görlitz eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Den Bildungschancen der sorbischen Bevölkerung der Oberlausitz im Zusammenhang mit sprachlichen und kulturellen Eigenheiten ging Dr. Peter Kunze (Bautzen) in seinem Vortrag nach, der versuchte, die "Entwicklung des sorbischen Schulwesens von den Anfängen bis zum Ende der frühen Neuzeit" nachzuzeichnen. Die Anfänge des sorbischen Elementarschulwesens an der Wende vom 15. zum 16. Jh. habe zunächst im "privaten Unterricht" durch den Kirchendiener bestanden. In diesen später als "Kirchenschulen" bezeichneten einfachen Einrichtungen konnten aber Lesen und Schreiben mangels gedruckter Bücher nicht vermittelt werden. Der heiklen Frage nach der Unterrichtssprache im sorbischen Gebiet wichen die Oberlausitzer Stände lange aus, ehe sie sich auf einen Kompromiss einigten: In den rein sorbischen Gebieten sollte auf Sorbisch, in den Randgebieten in Deutsch unterrichtet werden. Die Kirchenordnung von 1690 legte fest, dass der Katechismus in deutscher und sorbischer Sprache unterrichtet werden musste. Erst durch die Einführung einer "wendischen Schreib- und Leselehre" 1689 sowie die Verbreitung von Büchern und Schriften seit dem letzten Drittel des 17. Jh. nahm das sorbische Elementarschulwesen einen Aufschwung. Im Zuge der Aufklärung, die eine verbesserte Schulbildung der Untertanen forderte, und der in der Oberlausitz besonders wirksamen Strömung des Pietismus, der die Menschen zu wahrer Herzensfrömmigkeit erziehen wollte, wurden Institute zur Ausbildung von Pfarrern und Lehrern gegründet, darunter 1737 die Schulanstalt von Klix, die später nach Uhyst/Spree und Niesky verlegt wurde, oder 1746 jene von Großwelka. Sorbische Kinder sollten hier die Möglichkeit zum Erwerb der deutschen Sprache finden, um so ihre berufliche Karriere zu befördern. Diese Institutionen, die Seminaren ähnelten, sollten das geistig-moralische Niveau heben, vor allem aber Lehrer hervorbringen, die eine gute Allgemeinbildung besaßen und mit modernen Lehrmethoden vertraut waren, um ihrerseits wieder sorbische Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. Erst 1770 erließen die Stände der Oberlausitz eine Schulordnung, die allerdings geringe Resonanz für die Praxis hatte. Der Forderung, Lehrerseminare zu gründen, wurde erst spät, 1817 mit der Gründung des Landständischen Seminars in Bautzen, entsprochen. Bis 1835 sollte es dauern, ehe zum ersten Mal minimaler gesetzlicher Schutz für den Gebrauch der sorbischen Sprache im Unterricht verwirklicht werden konnte.
Günther Rautenstrauch, M. A. (Weimar) setzte sich mit dem Zittauer Gelehrten, Rektor des Zittauer Gymnasiums und Leiters der Ratsbibliothek Christian Weise (1642-1708) auseinander. Dabei skizzierte er ein eindrückliches Altersporträt Weises, den er als weltläufigen Mann mit einem gewissen aristokratischen Flair charakterisierte, der bis zu seinem Tod von seinem "Nestchen Zittau" aus Kontakt mit der Außenwelt aufrechterhält. An das faszinierende Lebensbild knüpfte G. Rautenstrauch "Gedanken über Pädagogisches und Allzumenschliches an einer Zeitenwende", die mit dem nachweislich letzten öffentlichen Auftritt Weises in Verbindung standen. In einer Gedenkrede am 31. Mai 1708 stellte Weise nämlich die Frage, ob Menschen, die an einer Schule lehren, unglücklicher wären als andere, was er nach tief greifender Argumentation und exemplarischer Erläuterung verneint. G. Rautenstrauch, bewertete diese "Parentation" für den Gutsherrn Melchior Caspar Winckler als "Weises letztes Vermächtnis". Der Reformpädagoge habe Nützlichkeit im umfassenden Sinne - nämlich für die Allgemeinheit, und nicht Eigennutz - gefordert und darüber hinaus Schule und Öffentlichkeit stets in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit begriffen. In der Rede nimmt Weise die verbreitete Klage der Lehrenden, in einer unablässigen Tretmühle gefangen zu sein, auf und zeigt die Relativität menschlichen Glücklichseins im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Philine Brandt (Mittelherwigsdorf) schließlich stellte eine Schulordnung des Zittauer Katecheten Martin Grünwald (1664-1716) vor und gewährte interessante Einblicke in die Geschichte des Volksschulwesens in der Oberlausitz des frühen 18. Jh. Grünwald, während seiner Zittauer Gymnasialzeit angeblich ein Lieblingsschüler Christian Weises, trat nach seinem Studium in Leipzig 1690 seine erste Stelle als Konrektor der evangelischen Schule zu Bautzen an. Neun Jahre später übersiedelte er mit seiner Familie nach Zittau. Nach dem Vorbild August Hermann Franckes in Halle/Saale, allerdings unter städtischer Patronanz stehend, gründete er hier 1701 ein Waisenhaus. Diese karitative Einrichtung war ein wesentlicher Beitrag, um die herrschenden sozialen Übelstände im Gefolge des 30-jährigen Krieges in Zittau zu überwinden. P. Brandt machte deutlich, dass Zittau aufgrund dieser Stiftung zusammen mit Lauban und dem niederschlesischen Bunzlau die östlichsten Exponenten der Francke’schen Ausstrahlungen gewesen sein dürfte. Wenige Jahre nach der Gründung des Waisenhauses erstellte Grünwald im Auftrag des Stadtrates die 15-seitige "Zittauische teutsche Schulordnung" als schulpädagogisches Regelwerk, worin Angelegenheiten des Schulhalters, der Schulpflicht oder der Zucht genau festgelegt wurden.
Der Nachmittag bot Gelegenheit, unter fachkundiger Führung von Dr. des. Marius Winzeler Zittaus Bildungsstätten von einst und jetzt zu besichtigen. Die Exkursion führte in die Aula des Johanneums mit dem eindruckvollen Monumentalgemälde "Paulus predigt in Athen" des Historienmalers Anton Dietrich (1833-1904). Von dort führte der Spaziergang weiter zum nahe gelegenen Alten Gymnasium, der Wirkungsstätte Christian Weises. Bei der Besichtigung der Innenräume erläuterte Dr. Thorsten Pietschmann (Lückendorf) das Bildprogramm einer barocken Plafondmalerei im Westflügel. Den krönenden Höhepunkt und Abschluss bildete schließlich die auf zwei Stockwerke des Heffterbaus verteilte Ausstellung "Weises Geschenk". Während U. Kahl im Erdgeschoss Persönlichkeiten und die städtebauliche Entwicklung des barocken Zittau, das im Augusteischen Zeitalter über eine prosperierende Wirtschaft und kulturelle Blüte verfügte, vorstellte, erläuterte M. Winzeler im Saal der einstigen Ratsbibliothek und Wunderkammer die Entstehungsgeschichte der Zittauer Sammlungen und des Prunkraumes. Dabei ging er auch auf das hintersinnige ikonographische Programm der Deckenmalereien Nikolaus Prescher ein, welche Pandora vor der olympischen Götterversammlung zeigen. Viele bemerkenswerte Aspekte ließen sich bei der Exkursion freilich nur andeuten, die in mehreren Aufsätzen des 40. Bandes der "Zittauer Geschichtsblätter", der reich illustrierten Begleitpublikation zu dieser Ausstellung, näher ausgeführt werden.
Die Tagung offenbarte eindrücklich, welch hoher Bildungs- und Ausbildungsgrad in der Oberlausitz heimisch war. Die Beiträge des Zittauer Symposiums sollen bald in einem Tagungsband veröffentlicht werden.
Die Wahl des Tagungsthemas und ihre Organisation macht Hoffnung auf viele weitere Veranstaltungen durch das Präsidium.
Bericht zur Frühjahrstagung 2009
Von Brigitte Westphal, Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e. V.
Unter dem Titel "Forschungen zu Geschichte und Natur der Oberlausitz" fand am 17. und 18. April 2009 die erste gemeinsame Tagung der beiden großen wissenschaftlichen Gesellschaften der Oberlausitz im Humboldthaus des Senckenberg Naturkundemuseums Görlitz statt.
Die Tagung wurde am Abend des 17. April 2009 durch Professor Dr. Wolfgang Geierhos und Professor Dr. Willi Xylander eröffnet. Daran anschließend hielt der Vorsitzende der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz Professor Dr. Werner Hempel einen Vortrag zum Thema "Historische Aspekte zur Vegetations- und Landschaftsentwicklung in Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der Oberlausitz". Er stellte darin in einzigartiger Weise - es gibt sicher in ganz Deutschland niemanden, der sonst dazu für irgendeinen Landesteil in der Lage wäre - Geschichte, Botanik und auch Etymologie (von Flurnamen) des Gebietes dar. Seine Ausführungen wurden mit vielen Dias und (eigenen!) Karten veranschaulicht.
Die eigentliche Vortragstagung begann am Sonnabend um 10 Uhr. Nach der Begrüßung der gut 90 Teilnehmer durch Professor Hempel gab Professor Dr. Wolfram Dunger - Ehrenvorsitzender der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz - eine Einführung in die Geschichte der beiden oberlausitzischen Gesellschaften. Den ersten Vortrag hielt dann Frau Dipl.-Geol. Anke Tietz (Görlitz) mit dem Titel "Im Vorfeld der ersten geologischen Kartierung der preußischen Oberlausitz durch Ernst Friedrich Glockner (1857)". Sie stellte anschaulich die Geschichte dar, in der es sowohl zu Annäherungen der beiden Gesellschaften als auch Problemen kam, bis endlich eine Karte entstehen konnte. Herr Dipl.-Biol. Peter Heyne stellte in seinem Vortrag "Die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft - ein Biosphärenreservat der UNESCO" als Leiter des Biosphärenreservates u.a. dar, wie es zur Aufnahme in die UNESCO-Liste kam, welche Voraussetzungen erfüllt werden mussten und welche Bedeutung - auch z.B. für die touristische Öffentlichkeit - eine solche Tätigkeit hat. Der Vortrag von Professor Dr. Dr. h.c. Bernhard Klausnitzer (Dresden) behandelte "Entomologische Schulen in der Oberlausitz - bis heute nachwirkende Freizeitforschung" und verband damit die beiden Schwerpunkte der Gesellschaften. Nach der Mittagspause ging es weiter mit Ausführungen des Vorsitzenden der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften Professor Dr. Wolfgang Geierhos zu "Die Oberlausitz in der Transformationsdiskussion - Prognosen der Landesentwicklung". Er beschrieb die Situation der Oberlausitz unter geschichtlichen Aspekten und zeigte auf, dass es nur eine Zukunft für diese Region geben kann, wenn sie ihre Identität grenzüberschreitend zu Polen und Tschechien als "Oberlausitz" finden kann. Frau Katja Friedrich (Dipl.-Ing. Architektin aus Dresden) führte die Tagungsteilnehmer in das Jahr 2070: Ihr Thema "Trialog als Vision für das kleine Dreieck Zittau-Hrádek n.N.-Bogatynia. Ein Beispiel für länderübergreifende Regionalplanung" fundierte auf einer Arbeit, die das Ziel hatte, in jeder Stadt jeweils ein kleines Grundstück neu zu gestalten und infolgedessen jede Stadt - auch mit einer neuen Bahnverbindung - für alle Bewohner des Grenzgebietes zum gegenseitigen Austausch attraktiv machen sollte. Auch wenn die heutigen Realitäten weit von dieser Vision entfernt sind, waren sich alle einig, dass es kein Vorwärtskommen ohne solche Visionen geben kann. Der abschließende Vortrag von Dr. Steffen Menzel (Rothenburg/OL) "... und wird die Heide übermäßig durchgraben und verwüstet. - Die Wirkung der oberlausitzer Eisenproduktion auf Landschaft und Umwelt" behandelte u.a. die im Zusammenhang mit dem Abbau des Raseneisens verbundenen Probleme, die oft von "oben" geschlichtet werden mussten. In seinem Schlusswort betonte Prof. Geierhos noch einmal die Bedeutung der gemeinsamen Tagung und verlieh seinem Wunsch Ausdruck, weitere Aktivitäten beider Gesellschaften anzustreben. Dies wurde mit großer Zustimmung von allen Tagungsteilnehmern aufgenommen.
Nach der Tagung verabschiedeten sich die Teilnehmer voneinander, um ihre jeweiligen Mitgliederversammlungen abzuhalten.
Programmflyer zur Tagung (PDF, 206 kB)
Nach der Tagung fand am Sonntag eine Exkursion unter der fachmännischen Leitung von Dr. Andreas Bednarek statt. Die Teilnehmer besuchten u. a. Lissa (Lassow), Kohlfurt (Węgliniec), Halbau (Iłowa), Sagan (Sagań), Sprottau (Szprotawa) und Bunzlau (Bolesławiec).
Bericht zur Herbsttagung 2008 in Bautzen "Lausitzer Archivlandschaften"
Aus Anlass der Gründung des Staatsfilialarchivs Bautzen vor 75 Jahren stand die Herbsttagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) ganz im Zeichen des (Ober-)Lausitzer Archivwesens. Das facettenreiche Programm des dreitägigen Symposiums stieß auf reges Interesse und sorgte für hohe Teilnehmerzahlen bei allen Veranstaltungen. Die prächtige Aula des Friedrich-Schiller-Gymnasiums bot günstige Voraussetzungen für die Tagung und eine angenehme Atmosphäre. Die musikalische Gestaltung des Eröffnungsabends am 7. November lag in den Händen von Domkantor Friedemann Böhme, der Passagen aus der Sonate II in c-Moll von Felix Mendelsohn-Bartholdy sowie Variationen über ein altes sorbisches Volkslied von Jan Paul Nagel auf der Sauer-Orgel spielte.
In ihren Grußworten bezogen sich Grit Richter Laugwitz, Leiterin des Archivverbunds Stadtarchiv/Staatsfilialarchiv Bautzen, Dietrich Göckelmann, Abteilungsleiter im Sächsischen Staatsministerium des Innern in Vertretung des Innenministers Dr. Albrecht Buttolo, und Prof. Dr. Wolfgang Geierhos, Präsident der OLGdW, auf den Jubilar, das Staatsfilialarchiv Bautzen, das nach wechselvoller Geschichte heute eine weithin anerkannte und für die Forschung unverzichtbare Institution darstellt. Bautzens Oberbürgermeister Christian Schramm nannte das Sammeln, Bewahren und Ordnen als Aufgaben archivarischer Arbeit, um das kulturelle Gedächtnis einer Stadt, einer Landschaft oder des Staates zu bewahren. Die Archivalien seien ein Sublimat, niedergeschlagene menschliche Erfahrung verschiedener Art, festgehaltenes und gespeichertes Lebensgut, das befragt werden könne. Ständig wachsende Besucherzahlen im Staatsfilialarchiv Bautzen würden bestätigen, dass die Arbeit der Archive, das Wissen der Archivare für die Gesellschaft wichtig ist. Im Anschluss an die Grußworte schalteten Marko Schiemann, MdL, Dr. Jürgen-Rainer Wolf, Dietrich Göckelmann sowie Grit Richter-Laugwitz und Anja Moschke gemeinsam die Onlinepräsentation der Beständeübersicht des Staatsfilialarchivs Bautzen auf der Homepage des Sächsischen Staatsarchivs frei.
Prof. Dr. Winfried Müller (TU Dresden) rief in seinem Festvortrag die regionale Vielfalt der Oberlausitz während der Frühen Neuzeit in Erinnerung, eine Vielfalt, die sich nicht zuletzt in der Überlieferung der Archive widerspiegle. Dahinter stecke die Erfahrung der Vielheit und der Vervielfältigung, die durch bestimmte Entwicklungsprozesse wie Expansion oder Handelsverbindungen ausgelöst worden seien. W. Müller wies auf die Bedeutung der "Via regia" hin, lange Zeit die wirtschaftliche Lebensader der Oberlausitz in Ost-West-Richtung, die regen Austausch und internationale Beziehungen ermöglichte. Mannigfaltigkeit für die Oberlausitz sah Prof. Müller insbesondere auch in religiöser, ethnischer und verfassungsgeografischer Hinsicht gegeben, ohne allerdings den grundsätzlichen Konflikt zwischen Pluralisierung und Normierung außer Acht zu lassen. Die Vielfalt in der Oberlausitz sei zum Teil eine unfreiwillige gewesen, verursacht etwa durch den Pönfall oder die habsburgische Politik in Böhmen nach der Schlacht am Weißen Berg. Durch die im Traditionsrezess festgeschriebenen Religionsverhältnisse und die Bewahrung ständischer Privilegien habe die Oberlausitz bis zur Homogenisierung seit dem 19. Jahrhundert viele Besonderheiten und eine regionale Eigenständigkeit bewahren können. W. Müller bezeichnete die Oberlausitz der Frühen Neuzeit metaphorisch als eine mannigfaltige Brückenlandschaft, die in der Lage gewesen sei, Gegensätze um des inneren Friedens willen auszugleichen.
Die Vorträge am 8. November widmeten sich ganz dem Archivwesens und beschäftigten sich zunächst mit mehreren Bautzener Einrichtungen. Grit Richter-Laugwitz (Archivverbund Bautzen) skizzierte den Werdegang des Staatlichen Zweigarchivs für die Oberlausitz zum jetzigen Staatsfilialarchiv Bautzen. Die Idee, ähnlich wie in Bayern oder Preußen auch in Sachsen Zweigarchive einzurichten, um das 1834 gegründete Hauptstaatsarchiv in Dresden zu entlasten, stammte von dessen Direktor Hans Beschorner. Im April 1932 forderte er die Schaffung von Nebenarchiven in den wichtigen historischen Landschaften Sachsens, darunter auch für die Oberlausitz. Mit der Fusion der Kreishauptmannschaften Dresden und Bautzen am 1. Juli 1932 und der drohenden Verlegung des Bautzener Behördenarchivs in die Landeshauptstadt wurde die Archivfrage virulent. Ungeachtet der unterschiedlichen Vorstellungen kam ein tragfähiger Kompromiss zustande. Dennoch war die dauerhafte Existenz des Archivs in Bautzen zunächst ungewiss. Während die Aufgabenbereiche und Bestände nach 1945 durch Gewinnung einstiger Gutsarchive oder von Akten aus Altregistraturen der früheren staatlichen Behörden auf dem Gebiet der Oberlausitz wuchsen, verschlechterten sich die baulichen und Arbeitsbedingungen auf der Ortenburg zusehends. Erst nach 2001 verbesserte sich die Situation nachhaltig. Die Gründung des Archivverbunds Bautzen durch die Vereinigung des Stadtarchivs mit der hiesigen Außenstelle des Staatsarchivs sowie der Bezug moderner Räumlichkeiten in den adaptierten Gebäuden Schloßstraße 10-14 brachten eine glückliche Lösung.
Bezug nehmend auf ihre Vorrednerin schnitt Anja Moschke (Archivverbund Bautzen) ein Stück Oberlausitzer Justiz- und Verwaltungsgeschichte nach 1835 anhand von Vorakten aus den Beständen des Staatsfilialarchivs Bautzen an. Vorakten sind Registraturgut in Form von Sammelbeständen von abgebenden Behörden bzw. deren Vorgängern. Jede aufgelöste Registratur übergab ihre Akten an die Nachfolgeinstitution, bis sie schließlich vom zuständigen Archiv übernommen und zusammengefasst wurden. Am Beispiel des Gutsarchivs von Baruth schlüsselte A. Moschke diesen komplizierten Vorgang auf. In den 1960er Jahren ging das Historische Staatsarchiv Bautzen dazu über, auf Basis der Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze der Staatlichen Archivverwaltung seine Pertinenzbestände neu zu bearbeiten. Seither werden die Urprovenienzen der Archivalien ermittelt und dementsprechend neue Bestände gebildet, die zuvor aus älteren herauszulösen sind. Die Gliederung der Bestände im Staatsfilialarchiv Bautzen orientiert sich dabei an jener des Sächsischen Staatsarchivs, in dessen Tektonik sie sich einfügt. In der Struktur soll die Überlieferungsgeschichte sichtbar bleiben, etwa die preußische Behördenüberlieferung der Oberlausitz nach 1815, wo bei der Einordnung sächsische und preußische Bestände gebildet werden. Als Beispiel für das Sichtbarmachen von Beständen, die bislang innerhalb von Bestandsübersichten verschwunden waren, stellte A. Moschke die 2005 begonnene Neuverzeichnung der Amtsgerichtsbestände nach deren Provenienz vor.
Dr. Birgit Mitzscherlich (Diözesanarchiv Bautzen) referierte über das Bautzener Domstift und sein Archiv. Seit Beginn der Aktenlegung im 16. Jh. bewahrt es rund 1200 Urkunden auf, die Rechtsangelegenheiten, Zehnt und Zinsabgaben betreffen, die älteste stammt aus dem Jahr 1221. Dank geringer Verluste durch Brände und Kriege hat sich ein ziemlich geschlossener Bestand erhalten, der über das Bautzener Domstift als politische Größe, als kirchliche Behörde und Grundherrschaft sowie über die ökonomischen Grundlagen und Verhältnisse der Gemarkung mit ihren 20 Dörfern Auskunft gibt.
Dr. Annett Bresan (Kulturarchiv Bautzen) wählte den rund 200 Jahre alten Lebensbericht des sorbischen Heidebauern Hanso Nepila aus Rohne im Schleifer Kirchspiel als Aufhänger, um das Sorbische Kulturarchiv Bautzen und dessen Archivalien als Quellen der sorbischen Geschichte vorzustellen. Den Grundstock für diese Einrichtung bildete das Sammelgut sorbischen Schrifttums aus dem Besitz der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft "Maćica Serbska", das 1904 im "Wendischen Haus" am Lauengraben ein Domizil fand. 1953 gelangten die von den Nationalsozialisten 1941 konfiszierten Bestände an das Institut für sorbische Volksforschung, das die institutionelle Nachfolge der "Maćicia Serbska" angetreten hatte und sich um den Aufbau eines sorbischen Zentralarchivs bemühte. Ungeachtet mancher Verluste, darunter die nach 1945 zunächst zugewiesenen Akten der "Wendenabteilung" (heute im Staatsfilialarchiv Bautzen), ist das Sorbische Kulturarchiv nunmehr die zentrale Sammelstelle für alle die sorbische Geschichte betreffenden Archivalien und Dokumentationszentrum für das kulturelle Leben der Sorben.
Dass die Teilung der Oberlausitz 1815 nicht nur eine tiefe politische Zäsur war, sondern auch die Archivlage und kommunale Überlieferung des Landes nachhaltig beeinflusste, legte Siegfried Hoche (Ratsarchiv Görlitz) in seinem Beitrag dar. Der Eigentumswechsel der an Preußen gefallenen Gebiete zog eine Sondierung der Archive nach sich, um dem Rechtsnachfolger das benötigte behördliche Schriftgut auszuhändigen, wie es im Friedenstraktat vorgesehen war. Die Übergabe zog sich Jahrzehnte hin und führte zu erheblichen Verlusten, ebenso wie später die Verwaltungsreform in Preußen. Veränderungen der behördlichen Strukturen und wechselnde Zuständigkeiten im Laufe des 19. Jh., beispielsweise die Eingliederung der Landkreise Görlitz, Rothenburg und Lauban in den niederschlesischen Regierungsbezirk Liegnitz oder die Gründung des kgl. Oberlandesgerichts für die Ober- und Niederlausitz in Glogau, schlugen sich in der Archivierung nieder, die pragmatisch nach aktuellem Nutzen erfolgte.
Thematisch knüpfte hier Dorota Sokołowska (Staatsarchiv Wrocław) mit ihrem Bericht über Ober- und Niederlausitzer Archivalien im Staatsarchiv Wrocław an, das heute zu größten Sammlungen dieser Art in Polen zählt. Zu den erhalten gebliebenen Altbeständen gehören Archivalien aus der preußischen Oberlausitz, die zwischen 1815 und 1945 nach Breslau gelangten. Trotz erheblicher Verluste im 2. Weltkrieg, der die Akteneinheiten zum Markgraftum Oberlausitz großteils vernichtete, gibt es umfangreichere Bestände u. a. zur Stadt Lauban und dem Magdalenerinnenkloster, zu den Standesherrschaften Hoyerswerda und Muskau, zum Sechsstädtebund, Bohemia sowie im Landständischen Archiv der Oberlausitz.
Dr. Lenka Matušíková (Nationalarchiv Prag), deren Vortrag stellvertretend von Jan Zdichynec (Prag) gehalten wurde, bot einen genauen Überblick über die Bestände des Prager Nationalarchivs vom Mittelalter bis ins 19. Jh., soweit sie die beiden Lausitzen als böhmische Nebenländer betreffen. Neben Pergamenturkunden des 13. Jh. aus dem Archiv der böhmischen Krone und Dokumenten des Zittauer Johanniterordens umfassen sie u. a. Unterlagen zu Privilegien, Landtags- und Lehensangelegenheiten, Amtsbücher und Akten sowie Schriftgut der Böhmischen Hofkanzlei bzw. der böhmischen Abteilung der Hofkammer vom 16. bis zum 18. Jh. Die vorgestellten Archivalien veranschaulichen eindrucksvoll die politische, religiöse und wirtschaftliche Verflechtung der Oberlausitz mit dem böhmischen Nachbarn, die nach dem Übergang an Kursachsen weiterhin bestand.
Mit dem ständischen Urkundenarchiv sowie der landständischen Verfassung des Markgraftums Niederlausitz beschäftigte sich Dr. Klaus Neitmann (Potsdam) vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv. Der heutige Urkundenbestand sei im frühen 17. Jh. geschaffen und bis heute im Wesentlichen erhalten geblieben. An der Spitze stehen Urkunden der Landesherren als Kurfürsten von Böhmen und Sachsen, darunter Bestätigungen oder Verleihungen von Privilegien. Die älteste erhaltene Urkunde von 1411 enthält das Versprechen Wenzels I., das Markgraftum Niederlausitz nicht von der Krone Böhmens zu trennen. 176 Urkunden aus dem Zeitraum 1370-1853 wurden in Form von Kurzregesten beschrieben. Dem Bestand sind außerdem Rechtsdokumente des 17. und 18. Jh. zugeordnet.
Dr. Peter Wiegand vom Hauptstaatsarchiv Dresden ging der Frage nach, inwiefern die Sonderstellung der Lausitzen in der Behördenüberlieferung Kursachsens greifbar wäre. Als nicht inkorporierte Länder besaßen die Ober- und Niederlausitz eine eigene ständische Verfassung und separate Landesbehörden. Versuche der kursächsischen Verwaltung, die Exemption der Lausitzen zu unterlaufen und deren Integration in die Erblande voranzutreiben, blieben anfangs erfolglos. Dass die administrative Autonomie freilich in der verwaltungstechnischen Praxis angezweifelt oder sogar ignoriert wurde, zeigen die Akten der Appellationsverfahren. Die Einbindung der Oberlausitz in den sächsischen Gesamtstaat 1821 und die damit verbundene Anpassung an die sächsische sowie die Verträge von 1831 und 1834, welche die Sonderverfassung der Oberlausitz aufhoben, wirkten sich auf das Archivwesen aus. Seither befinden sich Akten zur Geschichte der Oberlausitz in den Beständen fast aller staatlichen Institutionen Sachsens, was für den Zeitraum von 1635 bis ins frühe 19. Jh. nicht der Fall gewesen war.
Abschließend wagte Dr. Jürgen Rainer Wolf, Sächsisches Staatsarchiv Dresden, eine Vorausschau, wie sich die am 1. August 2008 in Kraft getretene Verwaltungsreform auf die Überlieferungsbildung in Sachsen künftig auswirken könnte. In seiner vorsichtigen Prognose berücksichtigte er Erfahrungen aus der Bestandsbildung durch Verwaltungs- und Strukturreformen seit 1945, wies aber gleichzeitig auf aktuelle Probleme und ungeklärte Fragen hin, die mit der Verlagerung der Verwaltungsbereiche von der Kreis- auf die kommunale Ebene verbunden sind. Da gegenwärtig das Gefüge der künftigen Kreis- und Kommunalarchive noch nicht festlägen, sei deren Nachhaltigkeit nicht gesichert. Angesichts des langen Zeitraums von 30 Jahren, innerhalb dessen die Bestands(um)bildungen erfolgen, müsse die Vorschau zwangsläufig vage bleiben.
Die einzelnen Tagungsbeiträge werden 2009 in einem vom Sächsischen Staatsarchiv herausgegeben Tagungsband erscheinen.
Nochmals 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich bei schönem, aber kühlem Wetter am Sonntagmorgen am Bautzener Rathaus ein, um an der angebotenen Exkursion teilzunehmen. Die Interessenten hatten die Möglichkeit unter fachkundiger Führung die Ortenburg und den Stucksaal, die Häuser der Landstände auf der Schloßstraße sowie den Neubau des Magazins für das Staatsfilialarchiv zu besichtigen.
Bericht zur Frühjahrstagung 2008 in Görlitz
Nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt war der Johannes-Wüsten-Saal im Barockhaus Neißstraße 30, als Prof. Dr. Wolfgang Geierhos Mitglieder und Gäste zur Frühjahrstagung der OLGdW am Vormittag des 19. April in Görlitz willkommen hieß. Viele der Anwesenden waren schon am Abend zuvor der Einladung ins benachbarte Schlesische Museum im Schönhof gefolgt, um dem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Hartmut Zwahr (Leipzig) beizuwohnen. Auf eindrückliche Weise ließ er die Ereignisse des "Prager Frühlings" von 1968 lebendig werden und vermittelte sehr persönliche und zugleich authentische Eindrücke der damaligen Situation, die sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zur bedrohlichen politischen Krise zuspitzte. Prof. Zwahr trug aus seinen damals heimlich geführten und kürzlich erst veröffentlichten Tagebüchern vor und kommentierte die geschilderten Vorgänge und Hintergründe. Durch die belassene originale Diktion der Aufzeichnungen entstand während des Vortrags eine emotionale Nähe, die den Zuhörern etwas von der bedrückenden Stimmung wie verzweifelten Lage des Geschehens zu vermitteln vermochte.
Der Samstagvormittag war einigen Referaten von Mitgliedern der OLGdW vorbehalten. Zunächst sprach Dr. Jan Zdichynec (Prag) über die "konfessionelle Zeit in den oberlausitzischen Frauenklöstern" und führte Beispiele für die "Krise und Erneuerung des monastischen Lebens in der zweigläubigen Oberlausitz" an. Die religiösen Konflikte zwischen Katholiken und Lutheranern bedeuteten für jene durch die Reformation geschwächten Zisterzen St. Marienstern und St. Marienthal sowie das Laubaner Magdalenerinnenkloster eine Jahrzehnte währende Zerreißprobe. Zu den veränderten äußeren kirchenpolitischen Verhältnissen kamen innere strukturelle Probleme. Durch Visitationen und Maßregelungen versuchten das Domstift Bautzen und die Prager Erzbischöfe, der Auflösung klösterlicher Ordnung oder Ungehorsam entgegenzusteuern. Andererseits mussten sich die Äbtissinnen gegen Bevormundung und Eingriffe, die den Interessen ihrer Gemeinschaften zuwiderliefen, wehren oder sich auch mit der inzwischen mehrheitlich protestantischen Umgebung arrangieren.
Anschließend erörterte Dr. des. Danny Weber (Leipzig) die "Görlitzer Stadtfinanzen um 1800", dem es ein wichtiges Anliegen war, ein von der preußischen Historiographie tradiertes (Vor-)Urteil zurechtzurücken. Demnach wären der ökonomische Niedergang von Görlitz und die schlechte städtische Finanzlage durch die verfehlte und rücksichtslose Politik der sächsischen Kurfürst-Könige, namentlich im Siebenjährigen Krieg und in der Napoleonischen Ära, verschuldet worden und wären erst nach dem Wiener Kongress als Folge der preußischen Herrschaft gesundet. Tatsächlich aber hing der allmähliche Niedergang von Görlitz im 17. und 18. Jahrhundert von mehreren Faktoren ab: neben Bränden und Kriegsauswirkungen mit dem Bedeutungsverlust der Tuchherstellung gegenüber der Leinenproduktion und dem damit verbundenen Aufschwung anderer Oberlausitzer Städte wie Zittau oder Lauban. Ungeachtet aller widrigen Umstände konnte Görlitz, wie D. Weber mittels Graphiken und Statistiken belegte, kontinuierlich eine kluge Finanz- und Tilgungspolitik zu führen, um die Schulden deutlich zu senken, und erhielt sich ihre Kreditwürdigkeit.
Prof. Dr. Karlheinz Blaschke (Friedewald) zeichnete das schließlich das "Bild der Sorben in der amtlichen Forschung von 1918 bis 1945" nach und fand deutliche Worte für die nationalsozialistische "Wendenpolitik", in die auch sächsische Hochschullehrer verstrickt waren. Als Ausgangspunkt und Anlass diente ihm dabei das 2007 erschienene Buch "Die ‚Wendenfrage’ in der deutschen Ostforschung 1933-1945" des Historikers Frank Förster, der als Deutscher von Geburt zu einem "bekennenden Sorben" wurde. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unterstützten weithin anerkannte und angesehene Wissenschaftler den bürgerlichen Deutschtumskampf, der geistesgeschichtlich im 19. Jahrhundert wurzelte. In der Abwehr einer vermeintlichen "slawischen Gefahr" richtete er sich immer stärker gegen die Sorben und lief nach Prof. Blaschke auf die "Endlösung der Sorbenfrage" hinaus. Diskriminierung und eine tief sitzende Abneigung nationalbewusster Beamter gegenüber den Sorben waren nicht erst mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933, sondern bereits viel früher sichtbar und spürbar gewesen.
Erneut hatten junge Wissenschaftler Gelegenheit, im Rahmen des "Jungen Forums" ihre Forschungen vorzustellen und weitere Anregungen durch die Diskussion zu finden. Gerald Förster (Chemnitz) suchte Gemeinsamkeiten und Trennendes in der "Entwicklung des deutsch-slawischen Zusammenlebens in den Lausitzen, im Elbe-Saale-Gebiet und in Böhmen" zwischen dem 12. und frühen 15. Jahrhundert. Der Landesausbau sei grundsätzlich friedlich verlaufen und von wechselseitigen Assimilierungsprozessen begleitet worden. Ortsnamen, Flurbezeichnungen und Siedlungsstrukturen erlauben allgemeine, doch keine automatischen Rückschlüsse auf die Besiedelung. Ansiedlungen mit deutschem Namen konnten slawischen Ursprungs sein und umgekehrt, während es in den Gebirgsregionen Böhmens Waldhufendörfer gab, von Tschechen angelegt wurden. G. Förster wies auf Archivalien wie Urbare, Zins- und Zehentregister, darunter jene in Neuzelle oder St. Marienstern, hin, die konkrete Angaben zur Bevölkerung, über Besitzgrößen beziehungsweise -verhältnisse enthalten. Dass das "Miteinander" der Volksgruppen mitunter eher einem "Gegen-" oder "Nebeneinander" glich, zeigte sich bei den Zünften, wo beispielsweise in Bautzen für Sorben ein Aufnahmeverbot bestand, reiche sorbische Kaufleute aber als Ratsleute fungierten. In einigen böhmischen Städten existierten eigene Zünfte für Deutsche und Tschechen, während Nationalitätenstreitigkeiten eher die Ausnahme gewesen sein sollen. G. Förster erläuterte anhand von Karten die Problematik der Zuweisung von Stadtgründungen nach bestehenden Stadtrechten und lehnte die These der Stadtbildung als eine rein deutsche Entwicklung ab, weil sich diese Tendenz analog bei den Tschechen zeigte.
Anja Zschornak (Leipzig/Kamenz) wählte das spätmittelalterliche Kamenz, um über das Verhältnis von "Stadt und Kirche in der Oberlausitz" zu sprechen. Sie setzte sich mit wesentlichen Aspekten urbaner Identität durch Frömmigkeit und Glauben auseinander, die sie in drei Gruppen gliederte. Dazu zählte sie die geistlichen Einrichtungen, also Kirchen und Klöstern der Stadt, ferner Bruderschaften, Prozessionen und Stiftungen, außerdem die Geistlichkeit. Der Kamenzer Marienkirche als Versammlungsort der Stadtgemeinde zur jährlichen Wahl ihres Bürgermeisters kam eine besondere Identität stiftende Rolle zu, während der Rat als Initiator von Bitt- oder Bußprozessionen in Erscheinung trat, die von örtlichen Geistlichen begleitet wurden. Damit wurden die soziale Rangordnung der Bewohner und ihre ständische Hierarchie der urbanen Gesellschaft sinnfällig. Wirkte der Rat in seiner Funktion als treuhändischer Verwalter des Stiftungsvermögens für Altäre und Seelenmessen auf das geistliche Leben, waren Konflikte zwischen Stadt und Kirche vorprogrammiert, was die Referentin durch Archivalien wie den "klagenden Zeuspruch Eynes Erbarn Rathes der Stadt Camentzs wider den pfarrer doselbst" eindrucksvoll bezeugte.
Łukasz Tekiela (Lubań) beschäftigte sich mit der "operativen Bedeutung Zittaus während des Dreißigjährigen Krieges", die sich in der mehrmaligen Einbeziehung der Stadt in die kriegerischen Ereignisse jener Epoche zeigte. Die geographische Lage in der tektonischen Senkung zwischen Lausitzer und Isergebirge als Verkehrsknoten zwischen Böhmen, Schlesien und Sachsen sowie der Verlauf der Neiße als Korridor in Nord-Süd-Richtung erwiesen sich als günstige Voraussetzungen für reibungslose Truppenbewegungen der verschiedenen Armeen, so dass Zittau wiederholt ins Visier der Militärs geriet. Die Herrschaft über Zittau war für den Schutz von Heeresflügeln oder den sicheren Durchmarsch und Rückzug von Truppen ausschlaggebend. Der Besitz dieser Stadt hatte Auswirkungen für die gesamte östliche Oberlausitz, die zusammen mit Schlesien aus strategischer Hinsicht ein einheitliches Gebiet darstellte.
Der Nachmittag war der mit viel Spannung erwarteten Mitgliederversammlung vorbehalten, bei der neben den Rechenschaftsberichten des Präsidenten und des Schatzmeisters auch die turnusmäßige Wahl eines neuen Präsidiums anstand.
Den Höhepunkt bildete zuvor freilich die Verleihung der Ehrenpräsidentschaft an Prof. Karlheinz Blaschke. Sichtlich gerührt bedankte sich dieser für die Auszeichnung bei den Mitgliedern "auf dreierlei Art und Weise: mit Worten, Werken und Weisheiten." Prof. Blaschke fand vor allem "Worte" des Dankes und der Freude für diese Auszeichnung, nicht ohne den Hinweis, dass in Zeiten, in denen materielle Werte eine dominierende Rolle spielen, Worten nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werde. An "Werken" überreichte er dem Präsidium zwei kürzlich erschienene Publikationen: zum einen ein Sonderdruck seines Beitrages zur Geschichte der Oberlausitzer Landstände im 16. und 17. Jahrhundert, zum anderen ein 2006 veröffentlichter Tagungsband zur Stadtgeschichtsforschung, der seinen Beitrag zur Entstehung der Stadt Görlitz enthielt. Schließlich teilte Prof. Blaschke einige Gedanken zur Besonderheit des Landes Oberlausitz mit. So erinnerte er daran, dass die Oberlausitz Heimat des sorbischen Volkes sei, und warb dafür, die Sorben nicht als "Minderheit" mit seinem dem Wort anhaftenden negativen Beigeschmack anzusehen, sondern sie als Partner zu betrachten. Außerdem verwies er auf die großartigen Leistungen von Oberlausitzern, sei es in der Wirtschaft, in der Kultur oder der Wissenschaft. Er bezeichnete die Oberlausitz als einen Sonderfall in der Geschichte, in der diese Leistungen nicht durch eine zentralisierte Staatsverfassung hervorgebracht wurden, sondern mittels der Unterstützung der Stände umgesetzt werden konnten, und zwar "auf sanftere Art und Weise" als in manch anderem, zentralistisch geführtem Land. Besondere Bedeutung maß er der geographischen Lage der Oberlausitz in der Mitte Europas zu und insbesondere der ihr seit 1990 zugefallenen Rolle einer Brückenregion nach Ostmitteleuropa. Schließlich appellierte Prof. Blaschke an die Zuhörer, auf die historischen wie die heutigen Leistungen der Menschen in der Oberlausitz mit dem Werbespruch "Wir sind wer!" aufmerksam zu machen, um ein neues Selbstverständnis zu entwickeln.
Das neue Präsidium
Nach Ablauf der vierjährigen Amtsperiode des seit 2004 amtierenden Präsidiums wurde die anstehende Neuwahl mit Spannung erwartet, zumal mit dem Ausscheiden von drei langjährigen Mitgliedern und dem Tod des letzten Vizepräsidenten erhebliche Lücken zu schließen waren. Aus mehreren Kandidaten wurden Prof. Dr. Wolfgang Geierhos (Görlitz), Dr. Lars-Arne Dannenberg (Dresden), Steffen Menzel (Rothenburg), Dr. Volker Dähn (Görlitz), Ulrich Ebermann (Görlitz), Tino Fröde (Olbersdorf) und Grit Richter-Laugwitz (Bautzen) in das neue Präsidium gewählt. In seiner konstituierenden Sitzung bestimmte das neue Präsidium Prof. Dr. Geierhos erneut zum Präsidenten. Dr. Lars-Arne Dannenberg wird künftig die Aufgaben des Vizepräsidenten übernehmen, Steffen Menzel jene des Sekretärs, während Dr. Volker Dähn die Geschäfte des Schatzmeisters anvertraut wurden. Zum Schluss bedankte sich der Präsident für das Vertrauen und versprach eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Er rief aber auch die Mitglieder auf, sich mit Ideen und regem Meinungsaustausch in die Gesellschaft einzubringen, um die Arbeit auf breite Schultern zu verteilen und die Ausstrahlung der Gesellschaft in die Region zu erweitern.
Mit einem Ausblick auf die Herbsttagung im November 2008 unter dem Thema "Lausitzer Archivlandschaften" in Bautzen schloss Prof. Geierhos die Versammlung.
Abgerundet wurde die Tagung am Sonntag mit einer Exkursion zu verschiedenen Zielen in Nordböhmen, wie die Loretto-Kapelle in Rumburk (Rumburg), der Laurentiuskirche in Jablonne v Podjestedi (Deutsch Gabel) und Schloss Lvova (Lämberg), unter der sachkundigen Führung von Dr. Andreas Bednarek.
Bericht zur Herbsttagung 2007 in Schmochtitz "Die zweisprachige Oberlausitz in multikonfessioneller Perspektive"
Vom 2. bis 3. November 2007 standen unterschiedliche Aspekte der oberlausitzischen Kirchengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart im Zentrum von Referaten und Diskussionen. Die Tagung, die in den Räumen des Sorbischen Museums auf der Ortenburg in Bautzen sowie dem Bischof-Benno-Haus Schmochtitz stattfand, wurde von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) in Kooperation mit dem Sorbischen Institut in Bautzen durchgeführt. Über 100 Teilnehmer hatten sich eingefunden, was das außerordentliche Interesse an einem solchen Thema hinreichend verdeutlicht.
Das Konzept war wesentlich vom kürzlich verstorbenen Vizepräsidenten der Gesellschaft Dr. Matthias Herrmann (†) und dem Direktor des Sorbischen Instituts Herrn Prof. Dr. Dietrich Scholze erstellt worden. Im Vorfeld bot eine Führung durch die Ausstellung "Bautzens verschwundene Kirchen" im Archivverbund - Staatsfilialarchiv/ Stadtarchiv Bautzen eine gute Gelegenheit, sich auf das Symposium einzustimmen.
Bautzens Oberbürgermeister Christian Schramm erinnerte in seinem Grußwort an die kirchlichen Traditionen der Stadt und wies auf die gegenwärtige konfessionelle Vielfalt hin, ehe der Präsident der OLGDW, Prof. Dr. Wolfgang Geierhos, und Prof. Dr. Dietrich Scholze die Tagung im Festsaal des Sorbischen Museums auf der Ortenburg eröffneten. Prof. Dr. Enno Bünz (Universität Leipzig) hielt den Abendvortrag. Zum Ausgangspunkt nahm E. Bünz die "Epistola de miseria …" eines anonymen Autors, die vermutlich im mitteldeutschen, näherhin im markmeißnischen Raum entstanden waren, und stellte eindrucksvoll Bezüge zum mittelalterlichen Alltag in der Oberlausitz her. Seine Reflexionen zu den "Neun Teufeln, die den Pfarrer quälen", gerieten so zur spannenden, aus heutiger Sicht mitunter kuriosen Spurensuche. Anschließend luden die Gastgeber zu einem kleinen Empfang, wo der Abend mit einer musikalischen Darbietung der Künstlerinnen Liana Bertok (Klavier) und Daniela Haase (Sopran) ausklang.
Am Morgen des 3. November erinnerte Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbundes und Mitglied des Präsidiums der OLGdW, an Dr. Matthias Herrmann, zuletzt Vizepräsident der OLGdW und Direktor des Lessing-Museums in Kamenz, in dessen Händen die Vorbereitungen der Tagungen bis zu seinem plötzlichen Tod am 2. Oktober 2007 gelegen hatten. G. Richter-Laugwitz würdigte M. Herrmann als maßgeblichen Ideengeber innerhalb des Präsidiums der OLGdW und Initiator zahlreicher Tagungen. Zugleich drückte sie die Hoffnung aus, dass die wissenschaftliche Arbeit im Sinne M. Herrmanns weitergeführt werde.
Den Referenten gelang es, einen facettenreichen Bogen der Oberlausitzer Kirchengeschichte zu spannen. Bischof Bruno von Porstendorf (1209/10-1228) wurde vorgestellt, der ein umfassendes Siedelwerk in Gang gesetzt hatte. Die Besonderheiten seiner Landesherrschaft lagen darin, dass er zwar gleichsam wie ein weltlicher Fürst agierte, auch wenn die spezifische Form eines "Kolonisationshofes" erkennbar wurde. Vorteile verschaffte er sich vor allem durch seine geistliche Oberhoheit. So zeichnet sich das Gebiet östlich der Pulsnitz durch eine auffallende Dichte von Sakralbauten aus; überdies richtete er Kollegiatkapitel ein, die als verlängerter Arm seiner Herrschaft fungierten.
Hermann Kinne (Universität Leipzig) betrachtete das Kollegiatstift St. Petri in Bautzen unter prosopographischen Kriterien und führte u. a. die überwiegend bürgerliche Herkunft der Bautzener Kanoniker ins Treffen. Er erwähnte die Schwierigkeiten beim Versuch der Zuordnung der Personen nach ethnischen Gesichtspunkten aufgrund der christlichen Taufnamen, die anders als die Rufnamen keine Identifizierung als Deutscher oder Sorbe zuließen. Hinweise auf volksgruppenbedingte oder sprachliche Konflikte innerhalb des Kollegiats fehlten bislang, wobei die integrierende und verbindende Kraft des Lateinischen im Sinne eines christlichen Universalismus eine Rolle gespielt haben wird.
Jan Zdichynec (Karlsuniversität Prag) gab einen Überblick zur Klostergeschichte der Lausitzen im Mittelalter aus böhmischer Sicht. Er konzentrierte sich auf die kontemplativen Orden und beschäftigte sich vorrangig mit den Zisterziensern, weil sie traditionsgemäß die stärksten Kontakte zu Böhmen pflegten und in rechtlicher Hinsicht eine wichtige Stütze des Landesherrn darstellten. J. Zdichynec wies auf das seit jeher ambivalente Verhältnis zwischen den Zisterzen und den Landesherren hin, wobei Letzterer in nachreformatorischer Zeit der Garant für das Überleben der Klöster in einem mehrheitlich protestantischen Umfeld wurde.
Pfarrer Jens Bulisch (Putzkau/Schmölln) sprach über die Schwierigkeiten bei der Einführung des evangelisch-lutherischen Kirchenwesens in der Oberlausitz und nannte diesen von Hemmnissen und Widersprüchen begleiteten Prozess eine "schleichende Reformation". J. Bulisch veranschaulichte die Entwicklung exemplarisch anhand von Belegen, die aus dem Grenzraum zwischen dem lutherischen Kursachsen und jenem Gebiet der Oberlausitz, das 1559 erbländisch und an das Amt Stolpen gegliedert worden war, stammen. Die starke Verzahnung von Landes- und Kollaturverhältnissen prägte die Umgestaltung des Kirchenwesens nach geistlich-obrigkeitlichen Interessen, aber durch fehlende Eindeutigkeit von Zugehörigkeit und mangelnde Zugriffsfähigkeit blieben altgläubige Praktiken teilweise bis zum Ende des 16. Jh. erhalten.
Gerhard Walter (Leipzig) ging auf die spätgotische Ausstattung der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters von Kamenz ein, die schon mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen war. Die erhaltenen Retabel erweckten den Eindruck von Vollständigkeit, worüber vergessen werden könnte, dass der heutige Raumeindruck von regotisierenden Bestrebungen und denkmalpflegerischen Maßnahmen der beiden letzten Jahrhunderte herrührt.
Der sorbische Superintendent Jan Mahling (Bautzen) setzte sich in seinem kontrovers diskutierten Beitrag mit Entstehung, Baugeschichte und Funktion der Bautzener Kirchen St. Nikolai und St. Michael auseinander. Die Bezeichnung "Zwillingskirchen" sei aus mehreren Gründen gerechtfertigt. Die Verwandtschaft beider Gotteshäuser bestehe im nahezu identischen Grundriss, aber auch in der exponierten städtebaulichen Lage vor den Mauern der Stadt, die in Verbindung mit den Fortifikationen zu sehen sei, wo sie zur "moralischen Abschreckung" errichtet worden sein sollen. Ferner machte J. Mahling die Memorialfunktion und die zeitlich parallele Verwendung als Gemeindekirchen für die Sorben geltend.
Edmund Pech (Sorbisches Institut Bautzen) referierte über die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die zweisprachigen katholischen wie evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden in der sächsischen bzw. preußischen Oberlausitz. Die NS-Politik richtete sich ab 1933 durch restriktive Maßnahmen - Versetzungen von Geistlichen, Pensionierungen, Verbot oder Einschränkung der Gottesdienste und des Religionsunterrichts - gezielt gegen die katholischen Sorben, weil diese in einem kompakten Territorium existierten, während das Gemeindeleben der Sorben evangelisch-lutherischer Konfession erst seit 1937 richtungweisenden Änderungen unterworfen wurde.
Susanne Hose (Sorbisches Institut) erläuterte anhand der Losungen das Sendungsbewusstsein der Herrnhuter Brüdergemeine. Im 18. Jh. gelang es dieser Glaubensgemeinschaft als konfessionelle Minderheit, ein effizientes System kommunikativer Praktiken zu installieren, indem sie auf moderne, populäre Medien setzte. Als wohlkonzipierte Mischung aus Bibelzitat und Meditationsangebot forderten die Losungen zum Dialog und gemäß pietistischen Auffassungen letztlich zum praktischen Handeln auf.
Sonja Wölke (Sorbisches Institut) äußerte in ihrem Vortrag zur Kirchenliedersammlung des Gregorius B., dass die "Handschrift des Gregorius B" eine Quelle der "gemeinsamen Wurzeln des obersorbischen Kirchenlieds beider christlicher Konfessionen" gewesen sein könnte. Bei der Handschrift handelt es sich möglicherweise um eine Reinschrift, die zum Druck vorbereitet werden sollte. Sie trägt eine Widmung an Georg Leisetritt, den päpstlich bestallten Administrator des kümmerlichen katholischen Rest nach voller Durchsetzung des Protestantismus.
Birgit Mitzscherlich, Ordinariat des Bistums Dresden-Meißen, referierte zu den östlich der Neiße gelegenen ehemaligen "(Stifts-)Pfarreien Grunau, Königshain, Reichenau und Seitendorf". Obwohl der meißnische Bischof nach 1945 keine Gelegenheit mehr hatte, die Gemeinden jenseits der Neiße zu visitieren, wurde erst per Anordnung vom 12.2.1973 eine Regulierung der Bistumsgrenzen vorgenommen, die auch den sich seit 1945 grundlegend gewandelten Verhältnissen Rechnung trug. Denn die Gemeinden jenseits der Neiße waren nach 1945 systematisch mit galizischen Polen besiedelt worden, die ihrerseits hinsichtlich Liturgie und Religiosität unter ostkirchlichem Einfluss standen. Nach Ausweisung der deutschen Bewohner 1945 mussten bis 1948 auch die letzten deutschen Pfarrer ihre angestammten Gemeinden verlassen, die ursprünglich zur Klosterherrschaft St. Marienthal gehört hatten.
Der ehemalige Pfarrer der Bautzener Domkirche Rudolf Kilank lieferte quasi eine Bilanz zu dem Thema "Katholische Sorben in der DDR". Nach dem Motto Goethes "Von der Geschichte solle keiner reden, der Geschichte nicht an sich erfahren habe" war es ein sehr persönlich gefärbter Bericht, der die zumeist sehr schwierige Situation, Sorbe und Katholik zu sein, plastisch schilderte. Immer dem Vorwurf ausgesetzt, man solle sich nicht in die Bildungspolitik der DDR einmischen, konzentrierte man sich auf das liturgische und katechetische Feld, indem man etwa liturgische und Gesangbücher in sorbischer Sprache herausgab. Damit ließen sich einige Erfolge verbuchen, beispielsweise wurde Sorbisch als eigene Liturgiesprache durch die römische Kurie anerkannt.
Bericht zur Frühjahrstagung 2007 in Görlitz
Die Frühjahrstagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften e. V. fand vom 20. bis 22. April 2007 im Johannes-Wüsten-Saal des Barockhauses Neißstraße 30 statt. Die Tagung wurde am 20. April, 19.00 Uhr, durch Dr. Herrmann eröffnet. Thema des Abends war "Gersdorfs Vermächtnis - drei Betrachtungen aus Anlass des 200-ten Todestages von Adolf Traugott von Gersdorff". Den Beginn der Veranstaltung machte Ines Anders mit ihrem Vortrag zu Gersdorfs Testament. Constanze Herrmann führte anschließend zu "Gersdorfs Physikalisches Kabinett und sein naturwissenschaftliches Wirken" aus und Marius Winzeler gab einen Überblick über Gersdorf als Sammler, Zeichner und Kunstliebhaber.
Der Vormittag des 21. April stand im Zeichen der erstmaligen Verleihung des Herrmann-Knothe-Preises an Kai Wenzel, welcher danach über seine eingereichte Arbeit referierte. Nach einer kurzen Pause wurde die Tagung mit weiteren öffentlichen Vorträgen fortgeführt. Karl-Heinz Winkler berichtete über Leben und Werk des Grafen Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Siegfried Hoche und Dr. Werner Wenzel sprachen über den Bevölkerungsrückgang im 30-jährigen Krieg und nach 1990 in der Oberlausitz und zogen entsprechende Vergleiche. Über das unveröffentlichte Schauspiel von Paul Mühsam "Der Stern Davids" informierte Dr. Wolfgang Wessig. Den Abschluss in diesem Vortragsblock machte Łukasz Tekiela mit seiner Vorstellung des "Vereins der Freunde der Oberlausitz" aus Lubań.
Der Nachmittag war dem Junges Forum unter der Moderation von Danny Weber sowie der Mitgliederversammlung gewidmet. Im Jungen Forum stellten vier junge Studenten ihre Arbeiten vor. Maria Patrunky aus Leipzig berichtete über die Formensprache im Werk von Carl August Schramm. Hermann Kinne stellte in seinem Vortrag den Domstift St. Petri Bautzen von der Gründung bis zur Reformation vor und Kerstin Klöpzig aus Dresden hob mit ihrem Vortrag "Gesundheitswesen und eugenische Intentionen im Bereich des Gesundheitsamtes Bautzen während des Nationalsozialismus" noch weitgehend unbekannte Zeitdokumente hervor. Zum Schluss trug Angelika Odziemczyk aus Zittau folgendes Thema vor: "Netzwerkkultur - Entwicklung und Gestaltung am Beispiel der Zusammenarbeit in der deutsch-polnisch-tschechischen Grenzregion". Nach einer sich anschließenden Kaffeepause trat die Mitgliederversammlung zusammen.
Am 22. April führte Herr Dr. Bednarek eine Exkursion nach Bautzen und Göda durch. Mit Beginn in Görlitz am Kaisertrutz, besuchte die Gruppe das eisenzeitliches Gräberfeld in Bautzen. In Göda standen die Schanze und die Kirche mit einer Führung auf dem Programm. Mit der Ankunft zur Mittagszeit in Görlitz endete die Frühjahrstagung.
Bericht zur Herbsttagung 2006 in Rothenburg/O.L. "Regionalentwicklung der Oberlausitz - Chancen und Perspektiven"
Wo steht die Oberlausitz in 20 Jahren und wie schaffen wir es, die Oberlausitz auch zukünftig zu einem lohnenswerten Lebensstandort zu machen war die Kernfrage der kürzlich stattgefundenen Konferenz "Regionalentwicklung der Oberlausitz - Chancen und Perspektiven", die gemeinsam von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, der Friedrich-Ebert-Stiftung mit freundlicher Unterstützung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern stattfand. Über 70 Personen waren gekommen, um sich mittels der Vorträge hochrangiger Referenten über die Zukunftsperspektiven der Oberlausitz zu informieren und diese gemeinsam zu diskutieren. Seitens der OLGdW war dabei sehr erfreulich, dass nicht nur Mitglieder an diesem Gedankenaustausch teilnehmen wollten, sondern auch viele Gäste die Tagung besuchten. Sie alle profitierten von den hervorragenden Rahmenbedingungen am Tagungsort, der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/OL.
Bereits am Freitagabend wurden die Teilnehmer durch Herrn Staatssekretär Dr. Jürgen Staupe, Sächsisches Staatsministerium des Innern eindrucksvoll auf das Thema eingestimmt. In seinem Einführungsreferat "Region und Globalisierung. Zielvorstellungen für die Oberlausitz" widmete er sich zuerst dem Umstand der Abwanderung durch den tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandel der Jahre 1989/90. Lebten in der Oberlausitz im Jahr 1990 noch 750.000 Einwohner sind es heute nur noch 650.000, bis zum Jahr 2020 ist mit einem weiteren Rückgang bis auf 540.000 zu rechnen. Somit hätte die Oberlausitz in 30 Jahren knapp 30% ihrer Einwohnerschaft verloren. Besonders dramatisch schlägt sich dabei die wirtschaftlich bedingte Abwanderung junger, gut ausgebildeter Frauen nieder, die sich direkt auf die niedrige Geburtenrate auswirkt. Allerdings warnte er davor, diese sehr deutlichen Zahlen zu negativ zu bewerten, da es derartige Entwicklungen auch in anderen Regionen (Ost)Deutschlands gibt. Vielmehr gilt zu überlegen, wie mit dieser demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren umzugehen ist und welche Chancen und Perspektiven sich daraus ergeben. Zur besonderen Förderung der von der Abwanderung besonders stark betroffenen Gebiete stellte er Förderprogramme der Europäischen Union wie die Territoriale Agenda zur Stärkung bisher wenig entwickelter Räume und Regionen und insbesondere das Programm "Interreg III A" vor. Mit dem im ersten Förderzeitraum von 2000 bis 2006 abgelaufenen Programm konnte beispielsweise in der Oberlausitz das Projekt eines trinationalen Städtebundes zwischen Zittau (D), Bogatynia (PL), und Hradek n.N. (CZ), dem sogenannten "Kleinen Dreieck" gefördert werden. Weitere Mittel aus Interreg III A flossen in ein bilaterales Wohnraumkonzept oder auch in grenzüberschreitende Schulprojekte. Ziel der sich anschließenden Förderperiode von 2007 bis 2013 sind Projekte, die dazu beitragen, die sozioökonomische Situation und die Sprachkompetenz im grenznahen Raum zu verbessern sowie die Infrastruktur grenzüberschreitend auszubauen. Besonders aufmerksam machte er auf den notwendigen kommunalen und regionalen Kooperationsbedarf als Antwort auf den zunehmenden Rückzug staatlicher Leistungen und die voranschreitende globale Konzentration. Im zweiten Teil seines Vortrages formulierte er Zielvorstellungen für die Entwicklung der Oberlausitz und benannte dafür drei inhaltliche Säulen, die dazu beitragen sollten, die positive Entwicklung voranzutreiben: Erstens die wirtschaftliche Entwicklung, die nach dem Einbruch Anfang der 1990er Jahre auf einem guten Weg ist und bereits beachtliche Erfolge vorweisen kann. Exemplarisch dafür benannte er die Profilierung der Oberlausitz als wichtiger Standort für die Zulieferindustrie im Automobilbau und die Erfolge im Tourismus. Zweite Säule ist die Entwicklung der Wissenschaft in der Oberlausitz, die insbesondere mittels Kooperation der wissenschaftlichen Einrichtungen vorangetrieben werden sollte. Immerhin gibt es in der Euroregion Neiße 66.000 Studenten, die von 6.500 wissenschaftlichen Mitarbeitern ausgebildet werden. Als dritte wichtige Säule benannte er die gemeinsame Geschichte und Kultur der Oberlausitz mit den Nachbarn, auf die es sich zu besinnen gilt und die in Projekten zur "Via Sacra" und der "Via Regia" ihren Ausdruck findet. Gemeinsames Ziel aller Bestrebungen sollte sein, eine regionale Identität zu entwickeln und die sich bietende Chance der Zugehörigkeit der Oberlausitz zu einem sich dynamisch entwickelnden Wirtschaftsraum zu nutzen.
Am Samstag gliederte sich die Tagung in drei Themenkomplexe: Als erstes gab es den Komplex der "Bestandsaufnahme und Erkenntnisse", danach das Thema der "Regionalisierung und europäischen Zusammenarbeit" und abschließend widmete sich die Tagung den "Visionen - regionale Vorausschau". Daran anknüpfend diskutierten Referenten und Politiker in einer Podiumsdiskussion die Frage "Die Oberlausitz im Jahr 2030. Schaffen wir die Trendwende?"
Als Referenten des ersten Komplexes der Bestandsaufnahme konnten Staatsekretär Christoph Habermann, Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Peter Heinrich, Regionaler Planungsverband Oberlausitz - Niederschlesien, Andreas Schaaf, Oberzentraler Städteverbund Bautzen-Görlitz-Hoyerswerda, Wilfried Rosenberg, Bundesverband mittelständischer Wirtschaft, Regionalverband Oberlausitz und Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, Hochschule Zittau/Görlitz-Fachbereich Sozialwesen durch Prof. Geierhos, Präsident der OLGdW, begrüßt werden. Die Referenten waren sich darüber einig, dass die Situation in der Oberlausitz nach 1990 durchaus dramatisch war, sowohl bezüglich der wirtschaftlichen Situation als auch der Abwanderung mit allen sich daraus ergebenden Problemen, dass es die Oberlausitz aber in den letzten Jahren geschafft hat, die Trendwende zu erreichen und trotz aller bestehenden Probleme durchaus positiv in die Zukunft blicken sollte. Einen sehr positiven Auftakt für die Tagung setzte Staatssekretär Habermann, der die aktuellen und sehr positiven Daten zur wirtschaftlichen Situation Sachsens vorstellte. Dennoch geben alle positiven Zahlen keinen Grund für eine Entwarnung am Arbeitsmarkt. Oberste Priorität hat nach wie vor die Schaffung weiterer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze um die Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung auch nach dem Ende des Solidarpakts im Jahr 2018 auf grün zu stellen und Sachsen unabhängig von finanziellen Sondertransfers zu machen. Als grundlegende Einsichten benannte er die Bildung von Netzwerken und Clustern als qualitativer Standortfaktor, den Verbleib junger, gut ausgebildeter Menschen in der Region und die Entwicklung zukunftsfähiger Produkte um die knappen öffentlichen Mittel auf die größten Wachstumspotentiale konzentrieren zu können.
Konkrete Bespiele der positiven naturräumlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Oberlausitz boten die Referate von Peter Heinrich, Andreas Schaaf und Wilfried Rosenberg. Ein Projekt wie die Erschließung und Vermarktung des "Lausitzer Seenlandes" oder die Initiativen "Die Lausitz rollt an", "Reisen ohne Handicap" oder auch "Motorradtouren Oberlausitz" haben insbesondere im touristischen Bereich bereits positive Akzente gesetzt. Wilfried Rosenberg formulierte drei Schwerpunkte für die wirtschaftliche Entwicklung der Oberlausitz: Erstens eine Strategie für die Oberlausitz zu haben! Die Starken und die Stärken stärken! Das Unternehmen Region Oberlausitz zu einer Marke machen! Zweitens die Oberlausitz als Mittelstandsregion stärken und herausstellen und drittens, den Mittelstand zu Kompetenz-Führer-Strategien befähigen, die Wertschöpfung zu erhöhen und Netzwerke zu schaffen. Er schätzte ein, dass der seit 1990 laufende wirtschaftliche Strukturwandel im Jahr 2004/2005 abgeschlossen werden konnte und es jetzt oberstes Ziel sei, eine selbsttragende nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Größte Reserven sah er dabei in der Forschung und Wissenschaft, ist doch die Oberlausitz im Vergleich zu anderen Wirtschaftszahlen beispielsweise bei der Patentanmeldung im Vergleich zu anderen Regionen relativ gering vertreten. Prof. Thiele, die sich zum Abschluss des ersten Tagungskomplexes der demographischen Entwicklung der Oberlausitz widmete appellierte daran, in der Entwicklung auch eine Chance zu sehen, da das zu erwartende höhere menschliche Alter und das mehr an Menschen der älteren Generation auch Potentiale und Chancen insbesondere für die Kultur biete.
Im zweiten Tagungskomplex wurden konkrete Projekte und Formen der bilateralen und trilateralen Zusammenarbeit vorgestellt. Referenten waren Dr. Holger Knüpfer, Stadtverwaltung Zittau, der den trilateralen Städtebund Zittau - Bogatynia - Hradek n N. vorstellte, Dr. Francicek Adamcuk, Universität Wroclaw, Lehrstuhl für Regionalwirtschaft und Tourismus, der sich mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit von Niederschlesien und Sachsen beschäftigte und Mag. Phil. Niklas Markus Perzi, Leiter der Waldviertelakademie Niederösterreich, der das Beispiel des der Zusammenarbeit von Österreich und der Tschechischen Republik im Waldviertel vorstellte. Alle drei Referenten teilten die Überzeugung, dass ein einzelner kommunaler Standort im grenznahen Raum chancenlos ist und daher Kooperationen überlebenswichtig sind. Sie wiesen jedoch auch auf eine Vielzahl von Problemfeldern hin, die v.a. rechtlicher Natur sind. Ein Haupterfordernis wären Sonderfonds für grenzüberschreitende Städtebündnisse, die es in der gewünschten Form bislang nicht gibt. Ein Problem auf das alle drei Referenten aufmerksam machten ist, dass nationale Spannungen der Partner bis auf die regionale Ebene durchschlagen und die Zusammenarbeit deutlich erschweren.
Der dritte Themenkomplex der Visionen und der Regionalen Vorausschau begann mit dem Vortrag von Assoc. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Holm Große, dem Geschäftsführer der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH, über die Regionalentwicklung durch Kultur und Tourismus. Er stellte seine Aktivitäten auf den verschiedenen Foren vor und plädierte für die Vermarktung der Region als Einheit. Es folgte Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gerstlberger, der die Stiftungsprofessur Innovationsmanagement und Mittelstandsforschung am Internationalen Hochschulinstitut in Zittau innehat. Sein Thema galt dem Regionalen Innovationssystem Oberlausitz, und er stellte die Frage: Quo vadis? Auch er stellte die Forderung nach einer starken Vernetzung der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen, auch kulturellen Einrichtungen der Oberlausitz auf, um Innovation voranzutreiben. Hier knüpfte Dr. Günter Clar vom Steinbeis-Europa-Zentrum Stuttgart an, indem er nicht nur ein Innovationssystem, sondern eine Innovationsstrategie einforderte. Sein Thema lautete entsprechend "Regionale Vorausschau - gemeinsam zu besseren Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft". Er konnte dabei sowohl seine eigenen Erfahrungen in der EU-Kommission wie die inzwischen veröffentlichten EU-Förderrichtlinien einbringen. Die Botschaft lautete auch hier: Die Region muss sich organisieren und die Kleinteiligkeit überwinden, vor allem im Denken. Prof. Dr. Ekkehard Binas von der Hochschule Zittau/Görlitz beleuchtete sehr sorgfältig die Schritte, die zu gehen sind, wenn wir uns auf den Weg machen, um, wie geplant, eine Modellsimulation von Entwicklungsprozessen im Problemfeld "Regionen" zu erarbeiten.
In die abschließende Podiumsdiskussion führte Univ.-Prof. Dr. Albert Löhr, der Rektor des Internationalen Hochschulinstituts Zittau, ein, indem er die aus den Vorträgen sich ergebenden Impulse aus Administration, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur für eine regionale Vorausschau zusammenführte und bewertete. Stefan Brangs, MdL (SPD) und Andreas Grapatin, MdL (CDU) waren dabei die Gesprächspartner von Dr. Clar und Wilfried Rosenberg. Sie kamen in der Summe zu einer verhalten optimistischen Bewertung der Situation der Oberlausitz und werteten gerade diese Konferenz als einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einer langfristig angelegten Zukunftsplanung.
Die traditionelle Exkursion am Sonntag, den 17. September, führte dieses Mal nach Nowogrodziec in Polen, das frühere Naumburg am Queis. Dort empfing Gemeindedirektor Józef Kata die Delegation, erzählte zuerst die Geschichte der Stadt und gab dann in der neu errichteten Schule einen Überblick über die künftige Stadtentwicklung, die von der Universität Wroclaw begleitet wird. Die ökonomische Basis für diese Entwicklung konnte anschließend in der Sonderwirtschaftszone besichtigt werden. Der junge Direktor der Druckerei Bauer, der hier die modernsten Druckmaschinen der Welt in seinen Hallen stehen hat, gab eine beeindruckende Führung über dieses Werk. Ein Mittagessen in Schloss Klitschków beendete die Konferenz.
Bericht zur Frühjahrstagung 2006 in Görlitz
Auf der Frühjahrstagung hatten unsere Mitglieder wieder die Gelegenheit genutzt, aus eigener Forschung vorzutragen. Die Verbindung zur jüngeren Generation wurde durch die Berichte über laufende Dissertationen eindrucksvoll aufgezeigt. Der Dank gilt hier den Organisatoren, die das "Junge Forum" inzwischen zur Tradition der Frühjahrstagungen entwickelt haben.
Bericht zur Herbsttagung 2005 in Zittau "Böhmen und die Oberlausitz - Forschungen zur gemeinsamen Geschichte"
Sachsen und Böhmen konnten ihre lang anhaltenden Spannungen im Vertrag von Eger 1459 aus der Welt schaffen. Seitdem hat die damals vereinbarte Grenze nahezu unverändert Bestand und zählt daher zu einer der ältesten Europas. Gerungen wurde zwischen beiden herrschaftlichen Mächten aus stets um die historische Region der Oberlausitz. Insbesondere Zittaus Geschichte wurde von diversen Wechsellagen heftig berührt. Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften hätte somit keinen symbolträchtigeren Ort finden können, um auf ihrer gemeinsam mit dem Zittauer Geschichts- und Museumsverein sowie der Euroregion Neiße veranstalteten Herbsttagung dem Thema "Böhmen und die Oberlausitz - Forschungen zur gemeinsamen Geschichte" nachzugehen. Über 100 Mitglieder und Interessenten waren gekommen, um den Ausführungen eines illustren Kreises internationaler Wissenschaftler zu folgen. Der goldglänzende Ratssaal gab die prächtige Kulisse für die Veranstaltung, die Freitagabend durch zahlreiche Grußworte sowie mit einem Vortrag des Präsidenten Prof. Dr. Geierhos zum "geschichtlichen Erbe und politischer Zukunft" eröffnet wurde.
Der Sonnabend stand dann ganz im Zeichen der Fachvorträge. Einen historisch fundierten Überblick über den wechselvollen Verlauf im Mittelalter bot Frau Prof. Bobková von der Prager Karlsuniversität, ehe Dr. Gunter Oettel aus Görlitz ins Detail ging, und die Gründungsvorgänge der Stadt Zittau hinterfragte. Er stellte die These auf, dass Zittau nicht originär böhmisch war, sondern vielmehr von Beginn an zur historischen Oberlausitz gehörte. Erfreulich, dass sich zwischen der Gesellschaft und tschechischen und polnischen Wissenschaftlern eine kollegiale Zusammenarbeit entwickelt, so dass die Gefahr einer einäugigen deutschen Sichtweise auf die Probleme der Historiographie gebannt scheint.
Zahlreiche Beiträge kamen aus dem Schülerkreis von Frau Prof. Bobkova; Petr Hrachovec etwa stellte die Johanniterkommenden Hirschfelde und Zittau vor und wies auf die Neuartigkeit der Ordensstrukturen hin, die zur Versorgung nicht mehr primär auf eigenen Grundbesitz angewiesen waren, sondern denen Pfarrkirchen inkorporiert waren, die ihnen Einkünfte aus den Pfarrrechten bescherte. Zudem wurden ihre Hospitäler entlang der alten Verkehrswege angelegt, wodurch sie mit weiteren Spenden von Durchreisenden rechnen konnten. Hrachovec berichtete auch von neu entdeckten Urkunden zur Geschichte der Kommenden, was angesichts des vollständigen Verlustes des Hirschfelder Archivs hoffnungsvoll stimmt.
Daniel Fickenscher, Leipzig, beschritt den Weg in die Neuzeit, und widmete sich den Veränderungen unter der Habsburger Herrschaft, wobei sich für die Oberlausitz zunächst nicht viel änderte. Die Elemente eines beginnenden Staatswesens, wie die Rechnungskammer, befanden sich weiterhin in Prag. Zu einem eigenen Aufbau kam es in der Oberlausitz nicht. Aber die Kontakte zwischen Prag und Bautzen wurden intensiviert, wenngleich konstatiert werden musste, dass aus der Quellenarmut auf ein weitestgehend harmonisches Verhältnis zwischen Ständen und böhmischem König geschlossen werden kann.
Rudolf Andel, Liberec, versuchte den Mentalitäten während der Hussitenzeit nachzuspüren. Er führte aus, dass natürlich Böhmen für die katholische Orthodoxie ein Ketzerland war, und hinsichtlich der Oberlausitz befürchtet wurde, dass insbesondere die sorbische Bevölkerung aufgrund der sprachlichen und kulturellen Verwandtschaft zu den Tschechen für die hussitische Lehre anfällig sein könnte.
Milan Svoboda, gleichfalls Universität Liberec, widmete sich einer weiteren religiösen Besonderheit dieser sensiblen Grenzregion - den Exulanten - und befragte den Stand der tschechischen Exulantenforschung. Er musste konstatieren, dass dem Gegenstand noch längst nicht ein angemessenes Interesse entgegengebracht würde, wenngleich sehr interessante Arbeiten vorliegen, wie zur Frage der zeitgenössischen Wahrnehmung und Definierung der Begriffe Exil, Exulant, Emigrant. Es zeigte sich, dass die Zeitgenossen durchaus differenziert reflektierten, und mit den Exulanten "diejenigen, die im Elend herumziehen" verbanden. Auch der nächste Referent kam aus Liberec.
Frau Miloslava Melanova zeigte, dass mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im beginnenden 19. Jahrhundert eine neue Qualität in die böhmischoberlausitzischen Beziehungen kam. Der Eisenbahnbau erleichterte den Austausch ganz erheblich. Es waren vor allem die Gewerbe- und Industrievereine, die gemeinsame Veranstaltungen organisierten, die aber gemahnt werden mussten, es bei unpolitischen Aktivitäten zu belassen. Zunehmend Nationalisierungstendenzen führten zur Ausgrenzung der Tschechen, bzw. zur Gründung so genannter Schutzvereine. Bleibende Zeugnisse sind auch das reiche Kartenmaterial, das von den Automobilvereinen des frühen 20. Jahrhunderts gefördert wurde, oder die Errichtung der Bergbauden. Thematisch und chronologisch schlossen sich daran die Ausführungen der letzten Sektion an, die höchst sensible Themen aufgriff.
Uwe Lammel, Olbersdorf, analysierte die deutschen Befindlichkeiten in Zittau vor und zwischen den Weltkriegen. Zittau, das eine starke tschechische Kolonie hatte, befürchtete einen Einmarsch von Prager Truppen. Kurz vor Ausbruch des I. Weltkrieges bat der damalige Zittauer Oberbürgermeister Dr. Külz, dessen Wege später nach Dresden führten, die sächsische Regierung, über ihre Prager Gesandtschaft auf die tschechische Regierung einzuwirken. Dass die Ängste vor einer Annexion nicht ganz unbegründet waren, bewies der nächste Beitrag von Jan Zahradnik, Liberec-Dresden, der die immer wieder vorgebrachten Pläne zur Angliederung sorbischer Siedlungsgebiete sowie eben Zittaus an Böhmen erläuterte. Noch mit der Neuordnung der politischen Landkarte nach dem Ende des II. Weltkrieges gab es ernstzunehmende Versuche, Zittau der Tschechischen Republik anzugliedern. Unter diesen Bestrebungen hatte vor allem die sorbische Bevölkerung in der Oberlausitz zu leiden, die von deutscher Seite aufgrund ihrer Kontakte zu tschechischen Kreisen als Vaterlandsverräter angesehen wurde, wie Timo MEÅ KANK, Leipzig, der nun den Bogen bis in die jüngste Vergangenheit spannte, in seinem Vortrag erklärte. Vor diesen von nationalistischen Auseinandersetzungen geprägten Ereignissen war von Danny WEBER, Leipzig, ein Thema in den Mittelpunkt gerückt worden, dass den Weltruf der Oberlausitz begründet hatte - die Leinwandproduktion und der -handel. Bis zu den Napoleonischen Kriegen war Leinen aus der Oberlausitz Deutschlands Exportartikel Nr. 1, was heute zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.
Marius Winzeler, Görlitz, berichtete anhand zahlreicher Beispiele sehr anschaulich von den (bau-) künstlerischen Einflüssen Böhmens auf die Oberlausitz. Das ließ sich sowohl anhand der przmyslidischen Bauplastik als auch der luxemburgischen ikonographischen Programme nachweisen. Er schloss seine Ausführungen mit der These, dass die Oberlausitz aus kunsthistorischer Perspektive sich nicht nur böhmisch orientierte, sondern selbst böhmisch war.
Dr. Jakub Kostowski, Wroclaw, stellte die Franziskanerkirchen von Kamenz und Jauer vor, die vom böhmischen Flügel der franziskanischen Observanz erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gegründet worden waren, und denen ganz spezifische Aufgaben in der Mobilisierung der Türkenabwehr zukam. Widerspruch forderte das anschließend vorgestellte Projekt Jakobsweg heraus, das einer Initiative der Hochschule Zittau/Görlitz und des Internationalen Begegnungszentrums St. Marienthal entspringt. Die Chancen des Projektes, das einen Pilgerweg auf historischen Pfaden von Görlitz nach Prag einrichten will, wurden aufgrund seiner geringen historischen Glaubwürdigkeit kontrovers diskutiert. Dennoch zeigte gerade die abschließende Diskussionsrunde den fruchtbaren Dialog an, den die Tagung angestoßen hat. So war der Bogen vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit geschlagen. Indem die Gesellschaft dieses Thema aufgegriffen hat, hat sie eine verdienstvolle Arbeit geleistet, um zunächst die gemeinsame Vergangenheit auszuloten, auf deren Basis auch ein künftiges Miteinander bei europäischer Integration aufbauen kann.
Am darauf folgenden Tag fuhren 37 Damen und Herren (Mitglieder und Gäste der Gesellschaft) mit dem gecharterten Busunternehmen "Hemtrans" zur Besichtigung der Ausgrabungen des ehemaligen Franziskanerklosters in Cesky Dub. Dr. Thomas Edel, Direktor des Podjestedske Muzeum, führte durch die altehrwürdigen Gemäuer und informierte ausführlich und anschaulich über die Geschichte des Klosters und den Verlauf der Ausgrabungen. Danach führte Dr. Andel die Exkursionsteilnehmer durch die St. Jakobskirche in Letarovice. Das gemeinsame Mittagessen im Grand Hotel "Zlaty Lev" bildete den Abschluss des Programms.
Bericht zur Frühjahrstagung 2005 in Görlitz
von Grit Richter-Laugwitz; Annegret Oberndorfer
Am 22. und 23. April versammelten sich rund 50 Mitglieder der Gesellschaft und weitere Interessierte zur diesjährigen Frühjahrstagung, die wie immer im ehemals Anton’schen Haus, heute Sitz der "Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften" und des "Kulturhistorischen Museums", Neißstraße 30 in Görlitz stattfand. In Vertretung des kurzfristig verhinderten Rektors der Fachhochschule Zittau/Görlitz referierte der Prorektor Prof. Joachim Zielbauer am Freitagabend über "Die Hochschule Zittau/Görlitz im trinationalen Städtenetz der Wissenschaften". Ausgangspunkt für das Referat war die erst kürzlich abgeschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen der Hochschule und der Gesellschaft, auf die der Präsident der Gesellschaft, Prof. Wolfgang Geierhos bei seiner Begrüßung besonders aufmerksam machte. Gegenstand der Ausführungen Prof. Zielbauers war neben ausführlichen Informationen zur Entwicklung der Fachhochschule selbst auch die Stellung der Bildungseinrichtung in der Region, vor allem im so genannten Städtenetz der Wissenschaft, und im Netz der Wirtschaft. Er stellte die Hochschule mit derzeit 4.000 Studierenden als wichtigen Impulsgeber für die Oberlausitz und die angrenzenden Regionen in Tschechien und Polen dar. Als in diesem Zusammenhang bedeutsam bezeichnete Prof. Zielbauer vor allem verschiedene Kooperationen, z. B. mit der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, der Görlitzer Kulturhauptstadtbewerbung und der Neisse-University. Als so genannter regionaler Leuchtturm sorge die Hochschule für stabile Arbeitsplätze und soziale Strukturen und könne damit auch überregionale Ausstrahlung haben. Prof. Zielbauer machte aber auch auf Probleme, wie künftigen Studien- und Fachkräftebewerbermangel auf Grund niedriger Geburtenrate und Abwanderung, aufmerksam. Der Samstagvormittag war den Kurzvorträgen der Mitglieder vorbehalten, die ihre Forschungen vorstellten. Auch wenn auf Grund der erfreulich vielen Vortragsangebote jedem Referenten nur sehr eingeschränkt Zeit zur Verfügung stand, bot sich den Anwesenden doch ein sehr gutes Bild von der breiten Forschungstätigkeit der Mitglieder der Gesellschaft. Den Anfang machte Prof. Karlheinz BLASCHKE, der den Anwesenden nahebrachte, dass es in der Oberlausitz nicht nur die Sechsstädte, sondern auch die für die Geschichtsschreibung zu beachtenden Städtlein und Marktflecken gab. Er verglich die 18 Städtlein, zu denen z. B. Reichenbach, Elstra oder auch Rothenburg zu rechnen waren, verfassungsrechtlich gesehen mit den heute kreisangehörigen Gemeinden, die Sechsstädte mit kreisfreien Gebietskörperschaften. Im Unterschied zu den Sechsstädten unterstanden die Städtlein den Standesherrschaften, dem Adel und den geistlichen Stiftern als Teil der in der Oberlausitz de facto regierenden Landstände. Ab dem 16. Jahrhundert entwickelten sich darüber hinaus so genannte Marktflecken, "weil die beschreibende Trennung zwischen Stadt und Städtlein nicht mehr ausreichte". Diese Marktflecken, für die Oberlausitz benannte Blaschke insgesamt 27, waren Ortschaften, "die über den Zustand eines Dorfes hinausragten" und u. a. im nördlichen Teil "Ersatzgebilde für nicht vorhandene Städtlein" waren. Entscheidender Unterschied zum Status eines Dorfes war der Besitz des Marktrechtes für diese Marktflecken. Dr. Andreas GAUGER beschäftigte sich in seinem Referat mit den geistigen Potenzialen der Oberlausitz in Vergangenheit und Gegenwart. Sehr deutlich arbeitete er heraus, dass die geistigen Vordenker immer auch "Querulanten" waren, "die mit den eigenen Leuten vor Ort nicht zurecht kamen" und sich auch deswegen vom Heimatland zumindest geographisch gesehen abwendeten. Entscheidend dafür war natürlich auch die bis heute fehlende universitäre Bildungsmöglichkeit in der Oberlausitz. Als personelle Vertreter benannte er u. a. Caspar Peucer, Jakob Böhme, Christian Weise, Ehrenfried Walter v. Tschirnhaus, Gotthold Ephraim Lessing oder auch Johann Gottlieb Fichte. Neben den Personen identifizierte er vier "Phänomene" die den Geist der Oberlausitz entscheidend mit geprägt haben: Die Ansiedlung der Sorben bzw. Wenden, die Herrnhuter Brüdergemeine, die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und die so genannte Gralsbewegung. Als zukünftige Aufgaben für die Weiterentwicklung des geistigen Potenzials sah er die Bündelung der bereits vorhandenen Potenziale mittels einer Universitätsgründung in der Oberlausitz, der Gegenwirkung des "gegenwärtigen Geistes, abgestellt auf die rein ökonomische Entwicklung", sowie die Schaffung eines stärkeren Selbstbewusstseins, das an Stelle eines aus seiner Sicht vorherrschenden Fremdbewusstseins treten sollte. Dr. Wolfgang WESSIG zeichnete anschließend ein tiefgründiges Porträt des Görlitzer Kulturzionisten Friedrich Andreas (Ascher) Meyer. Er charakterisierte ihn als einen in Geschichte, Philosophie und Juristerei gebildeten Mann, der eine geistig-kulturelle Erneuerung des Judentums anstrebte. "Wissen, Kunst, Politik und Religion sollten sich in seiner Welt zu einem Ganzen vereinen", sagte Dr. Wessig. Friedrich Andreas Meyer fühlte sich aber hauptsächlich als Poet und schrieb vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 170 Gedichte. Mit seiner Auswanderung nach Palästina äußerte er sich nur noch aus moralphilosophischer Sicht. Seine politischen und moralisch-ethischen Einstellungen stellte er in seinem Werk "Confessio" dar. Als sein Vermächtnis, mit dem Dr. Wolfgang Wessig seinen Vortrag schloss, gilt die Aussage, dass der Geist einer Kultur untergehe, sobald die Inspirationen und Intentionen einer Kultur untergehen. Matthias WENZEL lieferte vor der Kaffeepause einen Arbeitsbericht aus der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften, die in 60 Regalmetern auch das Archiv der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften enthält. Seit mehreren Jahren werden die Schätze der Bibliothek in einem elektronischen Katalog erschlossen. Derzeit enthält er 3.500 Stichwörter, unter denen man am Computer in der Bibliothek recherchieren kann. Ab Mitte Mai wird diese Recherche auch über das Internet möglich sein. Matthias Wenzel äußerte die Hoffnung und die Bitte, dass innerhalb der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften eine Lösung für die weitere Erschließung der Bibliothek gefunden würde. Aus jetziger Sicht kann die Erschließung wegen finanzieller und personeller Probleme nur bis Oktober 2005 fortgesetzt werden. Renate SPRINGER aus Köln stellte im zweiten Teil des Vormittags den Oberlausitzer Alfred Moschkau (1848-1912) als führenden deutschen Philatelisten seiner Zeit vor. Er sammelte schon als Kind Briefmarken und konnte bald eine 5.000 Stück umfassende Generalsammlung, die alle damals erschienenen Briefmarken aus allen Ländern enthielt, sein eigen nennen. Im Jahr 1871 veranstaltete er in Dresden die erste öffentliche Briefmarkenausstellung. Als Redakteur beim "Briefmarken-Journal" in Leipzig, Mitbegründer des Vereins Deutscher Philatelisten in Dresden und maßgeblich Beteiligter an großen Briefmarkenausstellungen in Wien Ende des 19. Jahrhunderts war er einer der Väter der historischen und systematischen Philatelie. "Er hat die Philatelie populär gemacht; einige behaupten sogar, er hat sie zur Wissenschaft erhoben", schätzte Renate Springer abschließend die Bedeutung Alfred Moschkaus ein. Das Forschungsgebiet von Günter RAUTENSTRAUCH aus Weimar sind unter anderem die gymnasialen Gedenkreden aus Zittau. Er stellte sie in seinem Vortrag als wichtiges Medium der Vergangenheit und als Mittel der "Erinnerungskultur" dar. Günter Rautenstrauch erläuterte dabei vor allem ihren Quellenwert für die Gesellschafts- und die Bildungsgeschichte der Oberlausitz. Er machte auf die Themenvielfalt der Reden ebenso aufmerksam wie auf ihren Sprachstil, der in der Tradition antiker Rhetorik steht. Hinter Inhalt und Sprache erschloss er dabei Informationen und Zusammenhänge, die sich beispielsweise aus den Adressaten der Rede, über den gymnasialen Unterricht, aber auch über die Beziehungen zwischen der Schule und der Stadt und ihren Bürgern ableiten ließen. Dr. Helge PAULIG aus Dresden referierte vor der Mittagspause über die "Auswirkungen aktueller demografischer Prozesse auf das Schulwesen der Oberlausitz". Mit Hilfe zahlreicher Grafiken wagte er einen Ausblick auf die schulische Entwicklung in Sachsen und der Oberlausitz bis zum Jahr 2020. Zwei Faktoren sind demnach dafür verantwortlich, dass in den nächsten Jahren in Sachsen 100 Schulen, vor allem Mittelschulen, geschlossen werden sollen: der generelle Geburtenrückgang, dessen Tiefpunkt im Jahr 1994 erreicht war, und die Abwanderung junger, hoch ausgebildeter Frauen. Beides führte dazu, dass sich die Schülerzahl bereits zwischen 1993 und 2003 halbierte. Als weitere Problematik stellte Dr. Helge Paulig die relative Zunahme bei Förderschülern dar. Er stellte fest, dass sich die Schullandschaft in den kommenden Jahren in Sachsen und der Oberlausitz noch einmal entscheidend verändern wird. Nach der Mittagspause trat erstmals das "Junge Forum" der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften an die Öffentlichkeit. "Es bietet", sagte Moderator Danny Weber in einführenden Worten, "ein Podium für junge Wissenschaftler, die zur Oberlausitzer Landesgeschichte forschen". Nachwuchswissenschaftler können hier ihre Dissertationsvorhaben vorstellen und im Diskurs Anregungen für ihre Arbeit erhalten. Das "Junge Forum" soll auch bei künftigen Frühjahrstagungen der Gesellschaft ein fester Bestandteil des Programms sein. Den Anfang der Nachwuchswissenschaftler im "Jungen Forum" machte Richard NEMEC aus Prag. Das Thema seines Dissertationsvorhabens lautet "Kunsthistorische Betrachtungen zu den Residenzanlagen Karls IV. am Fallbeispiel der Burg- und Klosteranlage Oybin". Er möchte in seiner Arbeit die Funktion der Architektur als wichtigen Teil der Herrschermacht, als Träger von Botschaften und Visualisierung der Intentionen des Kaisers darstellen. Richard Nemec stellte fest, dass hinter den Residenzanlagen Karls IV. mehr als nur die optische ständige Präsenz des Landesherrn verborgen sei. Noch in den Vorarbeiten seiner Dissertation steckt Christian SPEER, der Stipendiat des Max-Planck-Instituts in Göttingen ist. Der Arbeitstitel seines Forschungsprojekts heißt "Görlitz und das Kloster Oybin. Mönchtum und Bürgertum in der Oberlausitz im Wandel vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit (15.-16. Jahrhundert)". Neben den politischen, sozialen und kirchlichen Strukturen im Görlitz vor der Reformation, möchte er sich mit den Cölestinern auf dem Oybin in dieser Zeit beschäftigen. Beides soll Ausgangspunkt für Erkenntnisse zum Wertewandel zum Beginn der Reformation in Görlitz und dem Verhältnis von Mönchtum und Bürgertum in dieser Zeit sein. Als Dritte im "Jungen Forum" trat Katja LINDENAU aus Dresden auf. Sie beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit dem Thema "Die Görlitzer Braubürger in der Frühen Neuzeit - Sozialgeschichte und Topographie". Der Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist, dass das Bier neben dem Tuchhandel in Görlitz Lebenselexier war. Mit Hilfe des Brauregisters von Scultetus aus dem Ratsarchiv begab sie sich auf die Spuren derer, die damals das Braurecht hatten und verortete sie in der Topografie des Stadtplanes. Katja Lindenau fand heraus, dass das Braurecht in Görlitz offenbar ein Personalrecht der Räte war. Eine schriftliche Festlegung dazu gibt es jedoch nicht; das Ergebnis musste durch die Lage der Brauhöfe erschlossen werden. Nach der sich an das erfolgreich verlaufende "Junge Forum" anschließenden Kaffeepause versammelten sich die anwesenden Mitglieder zur jährlichen Mitgliederversammlung. Höhepunkt dieses abschließenden Tagesordnungspunktes war die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Prof. Dr. Karlheinz Blaschke aus Friedewald, der sein Wirken wie kaum ein anderer in den Dienst zur Erforschung der Geschichte der Oberlausitz eingebracht hat. In seinen Dankesworten brachte Prof. Blaschke zum Ausdruck, dass die Ehrung für ihn sehr plötzlich und eigentlich zu früh käme, hätte er doch erst zu seinem 80. Geburtstag in gut zwei Jahren diese wohlwollend akzeptiert, jetzt fühle er sich eigentlich noch zu jung dafür. Er versicherte, dass er auch in Zukunft seine ganze Kraft der Oberlausitz widmen würde, was er sogleich in der kommenden Woche mittels eines Gespräches beim Sächsischen Innenminister de Maiziére betreffend die Aufnahme der Oberlausitz in die sächsische Verfassung in die Tat umsetzen wolle. Am Sonntag, den 24.04.2005, pünktlich um 08:00 Uhr, starteten die Mitglieder und Gäste unserer Gesellschaft in einem Bus der Firma Teich zur Exkursion "Auf den Spuren von Carl August Schramm". Der Weg führte zunächst über Leuba, wo ein Schüler von Schramm die dortige Kirche errichtete. Eine erste Besichtigungsstation war die Kirche zu Dittersbach a. d. E., ein 1870 nach Plänen von Schramm errichtetes Gotteshaus, wobei die Zuschreibung als nicht sicher gilt. Mit den Kirchen in Dittelsdorf und Schlegel konnten frühe Arbeiten des Architekten und Baubeamten in Augenschein genommen werden. In beiden Fällen hatte der ortsansässige Pfarrer die Türen für die Exkursionsteilnehmer geöffnet. In Zittau stand zunächst ein Stadtrundgang auf dem Programm, vorbei an der Baugewerkeschule, dem Wäntighaus und der Johanniskirche. Höhepunkt der Exkursion war in Zittau der Besuch des Bürgersaales im Rathaus. Die Führung im Rathaus übernahm Herr Pietschmann von der Zittauer Stadtinformation. Die Exkursion führte weiter nach Leutersdorf, zunächst zur evangelischen Kirche, ein raummächtiger Bau aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu diesem Rundbogenstilbau präsentiert sich die katholische Kirche in Neu-Leutersdorf in gotischen Formen. An beiden Bauten, die fast zeitgleich errichtet wurden, lassen sich deutlich Spuren des Spätwerkes von Schramm ablesen. In Kottmarsdorf konnten die Exkursionsteilnehmer noch den 1854 fertig gestellten Turm der dortigen Pfarrkirche in Augenschein nehmen. Die Exkursion schloss mit einer Außenbesichtigung der Bürgerschule in Löbau, die auf ihre Weise die Vielfalt des Werkes von Carl August Schramm noch einmal unterstrich.
Bericht zur Herbsttagung 2004 in Görlitz "Deutsch-polnische Beziehungen - Erfahrungen und Erwartungen"
Die Herbsttagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften vom 5. - 7. November 2004 in Görlitz (Johannes-Wüsten-Saal, Barockhaus Neißstraße) und Zgorzelec (Jakob-Böhme-Haus) stand ganz im Zeichen der deutsch-polnischen Beziehungen. Neben bereits gemachten Erfahrungen, wurden dabei - vor dem Hintergrund der neuen Dimension mit dem EU-Beitritt Polens - besonders auch gegenseitige Erwartungen betrachtet. Mit der Eröffnung der neuen Altstadtbrücke über die Neiße war die Europastadt Görlitz-Zgorzelec aktuell geeigneter Ort, die vielfältigen deutsch-polnischen Beziehungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Als Referenten standen namhafte Experten der deutsch-polnischen Beziehungen aus Deutschland und Polen zur Verfügung. Auch im Publikum mit mehr als 60 Tagungsteilnehmern waren beide Nationen vertreten.
Bereits in den Grußworten zur Eröffnung der Tagung am Freitagabend betonten der Görlitzer Oberbürgermeister Prof. Rolf Karbaum und Prof. Wolfgang Geierhos, Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften den gemeinsamen Weg, der gerade in Görlitz und Zgorzelec gegangen werden müsse. Prof. Rolf Karbaum, der auch Mitglied in der Gesellschaft ist, sagte: "Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein Thema, das mich besonders bewegt und umtreibt." "Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften will ein Forum für die deutsch-polnischen Beziehungen sein und mit dieser Tagung sachliche Beiträge angesichts aktueller Irritationen bieten", sagte Prof. Wolfgang Geierhos zur Eröffnung. Am Sonnabend richtete auch der stellvertretende Bürgermeister von Zgorzelec Herr Zdzisław Gierwielaniec ein Grußwort an die Tagungsteilnehmer. Er beschrieb mit den Planungen für die "Neiße-Vorstadt" in Zgorzelec ein konkretes Beispiel der deutsch-polnischen Beziehungen der Europastadt und äußerte seine Freude über jede neue Initiative zur Verbesserung der Verbindungen.
Im seinem eröffnenden Vortrag am Freitagabend stellte Dr. Krysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy Brandt Zentrums der Universität Wroclaw, die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen dar. Er leitete seinen Vortrag mit der provokativen Frage ein, ob es eine natürliche Feindschaft zwischen Deutschen und Polen gebe. In seiner Bilanz der mehr als 1000-jährigen "Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen" stellte er anschließend dar, dass es immer wieder positive wie auch negative Höhepunkte des Zusammenlebens der beiden Völker gab. "Anlass zum Optimismus gibt das gemeinsame Erbe", sagte Dr. Krysztof Ruchniewicz. Beispielsweise verehren Deutsche und Polen die Heilige Hedwig und auch den Wissenschaftler Kopernikus. "Mit den 1990er Jahren wurde in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen", so Dr. Krysztof Ruchniewicz, "ein neues Kapitel aufgeschlagen. Sie weiteten sich auf alle Lebensbereiche aus und verließen auch offizielle Wege." Mit Blick auf die Zukunft sagte Dr. Krysztof Ruchniewicz jedoch auch, dass trotz aller positiven Entwicklungen die guten Beziehungen noch nicht dauerhaft seien und man nicht in eine Routine verfallen dürfe. Aktuelle Themen wie die EU-Verfassung, der Irak-Krieg, die Verwicklungen um die Preußische Treuhand und viele Wählerstimmen für rechtsextreme Parteien in Deutschland würden sie nach wie vor auf die Probe und vor viele weitere gemeinsame Aufgaben stellen.
Der Sonnabend der Herbsttagung begann mit einem Vortrag von Dr. Robert Maier vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung Braunschweig. Sein Schwerpunkt lag auf der Erläuterung der Arbeit der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission, die das älteste Forum des deutsch-polnischen Dialogs seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist. "Die internationale Schulbucharbeit beruht bis heute auf Freiwilligkeit und darf nicht im Gegensatz zu Forschung und Lehre stehen", sagte Dr. Robert Maier. Die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission könne deshalb nur Empfehlungen und Anleitungen herausgeben. Eine Erfolgsgeschichte in dieser Hinsicht ist das so genannte "Lehrerhandbuch", das für Deutschland und Polen existiert. Neben sachlichen Informationen bietet es Lehrern und Schülern Analysen und pädagogisch-didaktische Informationen und fördert damit ein neutrales Verständnis der Geschichte des jeweils anderen und der gemeinsamen politischen Beziehungen. Als zukünftige Aufgabengebiete der nach wie vor aktiven Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission beschrieb Dr. Robert Maier neben halbjährlich stattfindenden Konferenzen und darüber hinausgehenden Gesprächskreisen zum Thema vor allem feste Partnerschaften in der Lehrerfortbildung mittels Seminaren.
Die Referenten Prof. Walter Schmitz vom Mitteleuropa Zentrum der TU Dresden und Prof. Marek Zybura vom Willy Brandt Zentrum der Universität Wroclaw stellten Erkenntnisse und Gedanken zum "Bild der Polen in der deutschen Literatur" und zum "Bild der Deutschen in der polnischen Literatur" vor. Prof. Walter Schmitz zeichnete den Bogen der deutlich erkennbaren Wahrnehmung der Polen und ihrer Projektion in der deutschen Literatur ab etwa dem 18. Jahrhundert. Sie reichte von der "Wahrnehmung von Eigenheiten" über das "Exotentum der Polen als Indianer Europas" und "Agenten der Bedrohung" bis hin zum "verführerischen und faszinierenden Polen". Umgekehrt betrachten die Polen bis zum Zweiten Weltkrieg in ihrer Literatur an den Deutschen vor allem ihre bekannten Tugenden. "Mit dem Zweiten Weltkrieg gab es nur noch zwei Haltungen", stellte Prof. Marek Zybura fest. Einerseits betonte man, dass die alte deutsche Nation um Goethe nicht mehr existiere, andererseits verdammte man die "deutschen Barbaren" total. Bis heute würden die Gegensätze der beiden Völker herausgearbeitet, so Prof. Marek Zybura.
Die Nachmittagssitzung eröffnete Thorsten Möllenbeck mit seiner Betrachtung des Deutschlandbildes in der politischen Kommunikation Polens nach 1989. Er schätzte ein, "dass sich das Bild der Deutschen in Polen v.a. die letzten Jahre kontinuierlich verschlechtert hat". Die Hoffnungen, die auch die Polen mit der politischen Wende verbanden, "wurden im Laufe der 90er Jahre immer diffuser" und machten aus ihrer Sicht "die Gewinner und Verlierer der Globalisierung deutlich". Die Grenze zwischen beiden Ländern wird von den meisten Polen in erster Linie als Wohlstandsgrenze und nicht als verbindendes Element angesehen, trotzdem hofft man, den wirtschaftlichen Rückstand v.a. mit deutscher Hilfe aufzuholen, da Deutschland in Polen "als Synonym für den Westen und damit für den Wohlstand steht". Die aktuellen Entwicklungen und Entscheidungen des polnischen Parlaments aber auch des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg "tragen dabei nicht immer zur Entspannung des Bildes der Deutschen in der politischen Kommunikation in Polen bei". Abschließend wünschte er sich "mehr Sensibilität durch die Deutschen an polnischen Befindlichkeiten".
Frau Malgorzata Szelachowska vom Ministerium für Wissenschaft und Information in Warschau stellte eine Reihe von gemeinsamen Forschungsvorhaben vor. Grundlage dieser Projekte ist ein am 10. November 1989 geschlossenes Regierungsabkommen zwischen der Regierung der BRD und der damaligen VR Polen, welches bis heute gültig ist. Gemeinsame Forschungsprojekte von deutschen und polnischen Instituten und Wissenschaftlern gibt es v.a. auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Medizin, der Technik, der Weltraumforschung und der Landwirtschaft. Problematisch schätzte Frau Malgorzata Szelachowska das sehr niedrige Budget für Forschung und Wissenschaft in Polen bisher ein, welches unter einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag. Als einen ersten Erfolg auf dem Weg zur Verbesserung der Situation bezeichnete sie den deutlichen Anstieg von polnischen Studenten im letzten Jahr. Außerdem wurde eine "Vielzahl von polnischen Forschungsprojekten bei der EU beantragt und bereits genehmigt". Als Beispiele für die bilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft nannte sie die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/O, den Akademischen Austauschdienst, die Koordinierungsstelle der Wissenschaftsorganisatoren in Brüssel und Bonn, das Deutsche Historische Institut in Warschau oder auch das 2000 eingeweihte Berliner Zentrum als Außenstelle der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Insbesondere das Jahr 2005 als offizielles "Deutsch-polnisches Begegnungsjahr" sollte weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bieten.
Den Abschluss des Tages bildete eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Erwartungen an die deutsch-polnische Nachbarschaft" mit Prof. Dr. Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Institutes, Darmstadt und Dr. Kazimierz Wóycicki, Direktor des Polnischen Instituts in Leipzig. Sie griff bereits Gehörtes und zwischenzeitlich auch mit dem Publikum Diskutiertes wieder auf und gab vor allem Ausblick auf die Zukunft. Ihre Hauptergebnisse waren dabei, dass die deutsch-polnischen Beziehungen mehr Öffentlichkeit und mehr in die Zukunft gerichtete gemeinsame Projekte brauchen. In der Diskussion kamen sowohl Erfolgsgeschichten als auch Verstimmungen der Beziehungen zur Sprache. Gemeinsam war den Diskutierenden der Wunsch nach "ehrlicher und noch engerer Zusammenarbeit" der beiden Länder. "Dazu müssen auch mentale Grenzen überwunden werden. Wir sollten mit Blick in die Zukunft und nicht zu sehr in die Vergangenheit arbeiten", sagte Prof. Dr. Dieter Bingen. "Global denken und lokal agieren, ist das, was für das deutsch-polnische Verhältnis gelten muss", sagte Dr. Kazimierz Wóycicki.
Bei allen Referenten, in der Podiumsdiskussion und auch bei Anregungen aus dem Publikum wurde deutlich, dass die deutsch-polnischen Beziehungen gerade mit dem EU-Beitritt Polens eine neue Dimension bekommen haben und auf allen Ebenen vertieft werden sollten. Prof. Wolfgang Geierhos, Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, appellierte zum Schluss an Initiativen von Bevölkerung und Unternehmen zur weiteren positiven Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses und betonte, dass Polen die Brücke zu den osteuropäischen Nachbarn sei. Die Brücke zum polnischen Nachbarn will die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaft in Zukunft auch mit einer geplanten Zusammenarbeit mit der Polnischen Akademie der Wissenschaften schlagen.
Am Sonntag klang die Herbsttagung mit einer Exkursion nach Polen aus. Die Fahrt führte zunächst nach Radomierzyce zum dortigen Schloß, das, von einem englischen Konzern für Sicherheitstechnik erworben, sich zurzeit in der Rekonstruktion befindet und dann als Schulungszentrum genutzt werden soll. Herr Dr. Großer, der in diesen Gemäuern einen Teil seiner Kindheit verbracht hat, konnte die Erläuterungen des Reiseleiters durch ganz persönliche Erlebnisberichte ergänzen. Weiter ging es dann über Sulikow (Schönberg) und Luban (Lauban) nach Gryfow (Greiffenberg). In Greiffenberg wurde die sanierte Marienkirche besucht, um darin das prunkvolle Schaffgotschgrabmal zu besichtigen. Im Anschluss fuhren die Exkursionsteilnehmer zu den ehemaligen Greiffwerken, die sich zu damaliger Zeit in Deutschland und Europa einen Namen mit ihrer hochwertigen Berufsbekleidung gemacht hatten. Der Schriftsteller Arno Schmidt hatte in diesem Werk bis zum Kriegsbeginn kurze Zeit als "graphischer Lagerbuchhalter" gearbeitet. Das Haus am Rande der Stadt, in dem sich seine Wohnung befand, ist immer noch das Ziel zahlreicher deutscher Touristen, kann aber innen nicht besichtigt werden. Von Greiffenberg ging die Fahrt nach Nowogrodziec (Naumburg am Quais), wo das Geburtshaus von Joseph Schnabel von außen besichtigt wurde. Die Stadt als solche hat sehr unter Kriegseinwirkungen gelitten und dadurch fast nichts mehr von ihrem ursprünglichen Reiz erhalten können. Leider boten sich den Teilnehmern infolge des den ganzen Tag grau verhangenen Himmels keine besonders anziehenden Bilder von der eigentlich lieblichen Landschaft.
Bericht zur Frühjahrstagung 2004 und Festsitzung zum 225. Gründungsjubiläum der Gesellschaft in Görlitz
Zur Frühjahrstagung 2004 der Gesellschaft trafen sich am letzten Aprilwochenende ca. 80 Wissenschaftler und an der Geschichte der Oberlausitz Interessierte sowie Ihre Gäste, um der vor 225 Jahren am 21. April erfolgten Gründung der Gesellschaft mit einer Festsitzung zu gedenken.
Besonders herzlich begrüßt wurde aus diesem Anlass Staatsminister Dr. Matthias Rößler, der in seinem Grußwort an den Geist der europäischen Aufklärung erinnerte, in deren Epoche die Gesellschaft 1779 gegründet wurde. Besonders dankte er dem Präsidenten Prof. Dr. Karlheinz Blaschke und allen Mitgliedern für die Bemühungen um die Erforschung der Geschichte der Oberlausitz und deren Vermittlung in der Gesellschaft als einen wichtigen Beitrag für die Traditionspflege und die Entwicklung des Heimatbewusstseins der Bürger der Region. Er wünschte sich, dass dieses Engagement zu einer starken Integration insbesondere der Jugend beitragen möge, damit diese nach der Ausbildung motiviert werde, in die Oberlausitz zurückzukehren. Er ermunterte die Anwesenden, die Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn zu intensivieren und Beziehungen auf allen Ebenen, zwischen Vereinen, Institutionen, Hochschulen, Wirtschaftsbetrieben und Behörden anzustreben.
Mit dem Oberbürgermeister der Stadt Görlitz, Prof. Karbaum und dem Vorsitzenden der Naturforschenden Gesellschaft, Prof. Dunger, überbrachten weitere hochrangige Gratulanten beste Wünsche an die Jubilarin.
In seinem engagiert vorgetragenen Festvortrag resümierte der Präsident, Prof. Karlheinz Blaschke, unter der Überschrift "225 Jahre - ein Anlass zum Nachdenken" über die Situation der Oberlausitzischen Gesellschaft zwischen Wissenschaft und politischer Verantwortung. Eine erste und auf Grund der erbrachten Leistungen gerechtfertigte "Jubelfeier" konnte die Gesellschaft 1879 anlässlich des einhundertjährigen Bestehens feiern. Auch 50 Jahre später, zum Jubiläum 1929 hatte sie trotz der Teilung des Landes 1815 noch ihre Wirkungsmöglichkeiten. Doch schon zum 175. Jubiläum 1954 und insbesondere anlässlich des zweihundertsten Jahrestages 1979 waren Gedenkveranstaltungen nicht mehr möglich. Wie alle anderen Vereine wurde auch die Oberlausitzische Gesellschaft 1945 verboten und ihr Wirken bis zur friedlichen Revolution 1989/90 und der sofort 1990 erfolgten Wiedergründung unterbrochen. Mit dem in diesem Jahr zu begehenden Jubiläum bot sich nun erstmals wieder die Möglichkeit, die Tradition der Gedenktage erneut aufzugreifen. Trotz der erzwungenen Unterbrechung der Arbeit während der SED-Herrschaft ist es der Gesellschaft gelungen, sich zusammen mit der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz als die einzigen verbliebenen Elemente für die gesamte Oberlausitz zu erhalten und gemeinsam eine Landesidentität zu verkörpern. Im Wissen um die einzigartige Geschichte und Traditionen der Oberlausitz, liegt es in der Verantwortung der Gesellschaft, dieses Vermächtnis weiter zu pflegen und auch zukünftig identitätsstiftend zu wirken. Auch wenn in der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft kein Grund zum Jubilieren bestehe, ist es doch ein begründeter Anlass, sich auf diejenigen zu besinnen, die seit 225 Jahren in der Gesellschaft zum Wohle der Oberlausitz gewirkt haben.
Danach blickten Prof. Döring von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und Prof. Udolph, Technische Universität Dresden, in zwei Vorträgen auf die Anfänge der Gesellschaft zurück. Prof. Dr. Detlef Döring sprach zu ausgewählten gelehrten Sozietäten der Oberlausitz im 18. Jahrhundert. Nach einer allgemeinen Einführung in die Geschichte der Sozietäten, die ihre Wurzeln ebenso wie die Gesellschaft im Geiste der Aufklärung hatten, sprach er über einige ausgewählte gelehrte Sozietäten. Er erinnerte an den starken Einfluss der Universität Leipzig, die zu dieser Zeit fast als eine Landesuniversität für die Geschichte der Oberlausitz zu bezeichnen war. Abschließend forderte Prof. Döring die konsequente Erforschung des Sozietätswesens in der Oberlausitz und verwies darauf, dass selbst zur Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften bis heute keine den modernen Ansprüchen genügende Monographie vorliegt.
Im zweiten Vortrag der Festsitzung stellte Prof. Dr. Ludger Udolph die slawistischen Studien Karl Gottlob von Antons, einer der Begründer der Gesellschaft, in den Mittelpunkt seines Referates. Insbesondere stellte er heraus, dass die Deklination einer Sprache entscheidend für die Sprachverwandtschaft sei und nicht - wie oftmals vermutet - die Lehnwörter. Er verdeutlichte das an der irrtümlich angenommenen Verwandtschaft der deutschen Sprache mit der Sprache der Inuit. Prof. Udolph resümierte, dass von Anton in der Zusammenfassung seiner Forschungsleistungen nicht unbedingt als progressiver "Neuerer" zu bezeichnen sei.
Zum Abschluss der Festsitzung brachte Günter Rautenstrauch, M.A., Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, den Zuhörern das Wirken des berühmten Zittauer Rektors Christian Weise näher, indem er sich mit der Idee und Wirklichkeit gymnasialer Bildung im Spiegel eines Zittauer Lehrplanes von 1690 auseinander setzte. In den Mittelpunkt seiner Erörterungen stellte er vier Schriften Weises zu Bildungs- und Erziehungsfragen. Der Referent stellte die von Weise praktizierte Unterrichtsmethode, die versuchte, die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler mittels angepasster Unterrichtsmethoden zu fördern und dabei eine möglichst gewinnbringende Mischung aus Milde und Härte anzuwenden vor. Diese theoretischen Ansätze des Rektors bewertete er als ausgesprochen fortschrittlich und bis heute gültig, was den ungeteilten Beifall der Zuhörer fand.
Abgerundet wurde die Frühjahrstagung der Gesellschaft am Sonntag durch eine vom Akademischen Reisedienst Görlitz organisierte Exkursion zu den Geburts- und Wohnstätten der Gründungsmitglieder der Gesellschaft. Mehr als 30 Personen fuhren, begleitet von einem fachkundigen deutschsprachigen Führer nach Kiesslingswalde, Geburts- und Sterbeort von Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, und zum Schloss und Park Meffersdorf, ehemaliger Sitz von Adolf Traugott von Gersdorf. Ein Besuch von Schloss Tzschocha mit Kaffeetafel und anschließender deutschsprachiger Führung gestaltete sich zu einem wohltuenden Aufenthalt. Das Schloss präsentiert sich in einem gut erhaltenen Zustand und bietet auch reizvolle Blicke in die Umgebung. Dem gegenüber befinden sich die besuchten Herrenhäuser in bedauernswertem Zustand.
Bericht zur Herbsttagung vom 7. bis 9. November 2003 in Görlitz
Anlass und Thema der Tagung war das 500-jährige Bestehen des Heiligen Grabes in Görlitz. Das vor den Toren Jerusalems gelegene Grab Jesu Christi genoss als Ort der Auferstehung in der ganzen Christenheit hohe Verehrung. Wegen ihrer symbolischen Bedeutung wurde die Anlage in Europa vielfach nachgebaut. Im späten Mittelalter führte das Bestreben zum sinnlich wahrnehmbaren Nacherleben des Heilsgeschehens zu einer Zunahme der Pilgerfahrten nach Jerusalem und damit zu einer Welle von Nachbauten des Heiligen Grabes. Der reiche Görlitzer Bürger Georg Emmerich unternahm im Jahre 1464 zur Sühne eine Pilgerfahrt nach Jerusalem und stiftete danach in seiner Heimatstadt das Heilige Grab, das nach den am Original aufgenommenen Maßen in den Jahren 1481 bis 1504 erbaut wurde. Die Tagung sollte das Gedächtnis an diesen Bau wach halten, der als Zeugnis spätmittelalterlicher Frömmigkeit die herausragende Bedeutung der Stadt Görlitz an der Schwelle zur Neuzeit unterstreicht.
Zu den Heiligen Stätten Jerusalems sprach am Abend des 7. November Herr Dr. theol. Thimotheus Arndt. Die Vortragsreihe am 8. November gestaltete sich wie folgt:
- Peter Wenzel (Görlitz): Görlitz in der Zeit vor 500 Jahren
- Prof. Dr. Jürgen Krüger (Karlsruhe): Heilige Gräber zwischen Kopie und Fantasie Anmerkungen zur Architektur von Erinnerungsorten
- Gerhard Kienz (Görlitz): Führung auf dem Pilgerweg zum Heiligen Grab
- Arnd Kiesewetter (Dresden): Das Heilige Grab in Görlitz als Gegenstand der Denkmalpflege
Am Sonntag, den 9. November 2003 erfolgte unter fachkundiger Führung von Dr. Andreas Bednarek, Görlitz, und Marius Winzeler, Görlitz, eine Exkursion "Unterwegs in das schlesische Jerusalem" nach Hirschberg, Albendorf und in das Kloster Grüssau.
Bericht zur Frühjahrstagung vom 25. bis 27. April 2003 in Görlitz
Die Eröffnungsveranstaltung am 25. April 2003 fand im Joh.-Wüsten-Saal, Barockhaus Neißstraße 30, um 19.00 Uhr statt. Nach der Ehrung für Johannes Wüsten anlässlich seines 60. Todestages folgte ein Vortrag von Herrn Marius Winzeler zum Thema "IN UNO MUSEUM - Das Gesellschaftshaus Neißstraße 30 und seine Sammlungen".
Am 26. April 2003 fand um 9.30 Uhr die Mitgliederversammlung statt und danach folgten folgende Vorträge
- Günther Rautenstrauch: Der Briefwechsel zwischen Christian Weise und Bohuslav Balbinus (1678 - 1688)
- Dr. Karl Heinz Großer: Der Grund- und Waldbesitz des Stifts Joachimstein - Bewahrte Erinnerung
- Dr. Werner Stahms: Der Kartograph, Kupferstecher und erste sächsische Kartenverleger Johann George Schreiber aus Neusalza-Spremberg (1676 - 1750)
- Inga Arnold-Geierhos: Christoph Nathe zum 250. Geburtstag
- Martin Schmidt: Konrad Zuse - der Vater des Computers und sein bildnerisches Schaffen
- Dr. Andreas Bednarek: Die Architektur der Gerichtsbauten in der preußischen Provinz Schlesien
Am 27. April 2003 führte Herr Dr. Bednarek auf einer kunsthistorischen Fachexkursion zu den Dorfkirchen in der östlichen Oberlausitz. Dabei wurden die Barbarakirche in Ebersbach, eine reich ausgestattete Saalkirche aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die Hoffnungskirche Königshufen und die ehemalige Dorfkirche von Deutsch-Ossig besichtigt. Nach einem Rundgang durch die Schloßanlagen Königshain mit Steinstock, Altem und Neuem Schloß, folgte die Besichtigung der Dorfkirche Königshain, einer spätromanischen Saalkirche, die Besichtigung der Georgskirche in Jänckendorf-Ullersdorf und der Pfarrkirche Hl. Margarete in Kodersdorf.
Bericht zur Herbsttagung 2002 "1000 Jahre Bautzen, Hauptstadt der Oberlausitz" vom 11. bis 13. Oktober 2002 in Bautzen
Bericht zur Frühjahrstagung 2002 vom 12. bis 14. April 2002
Die Tagung wurde am 12. April 2002, 19.00 Uhr, im Schlesischen Museum der Stadt Görlitz mit einem Vortrag und der Führung durch Herrn Dr. Markus Bauer, Direktor des Museums, eröffnet. Am 13. April, 10.00 Uhr, fand die Mitgliederversammlung im Kleinen Saal des Rathauses statt. Nach der Mittagspause reihten sich folgende Vorträge der Mitglieder an:
- Steffen Menzel: Der Wiedererwerb der Herrschaft Penzig durch die Stadt Görlitz nach dem Pönfall
- Kirsten Nagel: Die graphische Sammlung des Hans von Gersdorf auf Weicha (1630 bis 1692)
- Matthias Knobloch: Zu den Quellen in den Pfarrarchiven von Elstra
- Martin Schmidt: Otto Garten – Zum 100. Geburtstag des Malers
- Günter Rautenstrauch: Der Abt Peter von Zittau – Stilelemente seiner Herrscherporträts
- Reiner Dähnert: Tagebau Berzdorf – Geschichte, Gegenwart, Zukunft
Am Abend hatten Interessierte die Möglichkeit, an der Generalprobe für ein Konzert der Görlitzer Akademie für alte Musik teilzunehmen.
Am 14. April 2002 führten ab 10.00 Uhr die Herren Dähnert und Illing von der LMBV mbH durch den Tagebau Berzdorf und erläutern Stand und Ziele der Rekultivierung.
Bericht zur Herbsttagung "Standesherrschaft Muskau - Landschaft, Geschichte, Kultur" vom 12. bis 14. Oktober 2001 in Bad Muskau
von Siegfried Hoche
Die Herbsttagung unserer Gesellschaft fand in der Zeit vom 12. Oktober bis 14. Oktober in Bad Muskau statt. Mit der Wahl des Tagungsortes im Norden der Oberlausitz sollte verdeutlicht werden, dass die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften eine wissenschaftliche Vereinigung der gesamten Oberlausitz ist. Zukünftig wird deshalb ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, in allen Teilen dieser geschichtsträchtigen Landschaft eine Herbsttagung durchzuführen.
In Bad Muskau nutzten wir die Orangerie des Park- und Schlosskomplexes. Den freundlichen Gastgebern, stellvertretend seien genannt, Herr Direktor Cord Panning und Frau Dr. Cornelia Wenzel, sei deshalb an dieser Stelle für ihre bereitwillige und unkomplizierte Unterstützung besonders gedankt.
An der Herbsttagung nahmen 16 Mitglieder, und 14 Gäste teil. Die Zahlen sind sehr unbefriedigend. Das Präsidium wäre den Mitgliedern sehr dankbar, wenn wesentlich mehr Vorschläge hinsichtlich des Tagungsortes und der Tagungsthemen eingereicht würden. Die Gesellschaft lebt von der Initiative und dem Mittun der ihrer Mitglieder. Trotz umfangreicher und aufwendiger Werbung blieb das Interesse der Lehrerschaft sehr gering.
Inhaltlich wurde die Tagung zweigeteilt. Am Samstagvormittag standen Vorträge zu den natürlichen Grundlagen der Muskauer Heide auf dem Programm. Der Dipl.-Geologe Olaf Ullrich und Dr. Jürgen Vollbrecht sprachen über die Dünen, Moore und Flussläufe als älteste Kulturlandschaftelemente im Bereich des Tagebaues Reichwalde. Dr. Bastian hielt einen interessanten Vortrag über die Vegetation in der Muskauer Heide. Einen wichtigen Beitrag zur Forstwirtschaftsgeschichte der Heidelandschaft leistete Dr. Großer. Am Nachmittag standen besonders Leben und Werk des Muskauer Dichters, Komponisten und Ökonomen Leopold Schefer (1784-1862) im Mittelpunkt der wiederum sehr informativen Beiträge. Prof. Blaschke gab eine Einführung in die Geschichte der Standesherrschaft Muskau. Ohne Kenntnis der historischen Gegebenheiten ist das Wirken von Persönlichkeiten nicht zu verstehen. Nachdem nun die Tagungsteilnehmer ein sehr umfassendes Bild von Natur und Geschichte der Standesherrschaft Muskau erhalten hatten, folgten sehr interessante und zum Teil anrührende Beiträge zu Leopold Schefer. Prof. Völker sprach über das literarische Schaffen Leopold Schefers. Darauf folgte eine Wort - Musik - Sendung Dr. Dreyers. Anrührender und hervorragend gestalteter Höhepunkt war für viele Tagungsteilnehmer die folgende Lesung Helene Schmidts aus der Novelle "Der Waldbrand".
Am Sonntag nutzten viele der Tagungsteilnehmer das Angebot des Hausherren und Parkdirektors Cord Panning zu einer Führung durch den aufwendig erhaltenen Muskauer Parkund Schlosskomplex.
Bericht zur Frühjahrstagung vom 20. bis 22. April 2001
Am 20. April 2001 fand um 19.00Uhr der Eröffnungsvortrag statt. Herr Reinhard Krug von Nidda sprach über "Herrenhäuser im Umkreis von Görlitz - Historische Zusammenhänge und Schicksale" und zeigte dazu Lichtbilder aus der Wendezeit.
Am 21. April 2001 fanden folgende öffentliche Vorträge statt:
- Prof. Dr. Karlheinz Blaschke: Stellung des Adels in der Oberlausitzer Landesverfassung
- Dr. Eberhard Hartstock:Teichwirtschaft als Wirtschaftsunternehmen oberlausitzer Rittergüter
- Dipl.-Ing. Udo Frenschkowski: Herrenhäuser in der Oberlausitz
- Prof. Dr. Hartmut May: Adel und Kirchenbau in der Oberlausitz. Patronatspfiichten, Repräsentation, Religiosität, Kunstsinn
- Dr. Joachim Menzhausen: Unbekannte Meisterwerke sächsischer Barockbildhauer in oberlausitzer Kirchen
- Dipl.-Ing. Ernst Panse: Rittergutsparkanlagen in der Oberlausitz (mit Lichtbildern)
Am 22. April 2001 lud Herr Krug von Nidda zu einem Besichtigungsprogramm von bemerkenswerten Herrenhäusern, Kirchen und Parkanlagen ein. Die Fahrt führte über das Schloß Nieder-Rengersdorf, dem Herrensitz von Adolph Traugott von Gersdorff, Mitgründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zur Ev. Pfarrkirche (15.Jahrh.) mit Patronatslogen (1733). Weitere Exkursionspunkte waren:
- Gröditz, Schloß (1738 von Joh.Caspar von Gersdorff und Margarethe Eleonora von Gersdorff erbaut). Ev. Pfarrkirche mit Grabdenkmälern der Familien von Gersdorff, von Metzradt, von Ziegler und Klipphausen 17./18.Jahrh.
- Baruth, Ev. Pfarrkirche (1704/5) mit Grabdenkmälern der Familie von Gersdorff (16./17. Jahrh.). Barockeinfahrt zum Schloßpark (1720). Schloß in der Nachkriegszeit abgetragen.
- Preititz, Herrenhaus, 1668 von Carl Heinrich von Nostitz und Barbara Elisabeth von Ziegler und Klipphausen erbaut.
- Kleinbautzen, Ev. Pfarrkirche (1678 - 1682 erbaut von Carl Heinrich von Nostitz). Patronatslogen reich mit biblischen Darstellungen und Wappen versehen. Grabdenkmäler der
- Familien von Metzradt, von Löben, von Rechenberg, von Gersdorff, vor allem aber von Carl Heinrich von Nostitz und seiner Frau Barbara Elisabeth, geb. von Ziegler und Klipphausen.
- Wurschen, Herrenhaus der Familien von Metzradt und von Gersdorff (bez. 1701/1708).
- Reichenbach OL., Johanneskirche (12./16./17.Jahrh.) mit Patronatsloge und Grabdenkmälern derer von Gersdorff. Nach "Gerhartisdorf" (Gersdorf) gehört Reichenbach mit Mengelsdorf, Goswitz und Sohland zum Ursprungsbereich des Oberlausitzer Stammes der Familie von Gersdorff, die in diesem Jahr auf die erste urkundliche Erwähnung vor 700 Jahren am 24.Mai 1301 zurückblickt.
- Gersdorf, Stammort des Oberlausitzischen Familie von Gersdorff. Dorfkirche (13./17./19.Jahrh.). Grabdenkmale von Joachim Ernst von Nostitz und seiner Frau Dorothea Tugendreich, geb. von Schachmann, Anfang 18.Jahrh., Stammbaum der Familie von Salza im Gewölbe (17.Jahrh.), Patronatsloge der Familie Krug von Nidda. Schloß (15.Jahrh. Wasserburg; 1876-79 im Neorenaissancestil ausgebaut durch Carl Krug von Nidda.)
- Mengelsdorf, Schloß (1860/70 durch Oberst a. D. Leuthold von Kurowski im Tudorstil erbaut). Gutshof erbaut von Christian Albrecht von Loeben nach einem Brand 1741. Parkanlage 1830 u. 1870.
- Königshain, Herrenhaus mit Kavaliers- und Küchenpavillon, erbaut von Carl Adolph von Schachmann 1764 - 66; Steinstock, Spätmittelalterlicher Wohnturm, 1525 von dem Görlitzer Großkaufmann Joachim Frentzel im Stil der Görlitzer Frührenaissance ausgebaut. Altes Schloß, 1540 durch denselben als Wasserschloß erbaut, 1680 nach Blitzschlag erneuert durch Adolph Ernst von Schachmann. Im Park Gedenkstein für Carl Adolph von Schachmann, Mitbegründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
Herbsttagung 2000 in Herrnhut
Die Herbsttagung der OLGdW 2000 fand im Tagungs-und Erholungsheim der Brüder-Unität Herrnhut statt. Am 6. Oktober 2000 begann das Symposium um 10.00 Uhr mit einer Führung über den Gottesacker und Gang durch den Kirchsaal. Danach erhielten die Gäste eine Einführung in das Archiv der Brüder-Unität durch Herrn Paul Peucker. Am Nachmittag erfolgte ein Besuch der Museen sowie der Vortrag "Erinnerung als Perspektive für die Zukunft – Vorbilder nachbilden / Zur Prägung der Brüdergemeine durch Zinzendorf" von Hans Christoph Hahn. Der Abend klang mit einem Abendessen aus.
Am Samstag, den 7. Oktober 2000, ab 9.00 Uhr, referierte Hans Reeb zu "Die "Banden" als "Peergroup" – Zum seelsorgerischen Ansatz Zinzendorfs", gefolgt von einer Wanderung "Auf den Spuren des Glaubens". Nach dem Mittagessen gab Martin Theile einen Überblick über die weltweite Brüder-Unität. Am späten Nachmittag fand eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Thema der Satzungsänderung statt.
Frühjahrstagung 2000 in Görlitz
Die Frühjahrstagung der OLGdW fand vom 14. bis 16. April 2000 in Görlitz statt. Am 14. April wurde sie eröffnet durch den amtierenden Präsidenten Dr. Matthias Herrmann. Anschließend folgte der Vortrag "Leben und Werk Zinzendorfs in 24 Bildern", gehalten von Frau Pfarrerin Ingeborg Baldauf, Leiterin des Archivs der Brüderunität Herrnhut im Ruhestand.
Am 15. April fand von 9.30 Uhr bis ca. 13.00 Uhr die 258. Mitgliederversammlung statt und danach bis 18.00 Uhr die öffentliche Vortragsveranstaltung mit folgenden Kurzvorträgen
- Ficker, Friedbert: Bilder-Visionen. Der Künstler Rudolf Büder
- Imhof, Viola: Die Gebirgsmodelle von Charles-Francois Exchaquet in Görlitz
- Rautenstrauch, Günter: Der Bildungsgang des Zittauer Arztsohnes Christian Friedrich Gerber im Spiegel des Jenaer Promotionsverfahrens von 1683 - ein Beispiel für die Bedeutung von Gesellschaftsschriften als Geschichtsquelle
- Schmidt, Martin: Marianne Britze (1883-1980) - die Malerin Bautzens
- Winzeler, Marius: Die Oberlausitz und ihre künstlerischen Beziehungen zu Böhmen, Schlesien und Sachsen im 18. Jahrhundert. Skizze einer Kulturlandschaft
- Sterbling, Anton: Regionale Kultur in Grenzräumen. Vergleichende Betrachtungen
Am 16. April erfolgte ab 10.00 Uhr das Besichtigungsprogramm mit einer Führung durch den Schönhof (mit Erläuterungen zur Einrichtung des Schlesischen Museums in dem in Rekonstruktion befindlichen Bauwerk). Daran anschließend folgte ein geführter Besuch einer aktuellen von den Museen der Stadt gebotenen Ausstellung.
1991-1999
Programm zur Herbsttagung vom 30. September bis 2. Oktober 1999 im Bürgersaal des Zittauer Rathauses (Weiterbildungsseminar zur Landesgeschichte der Oberlausitz)
Donnerstag, 30. September 1999
- Eröffnung und Begrüßungsansprachen
- Doz. Dr. sc. phil. Volker Dudeck: Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz - Erbe und Auftrag
- Prof. Dr. phil. habil Karlheinz Blaschke: Grundfragen und Aufgaben einer oberlausitzischen Landesgeschichte in unserer Zeit (Einführungsvortrag)
Freitag, 1. Oktober 1999
- Dr. phil. Gunter Oettel: Exkursion "Neues vom Oybin"
- Vorträge:
- Dr. Manfred Kobuch: Neue Forschungen und Erkenntnisse zur mittelalterlichen Geschichte der Oberlausitz
- Dr. Uwe Schirmer: Steuerverfassung und Staatlichkeit in der frühneuzeitlichen Geschichte
- Doz. Dr. sc. phil. Volker Dudeck: Einzigartig in Deutschland! Die Kirche zum Heiligen Kreuz als Museum für das Große Zittauer Fastentuch von 1472 (im Museum Kirche zum Heiligen Kreuz)
- Konzert "Symphonia Vespertina" von Mitgliedern des Gymnasialchores Richard von Schlieben Zittau und des Singkreises der Apostelkirche Zittau
Samstag, 2. Oktober 1999
- Vorträge:
- Prof. Dr. phil. habil Karlheinz Blaschke: Siedlungsgeschichte und geschichtliche Landeskunde der Oberlausitz
- Dr. Erhard Hartstock: Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Oberlausitz in der frühen Neuzeit
- Dr. Josef Matzerath: Die Oberlausitzer Landstäande
Programm zur Frühjahrstagung vom 23. bis 25. April 1999 in Görlitz
Freitag, 23. April 1999, 19.00 Uhr
- Eröffnung durch den Präsidenten der OLGdW, Herrn Prof. Dr. Ernst-Heinz Lemper mit dem Vortrag "Jakob Böhme - Bürger der Stadt Görlitz. Zur Erteilung des Bürgerrechtes der Stadt Görlitz an den Schuhmachermeister aus Alt-Seidenberg am 24. April 1599"
Sonnabend, 24. April 1999
- Mitgliederversammlung
- Öffentliche Vortragsveranstaltung
- Gunter Oettel: Zur Gründung einer Arbeitsgruppe Quellenforschung und zu Fragen der Quellenedition
- Andreas Gauger: Die Bedeutung des Willens in der Theosophie Jakob Böhmes
- Hanna Majewska: Bericht über die Wahrnehmung der Gedanken und Werke von Jakob Böhme in der polnischen Literatur und Kissenschaft
- Winfried Töpler: Die Bibliothek des Zisterzienserklosters und der Pfarrei Neuzelle
- Reinhard Krug von Nidda: Friedrich Krug von Nidda, ein Dichter der Goethezeit in der Oberlausitz
- Martin Schmidt: Brigitte Reimann aus Hoyerswerda, eine Schriftstellerin zwischen Hoffnung und Resignation
- Friedbert Ficker: Bilder-Visionen. Der Künstler Rudolph Büder (mit Lichtbildern)
- Theodor Vogt: Mystisches Haus - Böhme 1999
- Herbert Oberste-Lehn: Perspektiven für die OLGdW in das Jahr 2000
- Andreas Bednarek: Die Görlitzer Gerichtsgebäude am Postplatz - ein Beitrag zur Geschichte Preußischer Justizbauten in Görlitz
Sonntag 25. April 1999
- Führung durch die Nikolaikirche und über den Nikolaifriedhof durch Herrn Kienz, Evangelische Kulturstiftung Görlitz
- Besuch der Peterskirche und Teilnahme an einer Vorführung der Sonneorgel (Erläuterungen durch Herrn Dr. Kretzschmar)
Programm zur Herbsttagung am 17. Oktober 1998 im Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau
- Einführungsvortrag von Frau Dr. Oexle: Anliegen, Ziel und Wirksamkeit der Ersten Sächsischen Landesausstellung
- Rundgang durch die 1. Sächsische Landesausstellung, ggf. mit speziellen Führungen
- Vorträge
- Prof. Dr. Blaschke: Kultur und Kirche in der Oberlausitz
- Matthias Knobloch: Klosterherrschaft und Untertanen in der Oberlausitz (Marienstern)
- Christian Pokorni: Der Zisterzienserorden und Kloster Marienstern - Idee und Geschichte
- Diskussion (Moderation Prof. Dr. Lemper)
Programm zur Frühjahrstagung vom 17. bis 19. April 1998
Freitag, 17. April 1998
- Vortrag von Herrn Dr. Peter Kunze aus Bautzen: Der Akademische Verein für Lausitzer Geschichte und Sprache unter besonderer Betrachtung seines Zusammenwirkens mit der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
Sonnabend, 18. April 1998
- Mitgliederversammlung
- Vortrag von Frau Annerose Klammt: Die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur - Möglichkeiten eines neuen Verbundes
- Öffentliche Vortragsveranstaltung
- Viola Imhof: Adolf Traugott von Gersdorff - Tagebuch der Reise in die Schweiz.
- Kazimiersz Bobowski: Das Zisterzienserkloster Neuzelle.
- Winfried Töpler: Die Neuzeller Passionsdarstellung - eine Passionsdarstellung in der Form eines stummen Theaters.
- Rüdiger Adam: Der jahreszeitliche Verlauf der Sterbefälle in Görlitz im 17. Jahrhundert und in der Gegenwart.
- Rainer Aurig: Das Forschungsprojekt "Altstraßen in der Lausitz"
- Andreas Bednarek: Der Rotary-Club Görlitz in den Jahren 1930 bis zur Selbstauflösung 1937.
- Wolfgang Wessig: Mira Lobes "Insu-Pu" (1948) - ein Klassiker der israelischer Kinderliteratur
Sonntag, 19. April 1998
- Besuches der Sonderausstellung "Die Zittauer Missalen – Schätze mittelalterlicher Buchmalerei" im Barockhaus Neißstraße 30
- Führung durch das Heilige Grab mit Horst Wenzel
Herbsttagung "Pönfall der Oberlausitzer Sechsstädte und Reformation" am 24. bis 26. Oktober 1997 in Kamenz
Von Dr. Matthias Herrmann, Kamenz
Der Eröffnungsvortrag wurde von Prof. Dr. K. H. Blaschke (Dresden) gehalten. Der Referent verwies einleitend auf die bereits im Jahre 1996 aufgenommene Diskussion zu Fragen der oberlausitzischen Geschichte und des Sechsstädtebundes. Nochmals wurde hinterfragt, inwieweit der Sechsstädtebund neben dem niederen Adel und den Standesherrschaften als Landstände und der Geistlichkeit in seiner Stellung als Träger früher Staatlichkeit anzusehen ist.
Er hinterfragte die Strenge des Strafgerichtes und verwies auf die geringe taktische Bedeutung der Konfiskation von Waffen (Görlitz: 48, Zittau: 27 und Kamenz: 5 Kanonen), die bis 1552 in Bautzen lagerten. Als Hintergrund wurde die hohe demoralisierende Wirkung angesehen: schließlich vergossen die Angehörigen der Sechsstädte bittere Tränen bei Abgabe der Waffen und Munition. Er hinterfragte weitere Aspekte, beispielsweise die zeitgeschichtlichen Einflüsse, die langfristigen politischen Konzeptionen, die Unerfahrenheit des jungen böhmischen Königs, das Betreiben des lausitzischen Adels gegen die ökonomisch und politisch starken Sechsstädte sowie religiöse und persönliche Hintergründe (Ullrich von Nostitz als Katholik). Letzteres ist anzunehmen, da nach Absterben des Landvogtes von Nostitz die Königliche Gnade einsetzte.
Weitere direkte und indirekte Folgen wurden untersucht. Prof Dr. Blaschke resümierte, dass durch den Pönfall letztendlich eine Umschichtung der gesellschaftlichen Kräfte erfolgt sei.
Als Koreferentin zu Blaschke betrachtete Frau Dr. L. Bobková (Prag) die dem Pönfall vorausgegangenen Ereignisse im Gebiet der böhmischen Krone: den Aufstand der böhmischen Stände. Zwischen diesen Trägern der Staatlichkeit (Herrenstand - hoher Adel; Ritterstand - niederer Adel, Städtestand - Städte) schwelten unterschiedliche Konflikte. Einerseits erfolgte eine Abgrenzung zwischen Höherem und Niederem Adel in der Ämterbesetzung, anderseits divergierten die Interessen zwischen Adel und Städten. Das Problem der Steuereintreibung vergrößerte sich durch die immense auf dem König liegende Schuldenlast. Der Finanzbedarf der Krone wuchs infolge der Auseinandersetzungen mit dem Schmalkaldischen Bund. Als der böhmische König am 1. Dezember 1546 das Heer ohne Einbeziehung der Stände einberief, protestierten diese wegen Verletzung der Landesprivilegien. Einbezogen in die folgenden Auseinandersetzungen wurde nahezu das gesamte Land. Lediglich 3 Städte - Plzen, Budweis und Ústi nad Labem - blieben königstreu. Nachdem der König die Stände zur Handlung bis 2. Februar 1547 ermahnt hatte, kam es am 6. Februar zu Verhandlungen. In deren Folge entfalteten die Stände eine relativ große Eigenständigkeit, die zur Bildung einer Ständekommission, eines ständischen Direktoriums und sogar zur Bildung eines ständischen Heeres führen sollte. Hilfegesuche an die Nachbarländer Oberlausitz und Mähren blieben jedoch ergebnislos. Statt dessen war der oberlausitzische Adel (Ulrich von Nostitz, Hans von Maxen) sogar im königlichen Gerichtstribunal vertreten. Erst nachdem der König in einem harten Strafgericht wieder Ordnung hergestellt hatte, kam es zur Niederhaltung der oberlausitzischen Sechsstädte durch die Inszenierung des Pönfalles.
Rezeptionsgeschichtlich interessant ist, dass bislang von böhmischer wie oberlausitzischer Seite die jeweils andersstaatlichen Sachverhalte kaum berücksichtigt worden sind. So drückten die böhmischen Historiker 1997 anlässlich eines Symposiums ihr Erstaunen über die Analogie zu den oberlausitzischen Verhältnissen aus. Forschungsrelevant auch für die oberlausitzische Regional- und die sächsische Landesgeschichte sind diverse Publikationen sowie Quelleneditionen, Memoiren, aber auch Abschriften und Zusammenfassungen sowie Originalunterlagen in böhmischen Archiven, worauf Dr. Bobkovä wiederholt und mit Nachdruck verwies.
In der Diskussion wurde herausgestellt, dass die Hofkanzlei und die königliche Zentralgewalt aus dem Böhmischen Aufstand und dem Pönfall gestärkt hervorgingen. Nachfolgend wurde das Finanzwesen reorganisiert, zunehmend kam fremder Adel in führende Positionen und die städtische Macht war auf längere Zeit gebrochen. Die Bedeutung der Städte als Stand im Landtag sank. Frau Dr. Bobková verwies weiter darauf, dass zwischen der Oberlausitz und Böhmen keine festen Grenzen bestanden. Hierdurch konnten böhmische Einflüsse - geprägt durch das in Böhmen bereits seit den Hussitenkriegen dominierende Nebeneinanderbestehen von Katholiken und Nichtkatholiken - auch in der Oberlausitz festgestellt werden. Prof. Dr. Blaschke unterstützte die erheblichen Auswirkungen für die Stärkung des Zentralismus und den Aufbau eines frühen Staates, wobei die Stände als Vertreter der traditionellen Verhältnisse aufzufassen seien. Dr. Hartstock verwies darauf, daß ein Bündnis zwischen den Oberlausitzer und den böhmischen Ständen nicht bestand. Er fragte an, ob von einem eher nationalen Problem ausgegangen werden muß? Die Sondierungen der Stände in Böhmen und Schlesien blieben weitgehend erfolglos. Sondierungen wurden sogar beim sächsischen Kurfürsten vorgenommen. Die Stände orientierten vordergründig auf eine Verteidigung nach innen, weniger auf die nach außen. Für die Oberlausitz stellte Ulrich von Nostitz die zentrale Person dar. Eindeutige Hinweise wurden von allen Diskussionspartnern auf die Notwendigkeit der Bearbeitung unveröffentlichter Quellen in deutschen und tschechischen Archiven gegeben.
Im zweiten Tagesordnungspunkt referierten Dr. S. Seifert und M Knobloch ausführlich zu religions- aber auch zu kirchengeschichtlichen Aspekten.
Herr Geistl. Rat und Ordinariats-Archivrat Dr. S. Seifert (Domstiftsarchiv Bautzen) befaßte sich vordergründig mit der Situation der geistlichen Stifter in der Oberlausitz während der Reformation und im Verlauf des Schmalkaldischen Krieges bis hin zu den Auswirkungen des Pönfalles. Festzustellen war, daß relativ wenig Informationen über die Auswirkungen des Pönfalles auf die Stifte vorliegen. Eigenständige Entwicklungen seien im Verlauf der Reformation bei den Herrschaften Bad Muskau, Königsbrück und Hoyerswerda zu konstatieren. Im Verlauf der Reformation sei jedoch keine exakte Trennung des Glaubens möglich, was gewisse Untersuchungen erschwert. Erst nach Abschluß des Augsburger Religionsfriedens könne von gesicherten Glaubensbekenntnissen ausgegangen werden. Anhand der Sedes in der Oberlausitz ist jedoch eine Kontinuität im Übergang vom katholischen zum protestantischen Glauben nachweislich.
Anhand der vielfach aus dem Patriziat der Stadt Bautzen entstammenden Geistlichkeit des Domstiftes Bautzen vollzog Dr. Seifert die reformationsbedingten familiären Probleme nach. Hierbei verwies er auf die besondere Rolle der Klöster, die auch in der 1562 verabschiedeten Obergerichtskonzession ausgeschlossen blieben. Eine hervorhebenswerte Tatsache sei der Fortbestand der Klöster in Folge des Pönfalles. Ein Wandel vollzog sich insbesondere bei der Ausbildung des klösterlichen Personals, was künftig vor allem durch die böhmischen Klöster übernommen wurde. Durch die Folgen der Schlacht am Weißen Berg konnten die Stifte in der Lausitz verbleiben, ihre Bindung an das Haus Habsburg wurde dadurch sogar noch enger geknüpft.
Während Dr. Seifert vor allem Betrachtungen aus der Sicht des Domstiftes vornahm, wies M. Knobloch anhand von Originalunterlagen des Klosterarchivs St. Marienstern nach, daß eine reformatorische Abstimmung - zumindest jedoch eine gegenseitige Information - der Sechsstädte untereinander stattgefunden haben muß. Die bestehenden Auseinandersetzungen des Klosters St. Marienstern mit der Stadt Kamenz wurden vor allem auf der Grundlage des ius patronatus fortgesetzt. Eingesetzt hatten sie insbesondere bei den Übergriffen der Stadt auf die Kirchenkleinodien in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts. Hierbei ist das in der Forschung vermerkte Testament des Stadtpfarrers Dr. Gregor Günther besonders hervorzuheben, das jedoch noch nicht im Original aufgefunden werden konnte. Nach Auffassung von M. Knobloch besaß der Pönfall im Klostergebiet wenig Einfluß auf die Durchsetzung der Reformation. Der Decem fiel weiterhin uneingeschränkt der Kirche zu, nicht dem neuen Besitzer. Insofern kann auch nicht von wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der Kirche ausgegangen werden. Anders stellt sich die Sachlage bei den Hufenzinsen der veräußerten Dörfer (Bernbruch und Gelenau) dar.
In einem Diskussionsbeitrag befaßte sich Prof. Dr. Irmscher (Berlin) mit den Beziehungen Melanchthons zum Sechsstädtebund bzw. zu führenden lausitzischen Persönlichkeiten, wobei jedoch ein Negativergebnis festzustellen war. Prof. Irmscher verwies darauf, daß die Last der Sechsstädte im Schmalkaldischen Krieg im Vergleich zu den Bündnispartnern relativ gering blieb.
H. A. v. Polenz untersuchte insbesondere die in der Regional- und Lokalgeschichte agierenden Persönlichkeiten. Er stellte Ferdinand I. als Pragmatiker dar, der in Böhmen mit zentralstaatlicher Gewalt für Ordnung sorgte, um hier keinen zusätzlichen Kriegsschauplatz zu schaffen. Für die Oberlausitz sei der Pönfall indes ein Vorteil gewesen, entstanden doch in seiner Folge ökonomisch stabile Kleinwirtschaften, vor allem in den Dörfern. Auch er stellte fest, daß sich die Probleme der Oberlausitz im Vergleich zum Nebenland Ungarn und dem dort stattfindenden Türkenkrieg als gering erweisen. H. A. v. Polenz befaßte sich mit der Position des Landvogtes (Burghauptmann, Amtmann), mußte jedoch bereits aus der begrifflichen Vielfalt eine wenig definierbare Klarheit in den Befugnissen feststellen. Er hatte summarisch all jene Aufgaben vor Ort wahrzunehmen, die ein Herrscher in seiner Abwesenheit nicht ausüben kann. D.h., er hatte pauschal für Recht und Ordnung zu sorgen, sich um die Eintreibung der Steuern zu bemühen, und die Güter des Reiches zu verwalten. Allmählich verlor die Position an Bedeutung. Die Landvogtei wurde teilweise sogar verpfändet. Im Unterschied dazu muß der Landeshauptmann als Vertreter der Stände angesehen werden. P. stellte die Frage, inwieweit die Oberlausitz, die keinen eigentlichen Landesherren besaß, mit einer Ständerepublik vergleichbar sei. Schließlich sei der Landtag ohne Zustimmung des Landesherren beschlußfähig gewesen. Vor allem im 16. Jahrhundert wird offensichtlich, daß der Landeshauptmann zunehmend an Macht gewinnt und schließlich nahezu vollständig das Sagen hat.
In der Diskussion zu vorgenannten Problemkreisen widersprach Dr. Hartstock insbesondere der letzten Polenz’schen These heftig. Frau Dr. Bobková verwies darauf, daß der Landvogt vordergründig ein Repräsentant der königlichen Macht gewesen sei und durch seine Person die Beziehungen zu Böhmen aufrechterhalten wurden. Der Hauptmann, vom Adel gewählt, sicherte ebenfalls die Angelegenheiten des Königs vor Ort. Er wurde bis in das 17. Jahrhundert hinein (auch in Schlesien) vom böhmischen Adel ausgewählt. Hervorzuheben sei die militärische Schutzfunktion des Landvogtes, wie es in den Hussitenkriegen offensichtlich wurde.
Bedauerlicherweise mußte ein Referent aus gesundheitlichen Gründen seinen Vortrag zum Problemkreis der wirtschaftlichen Auswirkungen des Pönfalles auf die Lausitz absagen. Der Koreferent baute statt dessen - im positiven Sinne - seinen Beitrag aus. Zugleich bereitete sich Prof. Dr. E. H. Lemper auf einen ausführlicheren Diskussionsbeitrag zum Themenkreis vor.
Ausgehend vom Verkauf der Rittergutes Cunnersdorf durch Christoph von Sommerfeld an den Rat zu Kamenz im Jahre 1622 schilderte Dr. E. Hartstock rückwärtsgewandt die Entwicklungen auf dem Gebiet des Grunderwerbs durch Städte. Der Konflikt war programmiert durch den Erlaß, daß Güter nicht durch Bürger oder Städte zu veräußern seien. Die Städte, die zu den größten feudalen Grundherren der damaligen Zeit gehörten, konnten problemlos Gewalt gegen den niederen / den Landadel ausüben: Bierzwang und Braurecht waren Monopolstellungen, die den Adel in seiner ökonomischen Entwicklung hemmten. Der Einzug der Lehngüter im Verlauf des Pönfalles war von weitreichender Bedeutung: die Städte waren nicht mehr kreditwürdig, Zahlungen - auch die aus dem Pönfall herrührenden Strafgelder - waren nicht mehr möglich. Vor diesem Problem standen rasch auch die Königlichen Kommissare, die in den Städten die Umsetzung des Strafgerichtes realisierten. Entsprechende schriftliche Nachweise liegen vor, teilweise wurden neue Kommissare eingesetzt, die dort noch zu holen versuchten, wo nichts mehr zu holen war. Den finanziellen Gesamtschaden, der durch den Pönfall eintraf, beziffert Dr. E. Hartstock auf 540.000 Gulden zu 15 Batzen. Das Eindringen des Landadels in die Städte, bspw. in Görlitz durch den freien Fleisch- und Brotmarkt, zog weitere finanzielle Verluste des Städtebürgertums nach sich. Innerstädtische Spannungen waren die Folge, wie der Erlaß neuer Instruktionen an die königlichen Kommissare vom 5. Juni 1548 belegt. Dieses sei jedoch ein neues Kapitel zeitgeschichtlicher Kommunalpolitik.
Prof. Dr. E. H. Lemper definierte den Pönfall eindeutig als ein Lehngericht des Herren gegen seine Vasallen, was auch dadurch deutlich wird, daß die Städte vorübergehend den Status von königlichen Kammergütern erhielten. Für die Städte besonders hervorhebenswert war der moralische Effekt des Pönfalls. Die Städte ergaben sich ins Jammern, obwohl sie abgesichert blieben und niemals existentiell gefährdet gewesen seien. Prof. Lemper hinterfragte nochmals den Charakter des Schmalkaldischen Krieges und bezweifelte seine Einstufung als Religionskrieg. Vielmehr interpretiert er diesen als einen Hauskrieg der Ernestiner und Wettiner. Das Referat Prof. Dr. Lempers beendete den Referateteil des Symposiums.
In der darauffolgenden einstündigen, angeregten und häufig auch kontrovers geführten Diskussion wurden wesentliche Auffassungen der Referenten nochmals prägnant ausformuliert und debattiert.
Prof. Blaschke erhob dringlichen Widerspruch gegen die Frage und die favorisierte Antwort Lempers nach dem Charakter des Schmalkaldischen Krieges. Weiter hob er für das allgemeine Verständnis hervor, daß in dieser Zeit Stadtgemeinde und Kirchgemeinde identisch gewesen seien. Für die Übergangszeit, so deutete er weiter an, sei noch eindeutig zu definieren, welche Rechtsverhältnisse noch zum Lehnswesen gehörten und welche bereits moderne staatliche Bindungen darstellten: bspw. kauften die Räte bereits im frühkapitalistischen Sinne Güter.
Dr. Seifert vertrat die Auffassung, daß Stadtgemeinde und Kirchengemeinde zumindest rechtlich getrennt gewesen seien: maßgeblich für alle Verhältnisse sei die kanonische Denkweise gewesen. Dieses werde insbesondere im Streit um die Kirchenkleinodien deutlich. Kirchenrechtlich sei der Übergriff der Städte auf die Kleinodien nicht zulässig gewesen. Es kam dies einer Enteignung gleich, wenn bspw. wie in Bautzen die Kleinodien des Klosters (die der Stiftung gehörten) eingeschmolzen wurden.
Herr Knobloch verwies auf die Schwierigkeit der Feststellung rechtlicher Sachverhalte, die jeweils individuell für die Städte untersucht werden müßten. Besaß beispielsweise der Görlitzer Rat das ius patronatus, so griff der Rat von Kamenz widerrechtlich in die Rechte des ius patronatus des Klosters St. Marienstern ein. K. verwies weiterhin auf die Besteuerung der Klöster durch König Ferdinand für den Türkenkrieg (25 %) und den Einzug von Kirchengütern als königliche Kammergüter.
Dr. Bobková verwies auf den Unterschied zwischen Lehen und freien Gütern. Die vorherrschenden Rechtsverhältnisse Tafelgüter, Güter der Bürger und Güter der Städte seien jeweils den Rechtverhältnissen der Herrschaft angepaßt gewesen und nicht miteinander zu vermengen. Der Begriff Gnade und Ungnade bedeutete faktisch die vollständige Auslieferung an den König als Persona. Hingegen sei die Einkerkerung der Räte vielmehr als Theater aufzufassen gewesen.
Häufig erfolgten in der Diskussion Verweise auf wichtige Quellen. Dr. Hartstock verwies auf einen bedeutsamen Vorgang zum Sechsstädtebund in der UB Breslau, was seine Ergänzung durch den Hinweis auf die Milich’sche Bibliothek fand, die sich jetzt in der UB Breslau befinde (Knobloch, Klammt). Einen zentralen Punkt in der Diskussion stellte die Person Ulrich von Nostitz’ dar, dessen Rolle und Vita eingehender zu erforschen seien, da auch innere Beweggründe für diverse Entscheidungen zu vermuten sind.
Im Schlußwort resümierte Prof. Dr. Blaschke, daß das Kolloquium nunmehr am Anfang stehe. Bis zum frühen Nachmittag seien zahlreiche Informationen angehäuft worden, nunmehr sei der erhebliche Diskussionsbedarf offensichtlich geworden. Er hob die Notwendigkeit einer qualifizierten geschichtswissenschaftlichen Arbeit hervor und empfahl den Aufbau einer entsprechenden Arbeitsgruppe. Dies könne in Form eines regelmäßig stattfindenden Wochenendseminars (ggf. zweimal jährlich) erfolgen, bei dem Informationen erfaßt, ausgetauscht und weitergegeben werden. B. verwies auf das Fehlen einer wissenschaftlich fundierten regional- bzw. landesgeschichtlichen Zeitschrift, wobei er die Wiederbelebung des Neuen Lausitzischen Magazins (NLM) durch die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften forderte. Für Blaschke ist der Mangel an hochbefähigten und -motivierten Wissenschaftlern wie es einstmals Jecht oder Knothe waren, bedauerlich. Ein Stamm von landesgeschichtlich qualifizierten Personen müsse sich herausbilden. Die Möglichkeit zur Herausgabe einer Schrift mit dem Niveau des NLM bezweifelte er, da hierzu weder die finanziellen noch die politischen Gegebenheiten vorhanden sind. Abschließend kritisierte er die Dominanz der Arbeit mit Sekundärquellen und Editionen des 19. Jahrhunderts. Er forderte die Herausholung der Primärquellen. Diese als Schlußsatz gedachte Bemerkung stieß auf den heftigen Widerstand der Referenten, welche vordergründig in ausgewogenem Verhältnis originäre Forschungen an zumeist unbenutzten und ggf. sogar bislang unbekannten Quellen betrieben hatten!
Programm zur Frühjahrstagung vom 18. bis 20. April 1997
Freitag, 18. April 1997
- Eröffnungsvortrag von Präsident Prof Dr. E.-H. Lemper, Görlitz: Die Städte der Oberlausitz im Entscheidungskampf zwischen böhmischer Krone und Ständen
Sonnabend, 19. April 1997
- Mitgliederversammlung
- Kurzvorträge:
- Andreas Bednarek: Das Neue Schloß in Königshain; Gedanken zum Beginn der denkmalgerechten Wiederherstellung der Anlage
- Dr. phil. Andreas Gauger: Bemerkungen zu Heideggers These "Die Wissenschaft denkt nicht"
- Dr. med. Peter Gleißner: Dr. Adalbert Brauer (1908-1990) - Historiker und Genealoge
- Friedrich Christoph Ilgner: Schatten des praeceptoris Germaniae in Görlitz
- Prof. Dr. phil. Eugeniusz Klien: Die Beziehung des Dichters Arthur Silbergleit zum Görlitzer Schriftsteller Paul Mühsam
- Prof. Dr. E.-H. Lemper: Richard Jechts "Gleichschaltungsakte" von 1933/34 im Archiv der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
- Prof. Dr. Herbert Oberste-Lehn: via regia - Handelsstraße oder Tourismusattraktion ?
- Dr. Gunter Oettel: Projekte zur Edition historischer Quellen durch den Zittauer Geschichts-und Museumsverein
Sonntag, 20. April 1997
- Vortrag von Dr. Volker Dudeck, Zittau: Die Zittauer Fastentücher - sakrale Kunstwerke von europäischem Rang
- Besichtigung der Kreuzkirche in Zittau
Wissenschaftliches Symposium "650 Jahre Oberlausitzer Sechsstädtebund" vom 19. bis 21. September 1996 im Bürgersaal des Rathauses zu Zittau
Donnerstag, 19. September 1996
- Eröffnung und Grußworte
- Oberbürgermeister Kloß
- Herr Hilberer (Konrad Adenauer Stiftung)
- Herr Watterott (Kommunalgemeinschaft ERN)
- Herr Hesse (Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien)
- Herr Prof. Lemper (Präsident der OLGdW)
- Herr Dr. Dudeck (Geschichtskommission ERN/ZGMV/SMZ)
- Vortrag von Prof. Dr. phil. habil. Karl Czok: Der Oberlausitzer Sechsstädtebund zwischen Bürgergeist, Königs- und Adelsherrschaft
- Vorträge
- Empfang des Oberbürgermeisters der Stadt Zittau im Ratssaal
Freitag, 20. September 1996
- Prof. Dr. phil. habil. Karlheinz Blaschke: Der Oberlausitzer Sechsstädtebund als bürgerlicher Träger früher Staatlichkeit
- Weitere Vorträge
- Lichtbildervortrag von Dr. phil. habil. Volker Dudeck (Direktor der Städtischen Museen Zittau): Die Zittauer Fastentücher von 1472 und 1573 Sakrale Kunstwerke von europäischem Rang
- Kammerkonzert des Collegium musicum Zittau unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Eberhard Egermann
Samstag, 21. September 1996
- Oberlausitz-Exkursion
Programm zur Frühjahrstagung vom 19. bis 21. April 1996
Freitag, 19. April 1996
- Eröffnungsvortrag von Prof Dr. Karlheinz Blaschke, Dresden: Die Königsurkunde Heinrichs IV über die ‚villa Goreliz’ und die Anfänge der Stadt Görlitz
Samstag, 20. April 1996
- Mitgliederversammlung
- Öffentliche Vorträge mit anschließenden Diskussionen
- Dr. med. Rüdiger Adam, Görlitz: Die Begräbniszeremonien in Görlitz im 17. Jh.
- Dr. jur. Wolfgang Klix, Weilheim/OBB: Eugen Casparini, der Orgelbauer der Sonnenorgel von St. Peter in Görlitz
- PD Dr. Christian Andree, Kiel: Die Korrespondenz von Oberlausitzern mit Rudolf Virchow. Heuristik, Dokumentation, Kommentar
- Lutz Pannier, Görlitz: Friedrich Küstner (1856-1936). Ein Görlitzer Maurersohn als Astronom von Weltrang
- Dietmar Neß, Groß-Särchen: Das Wächteramt. Stellungnahmen der Görlitzer Kirche unter ihren Bischöfen Hornig und Fränkel zu gesellschaftspolitischen Fragen der DDR
- Martin Schmidt, Hoyerswerda: Konrad Suse - der Vater des Computers
- Hanna Majewska, Zgorzelec: Ein Bericht über Breslauer Hochschulen und Universitäten in den Jahren 1945-95
- Prof. Dr. Günter Bellmann, Mainz: Das Kennwort "ock" und der oberlausitzisch-schlesische Sprachraum
Sonntag, 21. April 1996
- Führung durch Görlitz an ausgewählten Beispielen der Stadtsanierung
Programm zur Herbsttagung "Die Entwicklung der nördlichen Oberlausitz im Industriezeitalter" am 7. Oktober 1995 in Hoyerswerda/Knappenrode
Vortragsreihe
- R. Dähnert: Zur Geschichte der Braunkohlenindustrie in beiden Lausitzen von den Anfängen bis zur Sanierung
- J. Hübner: Die Gestaltung einer neuen Landschaft in der Tagebaunachfolge
- Prof. Dr. O. Wagenbreth, Freiberg: Sächsische Architektur im Industriezeitalter
- Vortrag über Konzeption und Ziele des in Knappenrode entstehenden Bergbaumuseums
- K.-H. Hempel: Hoyerswerdaer Geschichte und die beiden Jubiläen "725 Jahre Altstadt und Schloß" und "40 Jahre Neustadt"
- Dr. Jorga. Die Erhaltung und Wiederbelebung der Natur in der Bergbaufolgelandschaft aus der Sicht eines Zoologen
Programm zur Frühjahrstagung vom 21. bis 23. April 1995
Freitag, 21. April 1995
- Vortrag von Frau Klammt, Görlitz: Leben und Werk des langjährigen Görlitzer Ratsarchivars und Sekretärs unserer Gesellschaft, Prof. Dr. Dr. jur. hc. Richard Jecht
Samstag, 22. April 1995
- Mitgliederversammlung
- Kurzreferate der Mitglieder unserer Gesellschaft
- Prof. Dr. Oberste-Lehn, Görlitz: Von der Stadt der Wissenschaften zur Universitätsstadt Görlitz (Darlegung der Aktivitäten des Universitätsvereins Görlitz zur Stadtentwicklung)
- Prof. Dr. Grau, Berlin: Das Anton-Symposium Görlitz 1968 - Erinnerung eines Teilnehmers
- Leuther von Gersdorff, Otterfing: Der Produktionsfaktor Arbeit und die Politik der Geldmenge. Ein Beitrag zur Theorie der Volkswltschaftspolitik
- Herr Schmidt, Hoyerswerda: Geschichtsverein - Kunstverein - Siedlungsstruktur - 40 Jahre Neustadt Hoyerswerda
- Dr. Herrmann, Kamenz: Zur Aktivität des Kamenzer Geschichtsvereins
- Dr. Dudeck, Zittau: Zur Arbeit der Geschichtskommission Euroregion Neiße
- Konrad Jecht, Steinpleis: Erinnerungen an meinen Großvater Richard Jecht
- Benefizkonzert des "Aktionskreises für Görlitz"
Sonntag, 23. April 1995
- Besuch des Grabes Richard Jechts und Kranzniederlegung
- Besuch des Stadtarchivs Görlitz
Programm zum gemeinsamen Symposium mit der LAUBAG und der LBV mbH am 1. Oktober 1994 in Görlitz und im Braunkohlentagebau Berzdorf / Hagenwerder
- Eröffnung des gemeinsamen Symposiums
- Grußworte des Präsidenten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und der LAUBAG / LBV mbH
- Dr.sc. Dr.h.c. Hans Prescher, Dresden: "Georgius Agricola - ein sächsischer Humanist und Naturforscher von europäischer Bedeutung"
- Exkursion zum Braunkohlentagebau Berzdorf / Hagenwerder
- Besuch einer kleinen Ausstellung zum o.g. Thema
- Vorträge:
- Die Braunkohlenreviere der Lausitz
- Minerale der Lausitz
- Prof. Dr. Otfried Wagenbreth, Freiberg: Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier und seine Mineralogische Geographie der chursächsischen Lande
- Prof. Dr. Ernst-Heinz Lemper, Görlitz: Adolf Traugott von Gersdorf als Mieraloge
- Befahrung des Tagebaues Berzdorf und der Rekultivierungsmaßnahmen
- Michael Leh, Neschwitz: Die heilige Barbara als Schutzpatron des Bergbaues und gefährdeter Berufe
- Schlusswort der Präsidenten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
Programm zur Frühjahrstagung vom 22. bis 24. April 1994 in Görlitz
22. April 1994
- Eröffnung durch den Präsidenten
- Abendvortrag von Viola Imhof, Erlenbach/Schweiz: Adolph Traugott von Gersdorfs Schweizerreise 1786, seine Beziehungen zu schweizerischen Gelehrten und seine Alpenmodelle von Charles-Francois Exchaquet. Zum 250. Geburtstag des Mitbegründers und Stifters unserer Gesellschaft am 20. März
23. April 1994
- Mitgliederversammlung
- öffentliche Veranstaltung - Berichte aus Forschung und Wissenschaft
- Prof. Dr. Dierich, Zittau: Erfordernisse moderner Hochschulbildung
- Dr. Dudeck, Zittau: Zum Simposium "Besiedlung der Neißeregion"
- Doz. PhDr. Andel: Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf den friedländischen Lehnsadel
- Mierau, Berlin: Über Pawel Florenski
- Prof. Dr. Garber, Osnabrück: Zur Erforschung unbekannter deutscher Literatur des 16./17. Jahrhunderts
- Pannier, Görlitz: A. T. von Gersdorfs astronomische Veröffentlichungen und ihre wissenschaftliche Bedeutung im 18. Jahrhundert
- Prof. Oberste-Lehn, Zittau: Übungen zum aufrechten Gang - Auf den Spuren Jakob Böhmes im Werk Ernst Blochs
- Dr. Wessig, Görlitz: Ein Ludwig-Meidner-Konvolut im Ludwig-Kunz-Archiv der Städtischen Kunstsammlungen Görlitz
- Neß, Groß Särchen: Die Neuorganisation der evangelischen Kirche von Schlesien im Restgebiet westlich der Neiße 1945-1952
24. April 1994
- Besichtigungen mit Führung in A.T. von Gersdorfs Physikalischem Kabinett und in der Mineraliensammlung
Programm zur Herbsttagung 1993
- Eröffnung und Begrüßung durch OB Christian Schramm
- Vorstellung der Stadt am Reliefmodell Matthias Wilhelm
- Stadtbesichtigung
- Vorträge
- Prof. Dr. Karlheinz Blaschke: Die territorial-administrative Gliederung des Markgraftums Oberlausitz
- Matthias Wilhelm: Das alte Bautzen in archäologischer Sicht
- Dr. Siegfried Seifert: Die Kirche Bautzens und der Lausitz
- Dr. Josef Lebeda: Die Oberlausitz in ihrer Beziehung zur böhmischen Krone
- Dr. Peter Kunze: Der Wiener Kongreß und die Sorben
- Dr. Ernst Kretzschmar: Görlitz und die preußische Oberlausitz
- Benedikt Ziesch: Zum Wirken der Antifaschistin Dr. Marja Grölmusec in der Oberlausitz und in Böhmen
- Reinhard Hascha: Die Entwicklung der sächsischen Amtshauptmannschaften von 1874 bis 1932
- Ingrid Grohmann: Die territoriale Entwicklung Sachsens von 1835 bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Oberlausitz
Programm zur Frühjahrstagung vom 16. bis 18. April 1993 in Görlitz
Freitag, den 16. April 1993
- Begrüßung der Mitglieder durch den Präsidenten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz
- öffentlicher Abendvortrag von Prof. Dr. habil. Georg Wenzel, Greifswald: Görlitz im "Alten Reich". Ricarda Huchs Konzeption und Darstellungsstil des Stadtbildes.
Sonnabend, den 17. April 1993
- Mitgliederversammlung
- Symposium
- Dr. Peter Poprawa, Löbau; Heimatbegriff Oberlausitz
- Prof. Dr. phil. habil. Siegfried Wollgast, Dresden: Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651-1708) - ein europäisches Glanzlicht der Oberlausitz
- Josef Lebeda, Prag: Josef Dobrovsky und Karl Gottlob Anton
- Peter Wenzel, Görlitz: Zäsuren in der Geschichte des Görlitzer Ratsarchivs
- Horst Krätschmer, Hagenwerder: Das Lausitzer Braunkohlenrevier
- Heiner Mitschke, Görlitz: Archäologische Untersuchungen in der Kirche Deutsch-Ossig, Landkreis Görlitz - Kurzbericht
- Prof. Dr.-Ing. Rolf Karbaum, Görlitz: Information zur Entwicklung der Fachhochschule Görlitz/Zittau
- Roland Otto, Görlitz: Jüdische Geschichte in Görlitz und die Arbeit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Görlitz
- Dr. phil. Wolfgang Wessig: Johannes Wüsten und die "American Guild"
- Dr. Helmut Neubach, Zornheim: Reichstagswahlen und -abgeordnete in Görlitz 1871-1918
- Prof. Dr. phil. habil. Johannes Irmscher, Berlin: Griechen in Görlitz. Die Internierung des IV. griechischen Armeekorps 1916-1918
- Abendessen nach freier Gestaltung
- Konzert im Goldenen Saal des Barockhauses Neißstraße 30
Sonntag, 18. April 1993
- Kunstwanderung von der Peterskirche zum Heiligen Grab mit anschließender Besichtigung des Heiligen Grabes (15. Jh.) unter der Leitung von Prof. Dr. phil. habil. E.-H. Lemper
Programm zur Frühjahrstagung am 25. und 26. April 1992
Samstag, 25. April 1992
- Eröffnung durch Herrn Prof. Dr. Ernst-Heinz Lemper, Präsident der Gesellschaft
- Vorträge am Vormittag
- Herr Günzel, Zittau: Die Ehrung Christian Weises
- Prof. Dr. Irmscher, Berlin: Christian Weise und das frühe Zeitungswesen
- Herr Dr. Kretzschmar, Görlitz: Ferdinand Wilhelm Kaumann und das Bildungswesen in Görlitz im 19. Jahrhundert
- Vorträge am Nachmittag
- Herr Dr. Pester, Berlin: Traditionen der Bildung und des Wissenschaftsethos am Zittauer Gymnasium im Spiegel unveröffentlichter Briefe des jungen Hermann Lotze an Heinrich
- Julius Kämmel
- Herr Langerfeld: Die Herrnhuter Brüdergemeine im Bildungswesen der Oberlausitz
- Herr Dr. Kalesny, Bratislava: Über das Glück einer Nation - zur Comenius-Frage
- Mitgliederversammlung der Gesellschaft
- Abendliches Gespräch in den Räumen der Städtischen Kunstsammlungen Görlitz
Sonntag, 26. April 1992
- Busfahrt ab Südausgang des Görlitzer Bahnhofes
- Eröffnung der Christian-Weise-Ausstellung mit anschließendem Rundgang im Stadtmuseum Zittau
- Besichtigung des Zittauer Franziskanerklosters und des Zittauer Altstadtkerns
- Busrückfahrt
Programm zur Herbsttagung am 19. und 20. Oktober 1991
Gemeinsames Jacob-Böhme-Symposium mit der Jacob-Böhme-Gesellschaft Stuttgart
Programm zur Frühjahrstagung am 20. und 21. April 1991
Sonnabend, 20. April 1991
- Eröffnung durch den Vorsitzenden, Prof. Dr. E.-H. Lemper
- Grußworte
- Festrede (Prof. Dr. Siegfried Wollgast, Dresden): "Akademie und Geistesleben im 17. und 18. Jh. in der Oberlausitz und in Schlesien - Memoria und Denkanstöße"
- Kurzbeiträge
- Prof. Dr. Werner Coblenz, Dresden: Zur Bedeutung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften für die sächsische Wissenschaft
- Prof. Dr. Conrad Grau, Berlin: Richard Jecht und seine Auszeichnung mit der Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
- Dr. Peter Kunze, Bautzen: Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und die Slawen
- Kurt-Michael Beckert, Königslutter am Elm: Zur Arbeit von Forschungsgruppe und Archiv der Stadt Lauban
- Hans-Capar von Wiedebach-Nostitz, Markbronn: Die Oberlausitzer Stände und deren Beziehung zur Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
- Leuther von Gersdorff, Otterfing: Der Montanist Johann Rudolph von Gersdorf (1781-1849)
- Edeltraut Schnappauf, Kamenz: Traditionen der Lessing-Pflege in Kamenz - 60 Jahre Lessing-Museum
- Dr. Rüdiger Adam, Görlitz: Zur Geschichte der Hygiene und Medizin der Stadt Görlitz im 16. und 17. Jahrhundert
- Dr. Peter Poprawa, Ebersbach/Sa.: Heimatpflege am Beispiel der Aufarbeitung des dichterischen Werkes Oberlausitzer Heimatdichter wie Oskar Schwär
- Dr. sc. Peter Stosiek, Görlitz: 10 Jahre wissenschaftliche Arbeit am Bezirkskrankenhaus Görlitz - Beispiele und Perspektiven
- Dr. Werner Wenzel, Görlitz: Die Anpassungs- und Strukturkrise in der Oberlausitz und ihre Konsequenzen für die Beschäftigungsentwicklung
- Michael Leh, Neschwitz: Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und ihr Wirken im mitteleuropäischen Raum
- Dr. Ernst Kretzschmar, Görlitz: Bewahrung des Andenkens von Opfern des Nationalsozialismus und des Krieges nach der Mitgliedsliste von 1929 als verpflichtender Auftrag beim Neubeginn
- Führungen im Haus Neißstraße 30 oder Altstadtführung
- Geselliges Beisammensein
Sonntag, 21. April 1991
- Gedenken am Grab Karl Gottlob Antons auf dem Görlitzer Nikolaifriedhof
- Mitgliederversammlung mit Wahl des Vorstandes
- Schlusswort des Vorsitzenden
- Mittagessen im Gasthof Goldener Baum