Zäsuren der Oberlausitzer Landesgeschichte 1018 – 1268 – 2008 – 2018

Tagung der OLGdW gemeinsam mit dem Archivverbund Bautzen sowie dem Steinhaus e.V. im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres-Projekts 1000 Jahre Friede von Bautzen vom 1.11.-3.11.2018

Die diesjährige Herbststagung der OLGdW war in das Verbundprojekt „1000 Jahre Friede von Bautzen“ im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 eingebettet. Traditionell findet die Herbsttagung der OLGdW am ersten Novemberwochenende statt, wobei wir in diesem Jahr den Rhythmus insoweit durchbrochen haben, dass wir die Tagung bereits Donnerstag, den 01. November 2018 am späten Nachmittag mit einer Führung zu den historischen Orten Bautzens sowie dem einführenden Festvortrag beginnen ließen. Kai wenzel nahm uns dabei auf interessante Weise zu den einschlägigen, bis heute im Stadtbild vorhandenen hochmittelalterlichen Zeugnissen mit. Nach den Eröffnungs- und Grußworten des Präsidenten der Gesellschaft Dr. steffen menzel und des Oberbürgermeisters der Stadt Bautzen, Alexander ahrens, hielt Vizepräsident Dr. lars-arne dannenberg seinen abendlichen Festvortrag. In seinen Ausführungen ging er auf den scheinbaren Zwang ein, Jubiläen zu feiern und die damit verbundenen Zäsuren zu würdigen. Wichtiger sei es jedoch, die damit angestoßenen Prozesse und nicht die fixen Daten in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen. Dies gelte auch für die im Tagungstitel genannten Jahreszahlen.

Den Auftakt der Vorträge am Freitag bildete der Bericht von Frau Dr. Friederike Koch-Heinrichs, Leiterin des Museums der Westlausitz in Kamenz, über die Ergebnisse der jüngsten Grabungsaktivitäten an der Burg Kopschin. Diese Doppelwallanlage in unmittelbarer Nähe eines nur wenige Anwesen zählenden Dorfes bei Crostwitz offenbarte ihren Gesamtcharakter erst nach einer geomagnetischen Messung im Jahr 2017. Dabei konnte ein durch einen Graben gesichertes Suburbium lokalisiert werden, dessen Nachweis im Boden partiell gelang. Die relativ aufwändigen Grabungen erbrachten allerdings nur wenige archäologische Funde. Die in Füllschichten gefundenen mehr als 2000 Keramikfragmente entstammen größtenteils der spätslawischen Epoche des 10. bis 12. Jahrhunderts. 28 Münzen, darunter auch solche Kölner und Tübinger Prägung sowie Schlüssel datieren sogar erst in das 13. bis 14. Jahrhundert oder sind noch jünger.

Dr. Thomas Westphalen, Leiter der Abteilung Archäologische Denkmalpflege am Landesamt für Archäologie in Sachsen, stellte den umfangreichen slawischen Burgenkomplex der Oberlausitz vor, der jedoch in den Schriftquellen kaum Widerhall findet. Das Wissen über die tatsächliche Nutzung dieser Anlagen ist noch immer gering, da Grabungen nur im Vorfeld von Baumaßnahmen möglich sind und systematische Grabungen bislang fehlen. Dies gilt auch im Besonderen für den Zentralort der Oberlausitz, die Bautzener Ortenburg. Immerhin konnte in der Kernburg eine bis in das 12. Jahrhundert reichende dichte Bebauung mit Holzhäusern und Bohlenwegen nachgewiesen werden, die in ihrer Ausführung mit den Grabungsergebnissen auf dem Meißner Burgberg vergleichbar ist. Bis zum Entstehen der eigentlichen Stadt im Zuge der Hochkolonisation erschöpfte sich der Siedlungsbestand Bautzens offenbar auf dieses Gelände.

Dr. Wolfgang Ender, Referatsleiter Tagebauarchäologie Oberlausitz am Landesamt für Archäologie, gab Einblicke in die seit Jahren laufenden Untersuchungen an und in den Tagebauen Reichwalde und Nochten. In dramatischen Bildern wurde nicht nur die Zerstörung der Landschaft gezeigt, sondern auch die Arbeit der Archäologen gewürdigt, die Zeugnisse der Besiedelung vor der Zerstörung bergen und so für die Nachwelt bewahren. Anhand ausgewählter Objekte, wie den Eisenhämmern in Viereichen und Mochholz oder dem Chinesischen Turm des Fürsten Pückler, führte er die Vielschichtigkeit der Fundkomplexe anschaulich vor Augen.

Dr. Jens Bulisch, Kaplan in Crostwitz, entführte dann direkt in die Zeit des Bautzener Friedens im Jahr 1018 und widmete sich insbesondere der noch immer in Teilen umstrittenen Schenkungsurkunde König Heinrichs II. für die Bischöfe von Meißen aus dem Jahr 1006/7 mit der umstrittenen Lokalisierung der Burgwarde Godobi, Ostrusna und Trebista. Die Schwierigkeiten bei der Analyse der Urkunde beginnen bereits bei der Datierung und auch bei dem gemeinhin als sicher identifizierten Göda sei mit guten Gründen durchaus Skepsis angebracht.

Dr. Jens Beutmann, Ausstellungskurator am Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz, präsentierte u.a. einen Animationsfilm zum Frieden von Bautzen 1018, der eigens für die Dauerausstellung des Museums als thematische Einführung produziert wurde.

Am Nachmittag führte eine Busexkursion in das Bautzener Umland, um Stationen des Landesausbaus und der Besiedlung in situ vorzustellen. Ein erster Halt galt der erst vor wenigen Jahren identifizierten mittelalterlichen Turmhügelburg in Bolbritz, die mit ihren mächtigen Mauern eine gute Vorstellung vom Aussehen solcher Anlagen bot. Das auf einer sanften Erhebung unweit von Schmochtitz gelegene Milleniumsdenkmal für die Slawenapostel Cyrill und Methodius war das nächste Ziel. Die danach besuchten Herrschaftsanlagen in Gröditz zeigten anschaulich die Aufeinanderfolge der Siedlungsvorgänge von einer slawischen Burg über ein festes Haus des 16. Jahrhunderts bis zu einer barocken Gutsanlage.  Die Fahrt nach Weißenberg bildete den Abschluss der Exkursion. Hier ließ sich exemplarisch das Muster einer Stadtgründung mit Anlage eines durch Verkehrsachsen tangierten Marktes, der geradlinigen Absteckung von Siedlungsarealen und des genormten Kirchenbaues in der Zeit des Landesausbaues erklären.

Den Abschluss des zweiten Tages bildete die Vorstellung des Landkreises Bautzen durch Landrat Michael Harig. Anhand einer wahren Zahlen-, Daten- und Bilderflut ließ der Landrat die vergangenen zehn Jahre seit der Kreisgebietsreform 2008 Revue passieren. Ein jüngst produzierter Imagefilm stellte zahlreiche Facetten des Landkreises vor.

War der Freitag vor allem von archäologischen Referaten geprägt, konnte Jan Bergmann-Ahlswede am Sonnabendvormittag die von Dr. Ender tags zuvor erläutere archäologische Untersuchung im Gelände des heutigen Tagebaus Reichwalde aus der Perspektive des Historikers ergänzen und erweitern, wenngleich zu diesem Landstrich eine relative Quellenarmut herrscht. Dass daraus keineswegs auf eine erst später einsetzende Besiedlung und einen herrschaftlichen Ausgriff geschlossen werden darf, zeigte sich anhand der vorgestellten siedelführenden Geschlechter, die sich hier ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert einen Wettlauf im Ringen um den Landesausbau lieferten. Die Anlage des späteren Marktflecken Daubitz deutete der Referent als steckengebliebenen Stadtgründungsversuch.

Dr. Jasper von Richthofen, Leiter der Görlitzer Sammlungen, synthetisierte im Anschluss die siedlungskundliche Forschung der letzten einhundert Jahre und hinterfragte zahlreiche festgefügte Grundsätze. So sei die bis heute vorherrschende Ansicht, dass Rundlinge auf slawische Weiler zurückzuführen seien, wohl nicht haltbar, da sich in den Dörfern keine slawischen Funde zeigten. Lediglich in der Feldmark ließe sich entsprechendes archäologisches Material finden, was eher Streusiedlungen nahelege. In einem zweiten Abschnitt seines Vortrages skizzierte er die Entwicklungsstufen von Görlitz zwischen 900 und 1250 und schlug den Bogen von der villa Goreliz zur civitas Görlitz.

Kai Wenzel, Kurator am Kulturhistorischen Museum Görlitz, warf die Fragen auf, welche Entwicklungsstufen der städtische Ausbau durchlief und welche Motivation sich dahinter verbarg. In vergleichender Perspektive zeigte er anhand zahlreicher Beispiele die aus den jeweiligen topographischen Situationen ablesbaren Siedlungsetappen seit der Gründung Oberlausitzer Städte im Hochmittelalter. Als wesentlichen Antrieb für deren Anlage bezeichnete er die Schaffung von Warenumschlagplätzen entlang der Hohen Straße, die damit den jeweiligen Stadtherren an den vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen partizipieren ließ.

Jan Tomášek, einst Student bei Prof. Josef Žemlička und heute als Lehrer an einem Prager Gymnasium tätig, stellte überblicksartig den Wandel der landesherrlichen Ordnung Bautzens und der Oberlausitz im Verlauf des Mittelalters dar, wie er sich aus den einschlägigen chronikalischen Überlieferungen präsentiert.

Lars-Gunter Schier erweiterte anhand recht unscheinbarer Objekte, wie kleiner frühhochmittelalterlicher Denare, den numismatischen Horizont der Tagungsteilnehmer und ging auf die Wirtschaftswelten an der Nahtstelle deutscher und slawischer Kultur- und Herrschaftsräume ein. Ausgehend von der Münzreform unter Karl dem Großen, ließ er die monetäre Entwicklung  bis zu den Eigenprägungen der Städte Bautzen, Görlitz und Zittau sehr anschaulich Revue passieren. Zum Schluss seines Vortrages stellte er das bis heute anhaltende polnische Erinnerungsgedenken an Boleslaw Chrobry im Münz- und Medaillenbild vor.

Die Herbsttagung 2018 versammelte eine erfreuliche Anzahl von Fachkollegen und interessierten Gästen. Die abwechslungsreiche thematische Mischung der Vorträge sowie die beiden Exkursionen boten einen komprimierten Einblick in eines der zentralen Themen der Oberlausitzer Landesgeschichtsforschung. Der Austausch neuer Forschungsergebnisse sowie das Aufzeigen von Desideraten und Forschungsperspektiven machte die Zusammenkunft zu einer ertragreichen und gleichsam anregenden Konferenz.