Allerhöchst bestätigte Statuten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz vom 28. August 1844

§ 1

 

Der Zweck der am 21. April 1779 gestifteten, landesherrlich privilegirten Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz ist im Allgemeinen: vereinigte Bearbeitung des gesammten Gebiets der Wissenschaften; im Besonderen aber: die Erforschung der Geschichte, Alterthümer und Landeskunde der Lausitz und vorzüglich der Oberlausitz. Dabei ist ihr Streben stets dahin gerichtet, die Wissenschaften für das Leben fruchtbar zu machen.

 

§ 2

 

Jeder wissenschaftliche gebildete, selbstständige Mann ist befähigt, Mitglied zu werden. Die Erlangung der Mitgliedschaft muß bei der Gesellschaft unmittelbar nachgesucht werden. Das Beamten-Collegium prüft die Wählbarkeit und schlägt die Candidaten vor. Über jeden Einzelnen wird durch Ballotement abgestimmt. Die Wahl neuer Mitglieder geschieht durch die Hauptversammlung im Monat August (§ 18).

 

§ 3

 

Außer den wirklichen Mitgliedern giebt es correspondirende Mitglieder. Alle in der Lausitz, preußischen und sächsischen Antheils, wohnende sind wirkliche Mitglieder. Auswärtige werden auf ihren besonderen Antrag unter die wirklichen aufgenommen. Die Gesellschaft ernennt aus eigenem Antriebe um die Wissenschaft und Volksbildung besonders verdiente Männer zu Ehrenmitgliedern, welche, wenn sie es wünschen, von der Verbindlichkeit, Ämter zu übernehmen und Sustentations-Beiträge zu zahlen, befreit sein, dagegen aber alle Rechte der wirklichen Mitglieder genießen sollen.

 

§ 4

 

Die wirklichen Mitglieder bilden die Corporation und haben gleiche Rechte und Pflichten. Die correspondirenden Mitglieder dagegen haben keinen Antheil am gesellschafts-Eigenthume und den Eigenthums-Rechten. Sie haben bei den Versammlungen eine berathende Stimme. Die Nutzung aller wissenschaftlichen Sammlungen und Institute ist ihnen gleich den wirklichen Mitgliedern zugestanden. Sie sollen sich durch literarische Thätigkeit der Gesellschaft nützlich machen. Es steht ihnen frei, in die Corporation als wirkliche Mitglieder einzutreten. Wirkliche Mitglieder sind verbunden, alle Ämter der Gesellschaft (mit Ausnahme der besoldeten) anzunehmen.

 

§ 5

 

Die wirklichen Mitglieder zahlen bei der Aufnahme Fünf Thaler Eintrittsgeld und Drei Thaler Zehn Silbergroschen jährliche Sustentations-Gelder; die correspodnirenenden Mitglieder jährlich Einen Thaler Zehn Silbergroschen, wogegen sowohl den wirklichen, als den correspondirenden Mitgliedern die Gesellschafts-Zeitschrift unentgeldlich geliefert wird.

 

§ 6

 

Zur Ausübung der Gesellschafts-Rechte und Vertretung der Corporation nach Außen wählt dieselbe zwölf Repräsentanten, von denen zwei aus der sächsischen Oberlausitz sein müssen. Die Repräsentanten haben alle Recht, welche das preußische Landrecht den Repräsentanten einer privilegierten Gesellschaft beilegt, außerdem aber die Befugniß, Vollmachten im Namen der Gesellschaft abzustellen. In allen schleunigen Fällen sind sie ermächtigt, auch in inneren Angelegenheiten im Namen der Gesellschaft zu handeln, selbst wenn sonst die ganze Corporation zu entscheiden gehabt hätte.

 

§ 7

 

Die Repräsentanten wählen aus ihrer Mitte einen Protokollführer. Sie versammeln sich, so oft es nothwendig ist,. Auf Anordnung des Präsidenten, welche der Vorsitz führt. Sie werden auf drei Jahre gewählt, können aber nach Ablauf der Amtszeit auf’s Neue gewählt werden. Jährlich scheidet ein Dritttheil derselben aus. Im ersten und zweiten Jahre entscheidet das Loos darüber, wer ausscheiden soll.

§ 8

Zum Betriebe der inneren Angelegenheiten erwählt die Corporation einen Präsidenten, einen Sectretär, einen Bibliothekar, einen Kassirer und einen Inspector des Hauses. Der Präsident wird auf fünrf, die übrigen Beamten werden auf drei Jahre gewählt, können aber nach Ablauf der Amtszeit wieder gewählt werden.

§ 9

Außer dem Inspector des Hauses wählt die Corporation noch drei Inspecztoren der gesellschaftlichen Sammlungen, welche nicht zu den eigentlichen Beamten zu rechnen und daher fähig sind, in das Repräsentanten-Collegium gewählt zu werden.

§ 10

Der Präsident dirigirt das Ganze und bildet mit den Beamten (§. 8.) ein beständiges Collegium (Beamten-Collegium), welches die currenten Geschäfte besorgt, und in welchem jeder Beamte Eine Stimme hat, im Falle der Stimmengleichheit aber die Stimme des Präsidenten entscheidet. Der Präsident controllirt die Geschäftsführung der Beamten, wacht über Beobachtung der Statuten und hat das Recht, Versammlungen zu berufen und Deputationen zu ernennen. In den Versammlungen führt er den Vorsitz.

§ 11

Der Vicepräsident, welcher in Görlitz seinen Wohnsitz haben muß, ist der beständige Vertreter des Präsidenten und tritt bei Abwesenheit des Letzteren in alle Rechte desselben. Er hat in allen Versammlungen den Vortrag der zu Berathung kommenden Gegenstände, sofern der Präsident ihn nicht selbst übernimmt oder einem anderen Mitgliede des Beamten-Collegii überträgt.

 

§ 12

Der Secretär wird aus der Gesellschafts-Kasse besoldet, ist der wissenschaftliche Geschäftsführer der Gesellschaft, hatr das Registratur-,  Kanzlei- und gesammte Schreibewesen zu besorgen, führt in den Haupt- und Beamten-Versammlungen das Protokoll, redigirt die Gesellschaftsschriften und besorgt deren Druck, hat auch die Geschichte der Gesellschaft zu schreiben und solche Berichtsweise in den Haupt-Versammlungen vorzutragen. Er hat das Archiv der Gesellschaft unter sich, und die Verwahrung der Vorräthe an Verlagswerken.

 

§ 13

Der Bibliothekar ist ebenfalls besoldet; ihm liegt die Beaufsichtigung der Sammlung an Büchern, Handschriften, Landcharten und Zeichnungen ob; er hat die Kataloge darüber ordnungsmäßig zu führen, das Ausleihungsgeschäft nach dem von der Corporation festzusetzenden Reglement zu besorgen und auf zweckmäßige Vermehrung der Sammlungen Bedacht zu nehmen.

 

§ 14

Der Kassirer verwaltet die Gesellschaftskasse und wird dafür besoldet; an ihn gehen alle Einnahmen und er besorgt die laufenden Ausgaben, wozu er einen Dispositionsfonds erhält. Alljährlich hat er Rechnung zu legen, allvierteljährlich die Einnahmen mittelst Lieferscheine abzuliefern. Zu den Ausgaben bedarf er des Vidi des Präsidenten. Die baaren bestände und Documente hat er mit zwei Kassencuratoren, welche der Präsident aus der Zahl der repräsentanten ernennt, depositalmäßig zu verwahren. Er ist ermächtigt, über alle etatischen Einnahmen Namens der Gesellschaft zu quittiren.

 

§ 15

Von den drei Inspectoren der Sammlungen hat einer die antiquarischen, einer die naturhistorischen und einer die physikalischen und die übrigen Sammlungen zu beaufsichtigen. Sie haben alljährlich Bericht über den Zustand ihrer Sammlungen an die Hauptversammlung zu erstatten und die Inventarien in Ordnung zu halten. Wo nöthig, erhalten sie von der Gesellschaft die Mittel zu technischer Hülfeleistung für die Erhaltung der Sammlungen.

 

§ 16

Die Beamten werden von der Corporation mit Geschäftsinstructionen versehen. Sie sind von dem Sustentationsgelde befreit, und die besoldeten erhalten des Gehalt postnumerando.

 

§ 17

Der besoldete Aufwärter hat die Aufwartung in der Bibliothek und den sonstigen Sammlungen, ebenso bei allen Versammlungen. Er besorgt den Kanzelei- und Botendienst innerhalb der Stadt und führt die Unteraufsicht über das Haus unter der Leitung des Inspectors. Zur Beheizung der Räume erhält er das Holz vom Inspector des Hauses auf Kosten der Gesellschaft.

 

§ 18

Alljährlich werden zwei regelmäßige Hauptversammlungen abgehalten: die erste am Stiftungstage, den 21. April, oder, wenn derselbe auf einen Feiertag fällt, den nächsten Wochentag darauf; die zweite im Monat August. Die erste Versammlung ist lediglich wissenschaftlichen Verhandlungen gewidmet, und nur dringende, unaufschiebbare andere Geschäfte dürfen dabei zur Berathung kommen. Es soll an derselben jedesmal mindestens ein Vortrag zum Gedächtniß der Stifter oder anderer verdienstvoller Mitglieder gehalten werden. Die zweite Hauptversammlung beschäftigt sich vorzugsweise mit den ökonomischen Angelegenheiten der Gesellschaft, ohne jedoch die wissenschaftlichen auszuschließen.

 

§ 19

Das Geschäftsjahr läft von der zweiten Hauptversammlung bis zur nächsten Augustversammlung.

 

§ 20

Die in den Hauptversammlungen erscheinenden Mitglieder verpflichten die abwesenden durch ihre Beschlüsse. Bevollmächtigungen anderer Mitglieder und schriftliche Abstimmung sind unzulässig.

 

§ 21

Zur Belebung des wissenschaftlichen Verkehrs werden allmonatliche Zusammenkünfte gehalten. Einen Zwang, wissenschaftliche Arbeiten zu liefern, findet nicht statt. Mitglieder, welche sich durch wissenschaftliche schriftliche Arbeiten empfohlen haben, werden für das betreffende Jahr nach Beschluß der Redactions-Deputation (§ 23) von den Sustentationsbeiträgen befreit. Die von den Mitgliedern eingelieferten Abhandlungen werden Eigenthum der Gesellschaft.

 

§ 22

In der Aprilversammlung setzt die Gesellschaft eine wissenschaftliche Preisfrage, jährlich mit historischen und schönwissenschaftlichen Gegenständen abwechselnd, aus. Der Preis für die gelungenste Beantwortung wird mit Funfzig Thalern aus der Scabin-Petri’schen Stiftung bezahlt.

 

§ 23

Die Gesellschaft giebt eine Zeitschrift heraus, deren Inhalt eine Deputation von fünf Mitgliedern bestimmt, wozu jedesmal der Secretär gehört, welcher die übrigen Redactionsgeschäfte zu besorgen hat. Die Gesellschaft verlegt die Zeitschrift selbst oder giebt sie in buchhändlerischen Verlag. Jedes Mitglied erhält für die jährlichen Sustentationsgelder ein Freiexemplar durch den Secretär.

 

§ 24

Unter den Mitgliedern der Gesellschaft, sofern sie nicht durch Entfernung an der Theilnahme daran behindert sind, werden die für die Bibliothek angekauften Zeitschriften vom Bibliothekar in Umlauf gesetzt. Jedes Mitglied hat auf seine Kosten für Abholung und Rücklieferung zu sorgen.

 

§ 25

Nach dem Willen der Stifter fallen das gesellschaftliche Archiv, die Bibliothek und die übrigen Sammlungen an die öffentliche Bibliothek zu Görlitz, wenn die Gesellschaft sich auflösen oder bis auf drei Mitglieder vermindern sollte.

 

§ 26

Durch Austritt oder Tod eines Mitglieds hören alle rechte desselben auf das Gesellschaftsvermögen auf. Wer drei Jahre lang seinen Obliegenheiten gegen die Gesellschaft nicht nachgekommen ist, geht seiner Mitgliedschaft verlustig.

 

§ 27

Diese revidirten Statuten gelten für zehn Jahre.

 

Görlitz, in der 86. Hauptversammlung, am 28. August 1844

 

Graf Löben  Geißdorf      Dr. Ernst Tillich

Präsident     Vice-Präsident       Secretär

 

 

Hertel          Tzschaschel

Kassirer       Bibliothekar