Tagung "Justiz und Baukultur im 19. Jahrhundert - 150 Jahre Gericht Görlitz ..." vom 24. bis 26. September 2015 in Görlitz

von Dr. Andreas Bednarek, Bernstadt a. d. E.

Das alte Gerichtsgebäude am Görlitzer Postplatz feiert im Jahre 2015 ein Jubiläum. Vor 150 Jahren ließ der preußische Justizfiskus dort ein prächtiges Kreisgericht mit einem Gerichtsgefängnis entstehen. Die Pläne dafür schuf Carl Ferdinand Busse, Schüler Carl Friedrich Schinkels und führender Architekt des preußischen Gerichtsbauwesens. Zum Ende des Jahres 1865 wurde der Bau seiner Bestimmung übergeben. Der Gerichtsbau und das dazugehörige Gefängnis ist Schauplatz zahlreicher politischer Ereignisse gewesen. Nach einer umfangreichen und sorgsamen Instandsetzung erstrahlt der Bau heute in altem Glanz.

Aus Anlass dieses Jubiläums veranstaltete die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften nach mehr als ein einem Jahr Vorbereitung in Zusammenarbeit mit dem Görlitzer Landgericht, der Justizvollzugsanstalt Görlitz und dem Oberlausitzer AnwaltVereins e.V. eine Tagung zur Görlitzer Gerichtsbau. Thematisch wandte sich die Tagung der Rechtsgeschichte und dem Gerichtsbauwesen im 19. Jahrhundert zu.

Als Auftakt lud das Landgericht Görlitz zur Eröffnung einer kleinen Ausstellung über die Entwicklung des Gerichtsstandort Görlitz ein, dem sich ein Stadtrundgang zur preußischen Baukultur anschloss.

Der Freitag entführte nach Breslau, wo im Mittelpunkt des Interesses der 1849 eröffnete Schwurgerichtsbau stand, den gleichfalls Carl Ferdinand Busse entworfen hatte. Mit Unterstützung des Landesgerichtes Görlitz und der Justizvollzugsanstalt Görlitz waren die Besichtigung des Gerichtsgebäudes sowie des großen Zellengefängnisses möglich geworden. Beeindruckend war nicht nur, dass in den letzten Jahren eine umfangreiche Instandsetzung der Bautengruppe vorgenommen worden war, sondern auch, dass insbesondere im Zellengefängnis viele Elemente aus der Bauzeit sich erhalten haben. Die Exkursionsteilnehmer hatten anschließend noch Gelegenheit, einen Blick in die Jahrhunderthalle und in die dazugehörige Ausstellung zu werfen. Am Sonnabend wurde das Tagungsprogramm mit einer ökumenischen Andacht eingeleitet, ehe Dr. Lars-Arne Dannenberg durch den Tag moderierte und am frühen Abend ein Resümee ziehen konnte. Die acht Vorträge waren in zwei Sektionen Baukunst und Rechtsgeschichte gegliedert. Die Vormittagssektion Architektur leitete Architekt Jörg Möser, Pirna, mit einem Bericht über die Rekonstruktion des Gerichtsgebäudes und die Restaurierung der öffentlichen Bereiche ein. Dr. Henrik Bärnighausen, Dresden, beschäftigte sich mit Carl Schepping, ein Zeitgenosse Carl Ferdinand Busses, der in Sondershausen einen bemerkenswerten Gefängnisbau errichtete. Prof. Dr. Dieter Dolgner, Halle, untersuchte die Entwicklung der Hallenser Justizbauten und ging insbesondere auf die Mitarbeit von Carl Ferdinand Busse ein. Dr. Steffen-Peter Müller, Leipzig, stellte die Baugeschichte des Reichsgerichtes in Leipzig vor und machte mit den Ausstattungsdetails vertraut. Über die Energie aus dem Gefängnis berichtete Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke AG Görlitz. Sein Unternehmen unterhält eine Energiezentrale im Gefängnis, von der aus ein ganzes Quartier mit Wärme versorgt wird. Die Sektion wurde von einer lebhaften Diskussion der Referate beschlossen, ehe es in die Mittagspause ging.

Nach der Mittagspause war zunächst Gelegenheit, die Justizvollzugsanstalt Görlitz zu besuchen und sich von den Sanierungsarbeiten ein Bild zu machen. Die zweite Sektion – Rechtsgeschichte – eröffnete Prof. Dr. Frank Hartmann, Dresden, mit einer Überschau zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert. Pfarrer Dr. Hans-Wilhelm Pietz, Görlitz beleuchtete die Einflüsse von Johann Hinrich Wichern auf die Görlitzer Gefängnisentwicklung. Prof. Dr. Martin Löhnig, Regensburg, informierte über die Entwicklung der Anwaltschaft im 19. Jahrhundert. Den Jugendstrafvollzug in Amerika und die Anfänge desselben in Deutschland stellte Jonas Fleitner, Bochum, vor. Auch hier war eine lebhafte Debatte am Ende der Vorträge zu vermelden. Es ist geplant, dass die Tagungsbeiträge in einem Band veröffentlicht werden.

Die Tagung wurde von der außerordentlich gut besuchten Festveranstaltung beschlossen, in deren Mittelpunkt ein Festvortrag über den Görlitzer Gerichts- und Gefängnisbau stand, vorgestellt durch Frank Hiekel, Leiter der Görlitzer Justizvollzugsanstalt, und Dr. Andreas Bednarek. Im Anschluss gab sich der Oberbürgermeister der Stadt Görlitz die Ehre und hatte zum Empfang geladen, der den Abend und die Tagung genussvoll ausklingen ließ.