Jacob-Böhme-Symposium

Jacob Böhme (1575-1624)

Von Annerose Klammt

In den Jahren 1999 und 2000 ehrten die Europastadt Görlitz/Zgorzelec und die Region Oberlausitz/Niederschlesien ihren großen Sohn - Jacob Böhme. Die Anlässe für dieses umfangreiche und vielschichtige Gedenken waren der 375. Todestag des "philosophus teutonicus" am 17. November 1999 und sein 425. Geburtstag im Jahr 2000.

Bis zur Wende zum 19. Jahrhundert war es in Görlitz eher still um Leben und Werk Jacob Böhmes gewesen. Abgesehen von der Ehrung, die ihm durch die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zuteil wurde, als diese 1869 den imposanten Felsblock an seinem Grab auf dem Görlitzer Nikolaifriedhof aufstellen ließ, erinnerte sich das offizielle Görlitz sehr spät an seinen berühmtesten Bürger. Angeregt durch die Schuhmacherinnung und weitgehend privat finanziert - nicht zuletzt mit Hilfe so namhafter Böhmeforscher wie Paul Deussen und Adolf Lasson - wurde 1898 ein Denkmal für Böhme, geschaffen von Johannes Pfuhl, eingeweiht. Nur wenig später jedoch (1905) ließ die Stadt aus verkehrsplanerischen Gründen Böhmes zweites Wohnhaus am Neißeufer abreißen - ohne öffentliche Proteste hinnehmen zu müssen. 1924 waren es wieder die Oberlausitzische Gesellschaft und ihr Sekretär Richard Jecht, die sich in Görlitz erfolgreich um einen "Bewusstseinsdurchbruch" (Lemper) im Umgang mit Böhme bemühten. Jechts biografische und Felix Vogts philosophiegeschichtliche Arbeiten, veröffentlicht in den Bänden 100 und 102 des Neuen Lausitzischen Magazins, waren wichtige Ergebnisse dieser Anstrengungen. Die Stadt Görlitz ließ 1924 Jechts "Lebensumstände Jakob Böhmes" als "Gedenkgabe der Stadt Görlitz" drucken, unter der Herausgeberschaft Jechts erschien ebenfalls 1924 "Jakob Böhme und Görlitz. Ein Bildwerk".

Die DDR tat sich schwer mit Jacob Böhme. Wieder bedurfte es eines Gedenkjahres für einen erneuten Anlauf. 1974 richtete die Stadt Görlitz gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften der DDR eine Arbeitstagung aus, die den missglückten, weil einseitig orientierten Versuch unternahm, Jacob Böhme in die Ideologie der DDR einzupassen. In dem damals in der Schriftenreihe des Ratsarchivs erschienenen Protokollband ist die mühsame Rechtfertigung nachzulesen: "...in der Einheit von einem zum Materialismus tendierenden Pantheismus und Dialektik, deren Zentrum eine humanistische, mit demokratischen Gleichheitsvorstellungen verbundene Auffassung vom Menschen war, die ihrerseits - objektiv - ein Moment des Kampfes gegen die feudale Ausbeutergesellschaft darstellte, ist Böhme von Bedeutung für das progressive philosophische Denken geworden." (Aus dem Beitrag von G. Bartsch, Die Bedeutung Jacob Böhmes für die Entwicklung der Philosophie).

Alle Schriften und Gedenkveranstaltungen hinterließen in der Bevölkerung der Stadt allerdings nur wenige Eindrücke.

Auch 1998 wusste kaum ein Görlitzer Bürger, wer Jacob Böhme war, als durch den damaligen Präsidenten der wiedergegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und Böhme-Biografen Ernst-Heinz Lemper nachdrücklich auf die erneut bevorstehenden Gedenkjahre 1999 und 2000 aufmerksam gemacht wurde. Die Stadt Görlitz nahm den Gedanken auf. Erstmals seit Jahrhunderten kamen Vertreter der Stadt, der Region, der evangelischen Kirche, der Bürgerschaft und der Wissenschaft zusammen, um gemeinsam über die inhaltliche Gestaltung der künftigen Jacob-Böhme-Ehrung zu beraten. Ein wesentlicher Akzent lag diesmal darauf, Leben und Werk des Philosophen in der Bevölkerung bekannt zu machen. Dies geschah schließlich unter anderem durch künstlerische Aktionen, Ausstellungen und Lesungen, aber auch durch wissenschaftliche Vorträge, und es zeigte sich, dass das Interesse an der Person und an den Gedanken Böhmes sehr groß war.

Höhepunkt und gleichzeitig Schlussakkord der Ehrungen bildete jedoch das Internationale wissenschaftliche Symposium, das unter dem Böhmezitat "Suche dich und finde dich" stand. Die Stadt Görlitz, die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und die Hochschule Zittau-Görlitz waren die Veranstalter dieser durch die Mitwirkung namhafter in- und ausländischer Persönlichkeiten der Böhmeforschung hohes Niveau versprechenden Tagung. Das vielschichtig angelegte Programm des Symposiums gab Anlass zu interessanten Gesprächen und Fragestellungen. Auf Böhmeforscher wie Böhmefreunde übte es darüber hinaus wohl einen besonderen Reiz aus, am Ort des Lebens und Schaffens des Philosophen zu weilen, sich vom Genius loci inspirieren zu lassen.

Cover

Zu der Tagung erschien ein Protokollband, der als Beiheft 2 zum Neuen Lausitzischen Magazin im Jahr 2001 veröffentlicht wurde.