Tagung "666 Jahre Sechsstädtebund - Als die Oberlausitz Geschichte schrieb ..." am 29./30. Juni 2012 in Kamenz

von Thomas Binder, Kamenz

Am 29. und 30. Juni 2012 war die Lessingstadt Kamenz Gastgeberin für eine Tagung, die eines besonderen Jubiläums gedachte: 666 Jahre Sechsstädtebund. Im Mittelpunkt der Vorträge sollten die neuesten Ergebnisse zur Chronikforschung der Oberlausitzischen Städte Bautzen, Görlitz, Kamenz, Lauban, Löbau und Zittau stehen. Vor allem Hinweise auf gemeinsame Handlungen der Sechsstädte sollten dargelegt werden. Hierbei ging es speziell um den Gründungsakt bzw. dessen Reflexion sowie die Wahrnehmung des Bündnisses in den einzelnen Stadtchroniken. Selbstverständlich musste diesbezüglich auch auf die Chronisten eingegangen werden: Welche Stellung nahmen sie in der städtischen Hierarchie ein, und was veranlasste sie zum Schreiben ihrer Chronik.

Den Eröffnungsvortrag am 29. Juni hielt Frau Professor Lenka Bobková von der Karls-Universität in Prag. Er trug den Titel „Die böhmischen Könige und die Böhmische Krone in den Oberlausitzischen Chroniken“. Zu der Abendveranstaltung im Ratssaal des Kamenzer Rathauses, die zusammen mit dem Kamenzer Geschichtsverein durchgeführt wurde, fanden sich trotz bestem Sommerwetter dennoch ca. 60 interessierte Bürgerinnen und Bürger ein, die den Ausführungen der Referentin aufmerksam folgten.

Die Fortsetzung der Veranstaltung am Sonnabend verfolgten zwischen 30 und 40 Hörer. Den größeren Zuspruch erfuhren die drei Referate des Vormittags, was gewiss darin begründet lag, dass sich unter diesen auch der zu Kamenz befand. Nach der Begrüßung durch Frau Dr. Kaufmann, die Leiterin der Städtischen Sammlungen Kamenz und stellvertretende Kulturdezernentin, eröffnete – aufgrund der alphabetischen Reihenfolge der Sechsstädte – Emanuel Priebst mit seinem Beitrag zu Bautzen („Der Sechsstädtebund im Spiegel der Bautzner Stadtchroniken“) die Tagung. Bereits in seinen Ausführungen deutete sich an, dass es in den Chroniken zumeist nicht unbedingt immer um die Sternstunden des Sechsstädtebundes ging, sondern vielmehr um die Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Städten.

Eine andere Intention verfolgte Christian Speer für Görlitz („Karl IV. – Jan Hus – Stephan Fuhrmann. Bedeutungsperspektiven eines spätmittelalterlichen Chronisten“). Er verdeutlichte anhand des Altaristen Fuhrmann, wie sich eine Person in den Kontext der mittelalterlichen Weltgeschichte stellte und sich somit gewissermaßen als Individuum wahrnahm.

Lars-Arne Dannenberg („Kamenz und die Sechsstädte – Aus der Sicht des Stadtschreibers Haberkorn“) stellte am Beispiel von Kamenz, das im Gegensatz zu Bautzen, Görlitz oder Zittau erst verhältnismäßig spät seine Chronik schrieb, die These auf, dass die anderen Städte auf die Abfassung einer Chronik drängten und dafür zudem Unterlagen – sprich eigene Chroniken – als Vorlage zur Verfügung stellten.

Jan Zdichynec stellte mit seinem Referat „Die frühneuzeitliche Geschichtsschreibung aus Lauban: ihre Autoren und ihre Intentionen“ einen interessanten Aspekt vor. So erkannte bereits der Chronist Böhme im Zeitalter der Reformation in der Auslegung der Bibel, dass nicht nur zum Gedenken an Gottes Werk, sondern auch zu gegenwärtigen Ereignissen Denkmäler errichtet werden sollen. Wenn nicht Johann Gustav Droysen und seiner Theorie von Überrest und Tradition vorgreifend, so erkennt Böhme in seinen Betrachtungen zumindest die Bedeutung der Schaffung von Erinnerungsorten als identitätsstiftendes Moment für die Menschen. Außerdem beweist er mit seiner Methode der Zeitzeugenbefragung, dass „oral history“ keine Erfindung der Zeitgeschichte ist.

Ähnliches konnte Petr Hrachovec in seinem Referat „Thematische Schwerpunkte und Zentralereignisse in der Zittauer Chronistik des frühen 17. Jahrhunderts“ darlegen. Allen Referaten war gemein, dass eben nicht der Sechsstädtebund als solcher eine bedeutende Rolle – quasi als Alleinstellungsmerkmal – in den Stadtchroniken einnahm. Sofern die Sechsstädte als Bündnis thematisiert wurden, standen die beschriebenen Ereignisse zumeist in Verbindung mit dem Landesherrn: Schenkungen, Huldigungen und andere Ehrerweisungen. Dadurch kann geschlussfolgert werden, dass es den Sechsstädten wichtig erschien, sich in die Nähe des Landesherrn zu bringen, um ihre Loyalität zu unterstreichen und ihre Privilegien auch für die Zukunft zu sichern. So erstaunt es nicht, wenn in Zeiten des Umbruchs – so geschehen im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges – auch die Geschichtsschreiber Vorsicht walten lassen, um nicht falsche Partei zu ergreifen. Dies konnte ebenfalls an Beispielen bewiesen werden.

Leider ergaben sich im Vorfeld der Tagung Schwierigkeiten, einen Referenten für Löbau zu gewinnen, so dass kein Beitrag aus der Konventstadt vorlag. Dafür konnte Gregor Metzig gewonnen werden. Mit seinem Vortrag „Der Sechsstädtebund im historischen Gedächtnis der Oberlausitz“ ging er auf die regionale Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts ein. Die enge Verknüpfung der Historiographie an die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, die im Übrigen neben dem Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien ebenfalls als Unterstützer der Veranstaltung auftrat, war Fluch und Segen zugleich. Als Patrioten des Markgrafentums hielten die Mitglieder der Gesellschaft auch nach der Teilung der Oberlausitz das Gedächtnis an den Sechsstädtebund wach. Der übersteigerte Nationalismus, der sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, zeigte allerdings auch, dass selbst Historiker mit der Geschichte zu brechen bereit waren. Gerade nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurden die böhmischen Traditionen geradezu verleugnet. Die Einführung des Terminus „Sechsstädteland“ statt „Oberlausitz“ mag dafür einen Beweis darstellen. Die Auflösung der OLGdW nach 1945 und die Hochschulreformen in der DDR ließen Landes- bzw. Regionalgeschichte ins Hintertreffen geraten. Dieser Einschnitt ist auch heute noch spürbar. Es bleibt die Hoffnung, dass gerade solche Tagungen der oberlausitzischen Geschichtsschreibung positive Impulse geben. Allerdings müsste dazu auch das öffentliche Interesse vergrößert werden.

Programmflyer zur Tagung (PDF • 0,3 MB)
- aktualisierte Fassung vom 13. Juni 2012 -

Cover

Im Nachgang zu der Veranstaltung erschien ein Tagungsband, der als Band 1 der Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Kamenz im Jahr 2012 veröffentlicht wurde.