Bericht zur Herbsttagung "Die Kultur des oberlausitzischen Adels in vergleichender Perspektive vom 16. bis zum 19. Jahrhundert" vom 4. bis 6. November 2011 in Hoyerswerda

von Jan Bergmann, Dr. Lars-Arne Dannenberg, Dr. Arnold Klaffenböck

Zum 4. bis 6. November 2011 veranstaltete die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e. V. (OLGdW) in Verbindung mit dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO) eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Die Kultur des oberlausitzischen Adels in vergleichender Perspektive vom 16. bis zum 19. Jahrhundert“. Das Schloss Hoyerswerda bot als Tagungsstätte den passenden Rahmen. Hoyerswerda war eine der bevorrechteten Oberlausitzer Standesherrschaften, unter deren klangvollen Inhabern sich selbst der Kaiser und König Karl IV. einreihte. 1592 ließ Seyfried von Promnitz anstelle der alten Wasserburg ein dreigeschossiges Renaissanceschloss errichten, das dann 1727 die ehemalige Mätresse Augusts des Starken, die Reichsfürstin Ursula Katharina von Teschen, mit barocken Umbauten versah.

Die mit über 100 Teilnehmern überaus gut besuchte Tagung wurde am Freitagnachmittag durch den Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda, Stefan Skora, eröffnet. In seinem Grußwort stellte er angesichts rapide schrumpfender Einwohnerzahlen Chancen und Perspektiven Hoyerswerdas vor, ehe die Organisatoren der Tagung, Dr. Lars-Arne Dannenberg und Kai Wenzel, thematisch in die Tagung einführten. Sie betonten, dass die Forschung zum Adel der Oberlausitz während der DDR-Zeit nahezu völlig zum Erliegen gekommen sei und auch seit der Wiedervereinigung Deutschlands bislang keine nennenswerte Neubelebung erfahren habe. Dabei hätten sich unter dem Einfluss des sog. „cultural turn“ die Fragestellungen stark gewandelt und es würde längst kein bloß rechts- und verfassungsgeschichtlicher Ansatz mehr verfolgt, wie das noch bei Hermann Knothe und Walther von Bötticher der Fall gewesen war. Knothe etwa hatte gar dem Oberlausitzer Adel gemeinhin eine eigenständige Kultur abgesprochen. Dagegen erkannte Kai Wenzel nunmehr aus der kunsthistorischen Perspektive ein wachsendes Interesse an der Kultur des Adels. Er erinnerte an die teilweise herausragenden Kunst- und Altertümersammlungen sowie die großen adligen Privatbibliotheken, welche in der Oberlausitz zum Teil noch ihrer Entdeckung harren.

Die anschließende erste Sektion, die unter dem Thema „Ausgangspunkte und Vergleichsmomente – Die Oberlausitzer Adelslandschaft in der Frühen Neuzeit“ stand und durch den Präsidenten der OLGdW, Dr. Steffen Menzel, moderiert wurde, eröffnete PD Dr. Jörg Deventer (Simon-Dubnow-Institut Leipzig). Er schlug den Bogen vom Pönfall bis zum Dreißigjährigen Krieg und führte anhand der Familie von Nostitz, speziell Dr. Ulrich von Nostitz († 1552) und Otto von Nostitz († 1630), vor, welche verschiedenen Konsolidierungsstrategien angesichts einer differenten Konfessionalisierung entwickelt wurden. Mangels einer landeseigenen Universität und eines Fürstenhofes waren Oberlausitzer Adlige gezwungen, über die Grenzen des Markgraftums hinaus zu blicken und an den Prager Hof zu gehen. Beide Nostitze erlebten dort ihren politischen Aufstieg, auch wenn dies für Letzteren die Aufgabe des väterlichen Glaubens und die Konversion zum Katholizismus bedeutete.

Im Kontrast zu Dr. Deventers Ausführungen stellte im Anschluss Prof. Dr. Martina Schattkowsky (ISGV Dresden) die „Lebenswelten des kursächsischen Adels im 16. und frühen 17. Jahrhundert“ in vergleichender Perspektive vor. Den Unterschied zur Oberlausitz machte in Kursachsen vor allem die Präsenz des Territorialstaates aus. Die dem Absolutismus immanente Dominanz der Fürstenmacht vor Ort bedingte die langsame Auflösung des Ständestaates, dessen eigentliche „Säulen“ die Vertreter des Niederadels waren, so Schattkowsky. Dies bedeutete für diese  aber keinen nennenswerten Einflussverlust, da sie nun stärker in den Hofdienst eingebunden wurden. Weiterhin muss in den Vergleich der beiden Territorien auch die Betrachtung der Agrarverfassung einfließen. Im Gegensatz zur Oberlausitz dominierte in Kursachsen die Grundherrschaft anstelle der Gutsherrschaft. Dies begünstigte eine langsame Integration der ländlichen Verhältnisse in formal rechtsstaatliche Strukturen. So erfolgte bereits früh eine Festschreibung verschiedener Bauernrechte und die Schaffung fester Beschwerde- und Appellationsinstanzen – eine Entwicklung, die in der Oberlausitz erst sehr viel später einsetzte.

Die zweite Sektion eröffnete Silke Kosbab (Archivverbund Bautzen) über die „Bedeutung der Landhäuser in Bautzen für den Adel der Oberlausitz“. Beide Häuser befanden sich unmittelbar im Vorfeld der Ortenburg, dem Sitz der Landvogtei. Intensive Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in den letzten Jahren hatten die baugeschichtliche Erforschung der Gebäude, die heute die Stadtbibliothek und den Archivverbund Bautzen aufnehmen, ermöglicht. In der Frühen Neuzeit trafen sich hier die Vertreter der Landstände, welche zahlenmäßig und auch politisch durch den Adel dominiert wurden. Damit gehörten das Bautzener und das Görlitzer Landhaus zu den wichtigsten administrativen Zentren des Markgraftums.

Anschließend lenkte Dr. Ulrike Ludwig (TU Dresden) den Blick auf ein bemerkenswertes rechtsgeschichtliches Detail: das Duell als adliges Standeszeichen. Das Duell war zwar nicht Bestandteil eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, ja der mitunter tödlich endende Zweikampf war formell sogar verboten. Dennoch galt es als Ausdruck von Feigheit, die Aufforderung zum Zweikampf abzulehnen. Das Duell als Projektionsfläche von Tapferkeit und Ehrgefühl war ein adliges Vorrecht und wurde so zu einem Standeszeichen desselben in der Frühen Neuzeit. Auch wenn realiter jährlich höchstens eine Handvoll Duelle in der Oberlausitz stattfand, zeigt sich doch, dass von landesherrlicher Seite versuchte wurde, diese sogar durch Androhung der Todesstrafe zu verhindern. Dabei zeigt sich auch hier ein signifikanter Unterschied zwischen Kursachsen und der Oberlausitz, denn aus Mangel an rechtskräftigen Mandaten wurde das Vergehen des Duells hier nicht gerichtlich verfolgt.

Dr. Lupold von Lehsten (Institut für Personengeschichte Bensheim) schloss mit seinem Vortrag über die „Frömmigkeit und Kirchenpolitik des Adels der Oberlausitz im Pietismus“ den nachmittäglichen Block ab. Der Referent beschränkte sich aber nicht allein auf den Pietismus, sondern zeichnete den Sonderweg der Oberlausitz im Verhältnis von Kirche und adligem Gutsherrn nach. Das Fehlen eines fürstlichen Hofes führte dazu, dass gemäß dem reformationszeitlichen Grundsatz cuius regio, eius religio auf der Ebene des Gutsherrn über die Konfession der Bevölkerung bestimmt wurde. Im Ergebnis traten der Landadel und die Städte sowie ihre Untertanen zum lutherischen Glauben über. Lediglich die Dörfer des Domstiftes Bautzen und der drei Frauenklöster des Landes blieben bei der alten Konfession. Das im transregionalen Vergleich in Bezug auf die Gutsherren nahezu liberale Klima ermöglichte späterhin sogar die Ansiedelung von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und später auch die Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine durch den Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf († 1760).

Schließlich stellte der Leiter des Museums Schloss Hoyerswerda, Dr. Andreas W. Vetter, kurz das Museum vor und lud zu einem Rundgang durch das Haus ein. Die umfassende Präsentation zur Geschichte der Stadt und Standesherrschaft Hoyerswerda machte die Gäste mit der reichen kulturellen Vergangenheit der Gegend näher bekannt. Der erste Abend mündete in den facettenreichen Vortrag von Prof. Dr. Volkhard Huth, Leiter des Instituts für Personengeschichte in Bensheim. Unter der provokanten Fragestellung „Untergang der Adelswelt? Landes- und kulturpolitische Aspekte eines Elitenwandels“  gingProf. Huth auf die kulturgeschichtliche Leistung dieser Gesellschaftsgruppe ein, wies auf ihre Wandlungsfähigkeit hin und eröffnete dem Plenum neue Sichtweisen; vor allem aber stellte er wichtige und bisher kaum beachtete Aspekte und Potenziale einer solchen Forschung sowohl hinsichtlich eines Vergleichs der Adelslandschaften miteinander als auch des Adels in Bezug auf seine Umwelt heraus.  Der anschließende festliche Imbiss, zu dem die OLGdW eingeladen hatte, wurde so zu lebhaften Diskussionen genutzt.

Der Sonnabend (5. November) stand ganz im Zeichen der großen Exkursion. Die Moderation dieses unter der Rubrik „Herrschaftsorte und Herrschaftszeichen – Die Schlösser der Oberlausitz“ geführten Tagungsprogramms übernahm Kai Wenzel (Kulturhistorisches Museum Görlitz). Einführend stellte Dr. Matthias Donath (Dresden) in einem Parforce-Ritt 300 Jahre Architekturgeschichte der Oberlausitzer Schlösserlandschaft anhand reichen Bildmaterials anschaulich dar, ehe es bei herrlichem Herbstwetter auf Spurensuche vor Ort ging. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl mussten zwei Gruppen gebildet werden, die sich gegenläufig zu den Zielen Königswartha, Neschwitz, Gaußig und Uhyst an der Spree bewegten. Dr. Arnold Klaffenböck (Salzburg) stellte mit Königswartha und Neschwitz bedeutende Baudenkmäler aus der Zeit vor und nach dem Siebenjährigen Krieg vor. Während in Königswartha ein charakteristisches Landschloss an der Wende vom Barock zum Frühklassizismus von außen besichtigt werden konnte, bot sich mit dem Alten Schloss zu Neschwitz die Gelegenheit, einen typischen Vertreter des Augusteischen Barock in Augenschein zu nehmen, darunter auch den Anfang des 19. Jahrhunderts im pompejanischen Stil dekorierten Festsaal. Detailliert ging A. Klaffenböck auf die Ikonografie der hochwertigen Plastiken ein, die sich auf die Auftraggeber der Neschwitzer Schlossanlage, Ursula Katharina Reichsfürstin von Teschen und ihren Gatten Friedrich Ludwig von Württemberg-Winnenthal, beziehen  Das 1945 zerstörte Neue Schloss des Dresdener Baumeisters Friedrich August Krubsacius hingegen wurde zumindest kursorisch anhand alter Ansichten und Grundrisse illustriert. 

Mit Schloss Gaußig erwartete die Teilnehmer ein Objekt, das nach seiner Sanierung wieder einen Eindruck der Schlösser und Herrenhäuser vor der Enteignung und Vertreibung der Besitzer im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges zu vermitteln vermag. Im Gesellschaftszimmer des Schlosses stellte Ivonne Link (Dresden) in einem reich bebilderten Vortrag die Baugeschichte des Hauses und der wertvollen Parkanlage vor. Errichtet als barocker Landsitz erlebte das Schloss im 19. Jahrhundert eine bemerkenswerte Umgestaltung im palladianischen Stil, der den Bau außen und innen bis heute prägt. Im Anschluss bot sich die Möglichkeit die Räumlichkeiten zu besichtigen, geführt durch den Hausherrn Andreas Graf von Brühl-Pohl. Dieser hatte das Anwesen 2005 erworben und betreibt heute ein Schlosshotel.

Der Rückweg nach Hoyerswerda führte über Uhyst an der Spree. Bereits im schwindenden Tageslicht besuchten hier die Teilnehmer eine großartige Schlossanlage, die sich derzeit allerdings mit morbidem Charme zeigt. Trotz des Verfalls immer noch sichtbar ist die spätbarocke Fassadengliederung, die stilistisch Einflüsse des kursächsischen Oberlandbaumeisters Johann Christoph Knöffel verrät. Friedrich Caspar Reichsgraf von Gersdorf hatte mit der Errichtung des Schlosses, dem Bau der Kirche sowie der Gründung einer pietistischen Schulanstalt offenbar den Versuch unternommen, Uhyst zu einer repräsentativen Familienresidenz auszubauen.

Abends erwartete die Teilnehmer noch ein reich gefülltes Vortragsprogramm. Dr. Hermann Freiherr von Salza und Lichtenau (Drehsa), selbst Nachkomme eines der ältesten Oberlausitzer Adelsgeschlechter, referierte in sehr anschaulicher Weise über die Herausbildung und Funktion adliger Standesgerichte in der Oberlausitz. Danach sprachen Thomas Miltschus (Grassimuseum Leipzig) und Isabell Aurin-Miltschus (Barockschloss Delitzsch) über die barocke Schlossanlage von Oberlichtenau, wobei sie ihr Hauptaugenmerk auf den dazugehörigen großangelegten Park richteten, so wie er sich zur Zeit des Grafen Heinrich von Brühl präsentiert hatte. Mithilfe von Plänen erläuterten sie das barocke Schema sowie das komplizierte Achsensystem der unregelmäßigen Anlage, die sie aufgrund stilistischer Merkmale überzeugend Johann Christoph Knöffel, dem bedeutendsten Architekten Kursachsens im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts zuschrieben. Darauf folgend berichteten Kirsten Krepelin und Thomas Thränert aus Berlin über die als Oberlausitzer Sanssouci bekannte imposante Schlossanlage von Hainewalde an der Mandau, das von den Erbauern mit seinem barocken Terrassengarten sowie dem turmartigen Belvedere bewusst auf die bergige Landschaft der südlichen Oberlausitz bezogen wurde. Abgesehen von der komplexen Baugeschichte interessierte insbesondere der Umstand, dass das merkwürdige Erscheinungsbild des Schlosses und rätselhafte Symbole am Gebäude mit dem Freimaurertum des Erbauers zusammenhängen und die Deutung des Ensembles wahrscheinlich nur vor diesem Hintergrund sinnvoll zu sein scheint. Nicht verschwiegen wurde ferner der bedenkliche Erhaltungszustand der Anlage, um die sich nach Kräften ein Förderverein kümmert. Zuletzt wurden durch Mitarbeiter des Staatsarchivs Zielona Góra (Grünberg)  die maßgeblich von Dr. Adam Górski erarbeiteten „Regesta Fontium Saganensium“ präsentiert.

Die Sektion 3 am Tagungssonntag stand unter dem Thema „Ausblicke und Perspektiven – Die Oberlausitzer Adelskultur in Zeiten des Übergangs“, moderiert von Dr. Dietlind Huechtker (GWZO Leipzig). Den Auftakt machte Gerold Dubau (Dresden) mit seinem Vortrag „Umbruch Restitutionsedikt (1629). Verordneter Zwang zur Neuorientierung“, der die gemischtkonfessionelle Familie von Bünau in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte.

Im Anschluss stellte Jan Bergmann (Dresden) auszugsweise die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu den Statuten des adligen Fräuleinstiftes Joachimstein von 1744 vor und setzte sie in Beziehung zu ihrem geistigen Vater Joachim Sigismund von Ziegler und Klipphausen († 1734), dem Stifter der Einrichtung. Die Tatsache, dass das große Ausmaß der baulichen Anlage in Radmeritz/Radomierzyce und die reiche Ausstattung der Stiftung allein auf eine, zudem noch scheinbar zwiespältige Persönlichkeit zurückgehen, wirft bis heute viele Fragen auf. Der Referent versuchte diese in nur einer zusammenzufassen: adliges Standesbewusstsein oder Selbstdarstellung? Im Ergebnis konnten Belege für beide Aspekte gefunden werden.

Es folgte der Vortrag von Dario Kampkaspar (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), der mit der Vorstellung der Verhältnisse des Adels im Kraichgau einen Vergleichsfall zur Oberlausitz anbot. Hierin zeigte er auf, dass die dortige Ritterschaft einen Sonderweg ging und dadurch lange Zeit ihre Reichsunmittelbarkeit behaupten konnte.

Danach legte Dr. Karsten Holste (Martin-Luther-Universität Halle a. d. Saale) den Vergleichsfall Preußen zwischen 1815 und 1847 als heterogene Schöpfung des riesigen Territorialstaates aus historisch vollkommen unterschiedlichen Kulturregionen dar. Im Gegensatz zur Oberlausitz hatten hier die Stände im Allgemeinen und der Adel im Besonderen um 1800 ihre Möglichkeiten politischer Mitbestimmung nahezu eingebüßt. Jegliche Entscheidungsgewalt lag beim zentralisierten Verwaltungsapparat der Hohenzollernmonarchie – eine „Arroganz preußischer Verwaltung“, so Dr. Holste. Zum Verständnis der ambivalenten Entwicklungen unter den Vertretern des Adels führte der Referent verschiedene Protagonisten vor. Während Atanazy Graf Raczyński († 1874) und Tytus Graf Działynski († 1861) zunächst als Vertreter der großpolnischen Autonomiebewegung galten, dann aber doch zu preußischen Beamten avancierten, blieb der General Dezydery Chłapowski († 1879) eine Schlüsselfigur des konservativ-klerikalen Zweiges der polnischen Nationalbewegung. Einen ganz eigenen Weg ging dagegen Otto Theodor Freiherr von Manteuffel († 1882) in der Niederlausitz, der sich als Gegner sowohl ständischer als auch konstitutioneller Verwaltung auswies und im preußischen Vereinigten Landtag (1847/48) als Vorkämpfer bürokratischer Verwaltung galt.

Im Anschluss zeigte Dr. Steffen Menzel (Museumsverbund Krobnitz) in seinem Vortrag nunmehr die Verhältnisse in der Adelslandschaft Oberlausitz nach ihrer Teilung im Wiener Kongress von 1815 auf. Der Aufbau einer Landesverwaltung im neu geschaffenen Markgraftum Preußische Oberlausitz erfolgte hier einerseits durch die Rekrutierung der ansässigen ehemaligen Beamten Sachsens oder aber durch die Einsetzung zugezogener preußischer Führungsschichten. Auch Menzel nutzte die Möglichkeit, einige Protagonisten dieser neuen sowohl regionalen als auch nationalen Führungselite vorzustellen: den Landeshauptmann, Landesältesten und späteren Reichstagspräsidenten Otto Theodor von Seydewitz († 1898) auf Biesig, den Kriegsminister und späteren Ministerpräsidenten Albrecht Graf von Roon († 1879) auf Krobnitz und den Privatsekretär Bismarcks, Reichstagsabgeordneten und Standesherrn von Muskau Traugott Herrmann Graf von Arnim-Muskau († 1919).    

Diese Darlegungen aufgreifend stellte Dr. Lars-Arne Dannenberg (Königsbrück) ein Forschungsvorhaben vor, das sich mit einem kaum beachteten Themenkomplex befassen will: dem oberlausitzischen Adel im 19. und 20. Jahrhundert. Bekanntlich decken die monumentalen Adelsgeschichtswerke Herrmann Knothes und Walter von Boettichers nur die historischen Entwicklungen in der Region bis zur Teilung des Markgraftums im Jahr 1815 ab. An diesem Punkt möchte das vorgestellte Forschungsprojekt anknüpfen, ohne aber die gleichen Ziele zu verfolgen. Weniger Genealogien und Gutsbesitzinventare, sondern vielmehr kausale Zusammenhänge einer Kulturgeschichte sollen eine Rolle spielen. L.-A. Dannenberg nannte exemplarisch u.a. die Frage nach dem Umgang des Adels mit bürgerlichen Rittergutsbesitzern, nach der Positionierung im NS-Regime aber auch nach den Wiedereinrichtern nach der deutschen Wiedervereinigung.

Zum Abschluss berichtete Anja Moschke (Archivverbund Bautzen) über eine noch junge Quellengattung in den staatlichen Archiven: die Adelsarchive. Demnach unterscheidet man drei Typen dieser Überlieferungen: 1. Archive der ehemals regierenden Häuser, 2. Archive der Standesherren und 3. Archive des landsässigen und städtischen Adels. Dem gegenüber stehen die noch zahlreich vorhandenen Gutsarchive. Zu den besonderen Merkmalen dieser Archivtypen gehört ihr breites Überlieferungsspektrum. So können neben patrimonialgerichtlichen und wirtschaftlichen Unterlagen auch ganz private Dokumente wie Familienstands- bzw. Familienverbandsdokumente und sogar Tagebücher u. Ä. archiviert sein. Im konkreten Fall des Bautzener Archives finden sich hier im Wesentlichen Adelsarchive aus dem nach 1815 sächsischen Teil der Oberlausitz. Die meisten Unterlagen gelangten, wenn auch unter teilweise chaotischen Bedingungen durch die sog. „Schlossbergungsaktion“ in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die staatlichen Archive. Die enteigneten ehemaligen Besitzer konnten nach 1994 von ihrem Rückforderungsrecht Gebrauch machen, dennoch wurde einiges Material von den Familien in den Archiven belassen und stellt heut einen wichtigen Fundus zur Erforschung der oberlausitzischen Adelsgeschichte dar.

Ein Novum dieser großen wissenschaftlichen Tagung der OLGdW war die Abhaltung eines Round Table, wo ohne die sonst üblichen Schlussworte die Ergebnisse der Tagung durch Dr. Dietlind Hüchtker, Prof. Dr. Volkhard Huth und Dr. Matthias Donath zusammengefasst wurden. Sie betonten zugleich noch einmal die Desiderate und zeigten Anschlussmöglichkeiten an derzeit aktuelle Forschungsdiskussionen auf. Als Ausklang der an Fachvorträgen und Diskussionen äußerst anregenden Tagung bestand die Möglichkeit einer Stadtbesichtigung Hoyerswerdas. Unter fachkundiger Leitung von Frau Elke Roschmann, Mitarbeiterin des Stadtmuseum, führte der kurze Rundgang vom Schlosshof durch die historische Altstadt. Stationen waren das ehem. Gymnasium, das der Computer-Erfinder Konrad Zuse besuchte, der Marktplatz mit der kursächsischen Postmeilensäule, die als Handwerkergasse angelegte pittoreske Lange Straße und die Johanniskirche, die lange Zeit sowohl der sorbischen als auch der deutschen Bevölkerung Hoyerswerdas diente.

Das GWZO wird gefördert durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung