Allerhöchst bestätigte Statuten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz vom 2. Mai 1866

Titel I.

Vom Zweck der Gesellschaft

 

§ 1

 

Der Zweck der am 21. April 1779 gestifteten, landesherrlich privilegierten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz ist im Allgemeinen: Vereinigte Pflege des gesamten Gebietes der Wissenschaften. sowie Anregung und Förderung wissenschaftlichen Lebens und Strebens; in Besonderheit aber: Erforschung und Bearbeitung der Geschichte, Alterthümer und Landeskunde der Ober- und Niederlausitz.

 

Titel II.

Von den Mitgliedern, ihren Rechten und Pflichten

 

§ 2

 

Die Gesellschaft besteht aus wirklichen, korrespondirenden und Ehren-Mitgliedern.

 

§ 3

 

Jeder wissenschaftlich gebildete selbständige Mann, von welchem sich Förderung des Gesellschaftszweckes erwarten läßt, ist befähigt. Mitglied zu werden. Die Aufnahme zum wirklichen und korrespondirenden Mitgliede ist schriftlich nachzusuchen. Der Ausschuß prüft die Wählbarkeit, und die nächste Hauptversammlung vollzieht die Wahl der vom Ausschuß Empfohlenen in geheimer Abstimmung durch einfache Stimmen-Mehrheit.

 

§ 4

 

Die wirklichen Mitglieder bilden die Korporation und haben gleiche Rechte und Pflichten. Sie sind verbunden. alle Aemter der Gesellschaft. mit Ausnahme der besoldeten, anzunehmen. Alle in der Oberlausitz, preußischen und sächsischen Antheils. Wohnende können nur die Aufnahme als wirkliche Mitglieder beantragen.

 

§ 5

 

Die korrespondirenden Mitglieder haben keinen Antheil am Gesellschafts-Eigenthum und den Eigenthumsrechten. Sie haben bei den Versammlungen nur eine berathende Stimme. Die Benutzung aller wissenschaftlichen Sammlungen und Institute steht ihnen gleich den wirklichen Mitgliedern zu. Auf ihren Antrag müssen sie in die Korporation als wirkliche Mitglieder aufgenommen werden.

 

§ 6

 

Zu Ehren-Mitgliedern erwählt die Gesellschaft aus eigenem Antriebe um Wissenschaft und Volksbildung oder speciell um die Gesellschaft verdiente Männer. Dieselben sind von der Zahlung der Beiträge und auf ihren Wunsch von der Verbindlichkeit, Aemter zu übernehmen, befreit. Dagegen genießen sie alle Rechte der wirklichen Mitglieder.

 

§ 7

 

Die wirklichen Mitglieder zahlen Fünf Thaler Eintrittsgeld und Drei Thaler zehn Silbergroschen jährliche Beiträge: die korrespondirenden Mitglieder zahlen kein Eintrittsgeld und nur einen Thaler zehn Silbergroschen Jahres-Beitrag. Die Jahres-Beiträge werden praenumerando eingezogen. Die Gesellschaft liefert dagegen sämtlichen Mitgliedern die Gesellschafts-Zeitschrift unentgeltlich. Für das Jahr, in welchem die Aufnahme in die Gesellschaft erfolgt, ist der Jahresbeitrag nicht zu entrichten. Wer fünfundzwanzig Jahre wirkliches Mitglied der Gesellschaft gewesen ist, ist frei von Zahlung der Jahres-Beiträge.

 

§ 8

 

Durch Austritt oder Tod eines Mitgliedes hören alle Rechte desselben auf das Gesellschafts-Vermögen auf.

 

§ 9

 

Wer drei Jahre seinen Obliegenheiten gegen die Gesellschaft nicht nachgekommen ist, geht seiner Mitgliedschaft verlustig.

 

Titel III

Vom Ausschuß.

 

§ 10

 

Zur Verwaltung aller Gesellschafts-Angelegenheiten, sowie zur Ausübung der Gesellschaftsrechte und Vertretung der Korporation nach außen wird von letzterer ein Ausschuß gewählt. bestehend aus sechs Beamten und zwölf Repräsentanten, von welchen letzteren zwei aus der sächsischen Oberlausitz, die übrigen in Görlitz wohnhaft sein müssen.

 

§ 11

 

Der Ausschuß hat alle Rechte, welche das preußische Landrecht den Vertretern einer privilegirten Gesellschaft beilegt, außerdem aber die Befugniß, Vollmachten im Namen der Gesellschaft auszustellen.

 

§ 12

 

Die Repräsentanten werden auf drei Jahre gewählt. Jährlich scheidet ein Drittheil derselben aus. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar.

 

§ 13

 

Beamte sind: Der Präsident. der Vicepräsident, der Sekretär, der Bibliothekar. der Kassirer und der Inspektor des Hauses. Der Präsident wird auf fünf, die übrigen Beamten auf drei Jahre gewählt, können aber nach Ablauf der Amtszeit wieder gewühlt werden. Ihre Aufgabe ist die Besorgung der laufenden Geschäfte und die Ausführung der Beschlüsse des Ausschusses.

 

§ 14

 

Der Ausschuß versammelt sich so oft es nöthig ist, auf Anordnung des Präsidenten, zu welcher derselbe verpflichtet ist. wenn drei Repräsentanten darauf antragen. Beschlüsse werden durch einfache Stimmen-Mehrheit herbeigeführt; im Falle der Stimmen-Gleichheit entscheidet der Vorsitzende.

 

Titel V

Von den Beamten

 

§ 15

 

Der Vicepräsident, welcher in Görlitz seinen Wohnsitz haben muß, ist der beständige Stellvertreter des Präsidenten. Im Falle der Abwesenheit übernimmt dasjenige Mitglied die Leitung der Geschäfte, welchem dieselbe von dem Präsidenten, resp. dem Vicepräsidenten übertragen worden ist. Hat keine Anordnung der Art getroffen werden können, so übernimmt das älteste Mitglied der Gesellschaft aus der Zahl der Repräsentanten die Stellvertretung.

 

§ 17


Der Sekretär wird aus der Gesellschaftskasse besoldet, ist der wissenschaftliche Ge‑
schäftsführer der Gesellschaft, hat das Registratur-, Kanzlei und das gesamte Schreib‑
wesen zu besorgen, führt in allen Versammlungen das Protokoll, redigirt die Gesell‑
schaftsschriften und besorgt den Druck, hat auch die Geschichte der Gesellschaft zu
schreiben und solche berichtsweise in der Hauptversammlung vorzutragen. Er hat das
Archiv der Gesellschaft unter sich und die Verwahrung der Vorräthe an Verlagswerken.

 

§ 18

 

Der Bibliothekar ist ebenfalls besoldet; ihm liegt die Beaufsichtigung der Sammlung an Büchern, Handschriften. Landkarten und Zeichnungen ob; er hat die Kataloge darüber Ordnungsgemäß zu führen, das Ausleihungs-Geschäft nach dem von der Korporation festzusetzenden Reglement zu besorgen und auf zweckmäßige Vermehrung der Bibliothek Bedacht zu nehmen.

 

§ 19

 

Der Kassirer verwaltet die Gesellschaftskasse und wird dafür besoldet, er empfängt alle Einnahmen und besorgt die laufenden Ausgaben. Er hat alljährlich Rechnung zu legen. Zu allen nicht fixirten Ausgaben bedarf er der Unterschrift des Präsidenten. Die Werthpapiere und Dokumente hat er mit zwei Kassenkuratoren. welche der Präsident aus der Zahl der Repräsentanten ernennt, depositalmäßig zu verwahren. Größere Barbestände hat er in die Sparkasse zu legen. Er ist ermächtigt über alle etatisirten Einnahmen Namens der Gesellschaft zu quittiren.

 

§ 20

 

Der Inspektor des Hauses hat das der Gesellschaft gehörige Haus nebst Zubehör in baulicher, polizeilicher und ökonomischer Weise zu beaufsichtigen. und für möglichst vortheilhafte Nutzung desselben zu sorgen.

 

§ 21

 

Außerdem erwählt die Gesellschaft die erforderlichen Inspektoren für ihre Sammlungen; sie sind nicht zu den eigentlichen Beamten zu rechnen und daher fähig, zugleich Repräsentanten zu sein. Sie haben die Inventarien ihrer Sammlung in Ordnung zu halten und alljährlich über den Zustand derselben an die Hauptversammlung zu berichten. Wo nöthig, erhalten sie von der Gesellschaft die Mittel zur technischen Hülfeleistung für die Erhaltung der Sammlungen.

 

§ 22

 

Die Beamten sowie die Inspektoren werden von der Korporation mit Geschäfts-Instruktionen versehen; sie sind von den Jahresbeiträgen befreit und die besoldeten erhalten den Gehalt postnumerando.

 

§ 23

 

Der besoldete Kustos hat die Aufwartung in der Bibliothek und den sonstigen Sammlungen. ebenso bei allen Versammlungen. Er besorgt den Kanzlei- und Botendienst innerhalb der Stadt und führt die Unteraufsicht über das Haus unter der Leitung des Inspektors.

 

Titel V

Von den Hauptversammlungen

 

§ 24


Alljährlich werden zwei regelmäßige Hauptversammlungen abgehalten; die erste im
Frühlinge. womöglich am Stiftungstage, den 21. April, die zweite im Herbst. Die erste
Versammlung ist lediglich wissenschaftlichen Verhandlungen gewidmet; nur Aufnahme neuer Mitglieder und dringende Geschäfte dürfen außerdem zur Beratung kommen.
Es soll demselben jedesmal mindestens einen Vortrag zum Gedächtnis der Stifter oder anderer verdienstvoller Mitglieder gehalten werden. Die zweite Hauptversammlung hat es vorzugsweise mit den geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft zu tun, ohne jedoch die wissenschaftlichen auszuschließen.

 

§ 25

 

Die Berufung einer jeden Hauptversammlung, welche vom Sekretär zu vollziehen ist, erfolgt gültig durch eine einmal im Königl. Preuß. Staats-Anzeiger und im Dresdener Journal zu erlassenden Einladung unter Bezeichnung der Berathungsgegenstände. Sollte eines der beiden Blätter eingehen, so bestimmt der Ausschuß das an die Stelle tretende öffentliche Blatt, in welchem die Berufung gültig erfolgt. Die Anzeige des an die Stelle des eingegangenen tretenden Blattes erfolgt in dem nicht eingegangenen. Die in den vorschriftsmäßig einberufenen Hauptversammlungen erscheinenden Mitglieder verpflichten die abwesenden durch ihre nach Stimmen-Mehrheit zu fassenden Beschlüsse. Bevollmächtigung anderer Mitglieder oder briefliche Abstimmung sind unzulässig. Die Hauptversammlung ist über alle Angelegenheiten der Gesellschaft Beschluß zu fassen berechtigt.

 

Titel VI

Vom wissenschaftlichen Betrieb

 

§ 26

 

Zur Belebung des wissenschaftlichen Verkehrs werden allwöchentliche. im Sommer allmonatliche Zusammenkünfte gehalten. Es wird von jedem Mitgliede die Bereitschaft vorausgesetzt, durch mündliche oder schriftliche Mittheilungen aus dem Gebiete der Wissenschaft zur Förderung des Gesellschafts-Zweckes beizutragen.

 

§ 27

 

Mitglieder. welche sich durch wissenschaftliche, schriftliche Arbeiten empfohlen haben. werden für das betreffende Jahr nach Beschluß der Redaktions-Deputation von dem Jahres-Beitrage befreit.

 

§ 28

 

Die Gesellschaft stellt nach Maßgabe der vorhandenen Stiftungen wissenschaftliche Preisaufgaben und entscheidet über die Lösung derselben, beides in den Hauptversammlungen. Die Gesellschaft erwirbt mit Zuerkennung eines Preises das Recht, die Preisschrift in der Gesellschafts-Zeitschrift abdrucken zu lassen.

 

§29

 

Die Gesellschaft giebt eine Zeitschrift heraus, deren Inhalt eine Deputation von fünf Mitgliedern bestimmt, wozu jedesmal der Sekretär gehört, welcher die übrigen Redaktions-Geschäfte zu besorgen hat. Die Gesellschaft verlegt die Zeitschrift selbst oder giebt sie in buchhändlerischen Verlag. Jedes Mitglied erhält für die Jahres-Beiträge ein Frei-Exemplar durch den Sekretär.

 

§ 30

 

Unter den Mitgliedern der Gesellschaft, sofern sie nicht durch Entfernung an der Theilnahme daran verhindert sind, werden die für die Bibliothek angekauften Zeitschriften vom Bibliothekar in Umlauf gesetzt.

 

Titel VII

Zusatz-Bestimmungen

 

§ 31

 

Nach dem Willen der Stifter fallen das gesellschaftliche Archiv, die Bibliothek und die übrigen Sammlungen an die öffentliche Bibliothek zu Görlitz, wenn die Gesellschaft sich auflösen oder bis auf drei Mitglieder vermindern sollte.

 

§ 32

 

Die Gesellschaft behält sich vor, diese Statuten in Zeitabschnitten von zehn zu zehn Jahren einer Revision zu unterwerfen.

 

Görlitz, in der 127. Hauptversammlung, am 2. Mai 1866

 

Graf von Löben           Dr. Paur                       Dr. Wilde         Klähn

Präsident                      Vice-Präsident Sekretär           Kassirer

 

Tschaschel       Mitscher

Bibliothekar     Repräsentant des Hauses

 

Haupt.  Kaumann. Schütt. Schnieber. Struve. Hergesell. Fechser. Vietor.

Frh. von Lützow. Joachim.       Dornick. Kämmel.

 

Allerhöchste Bestätigung

(Beglaubigte Abschrift.)

 

Auf Ihren Bericht vom 16. d. Mts. will Ich hiermit die zurückfolgenden, in der 127. Hauptversammlung am 2. Mai 1866 vollzogenen Statuten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz mit der Maßgabe landesherrlich bestätigen. daß für die Zukunft nur zu solchen Statutenveränderungen landesherrliche Genehmigung erforderlich sein soll, welche den Zweck oder die Vertretung der Gesellschaft nach außen betreffen. Für sonstige Aenderungen soll die Genehmigung des Ober-Präsidenten genügen.

Cassel, den 17. August 1867  

(gez.) Wilhelm

 

Zugleich für den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten

(gez.) Graf zur Lippe    Graf Eulenburg

 

An

den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten

der Justiz und des Inneren.

Mit dem Original gleichlautend

 

Berlin, den 14. September 1867

(L.S.)

(gez.) Lauer. Rechnungsath.

 

Für richtige Abschrift.

(L.S.)

(gez.) Streubel, Regier.-Sekretair